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Türkischer Fußball: Männerverbot im Stadion von Fenerbahce

Der in eine Bestechungsaffäre verstrickte türkische Meister Fenerbahce Istanbul durfte als Strafe für Ausschreitungen in einem früheren Spiel keine erwachsenen männlichen Anhänger zum jüngsten Heimspiel ins Stadion lassen. Und so füllten 41.000 Frauen und Kinder die Ränge.

Die Menge im Stadion jubelte und ließ die Heimmannschaft hochleben. Tausende waren in Trikots ihres Teams erschienen, einige brachten ihre Kinder mit, andere selbst gebastelte Transparente. Sie feuerten ihr Team an und stießen Flüche gegen den Hauptrivalen aus. Ein ganz normaler Fußballabend im Stadion Sükrü Saracoglu in der türkischen Metropole Istanbul? Nein. Alle Zuschauer auf den Rängen waren Frauen und Kinder. Für Männer war das Stadion gesperrt.

So etwas hat es in der Türkei und wohl im ganzen Weltfußball noch nicht gegeben. Der in eine Bestechungsaffäre verstrickte türkische Meister Fenerbahce musste als Strafe für Ausschreitungen in einem kürzlichen Spiel alle erwachsenen männlichen Anhänger beim jüngsten Heimspiel gegen den westtürkischen Club Manisaspor vor der Tür lassen. Und so füllten 41.000 Frauen und Kinder unter 12 Jahren die Sitze – und verliehen dem Spiel eine ganz ungewohnte und gewaltfreie Karnevalsatmosphäre. Doch die Frauenpower im Stadion ist umstritten. Einige Beobachter erkennen eine herablassende Macho-Haltung - schließlich sei es als Strafe gemeint gewesen, den Frauen das Stadion zu überlassen.

In einem Land, in dem die Zeitungen fast jeden Tag über neue Gewaltverbrechen an Frauen berichten, hatte der Abend in Sükrü Saracoglu für viele eine tiefe symbolische Bedeutung. In der Türkei ist Fußball gewöhnlich Männersache, doch an diesem Abend war es anders. „Die Männer werden bestraft, die Frauen sind frei. Die Rollen sind vertauscht“, kommentierte die Zeitung „Milliyet“.

Für Hausfrauen wie Hanife Akagac war der Stadionbesuch ein unvergessliches Erlebnis. „Was hatten wir für einen Spaß“, schwärmte sie in der „Milliyet“. Draußen vor dem Stadion wartete unterdessen ihr Ehemann, wie mehrere hundert andere ausgesperrte Fenerbahce-Fans. Ihr Gatte sei etwas ungehalten, weil das Spiel 1:1-Unentschieden ausgegangen sei, verriet Frau Akagac.

Lesen Sie auf Seite 2, wie es zum tausendfachen Besuch der Frauen im Stadion gekommen war.

Vielleicht lag die Verärgerung nicht nur am Spielergebnis. Tausende Frauen nutzten den Stadionbesuch, um vor dem Millionenpublikum an den Fernsehgeräten ein für die Türkei neues Selbstbewusstsein zu demonstrieren. „Wir haben die Töpfe auf dem Herd und die Kinder zu Hause gelassen“, lautete die Parole auf einem Transparent. „Wir kennen die Macht der Frauen“, hieß es auf einem anderen. Das Stadion-Erlebnis überbrückte auch soziale Gräben unter den Frauen: Fußballfans in strengen islamischen Kopftüchern und betont westlich gekleidete Damen in kurzen Miniröcken kamen gut miteinander aus.

Möglich wurde das Frauentreffen durch eine Verbandsentscheidung, die bisher übliche Strafe eines Spiels vor leeren Rängen abzuschaffen. Fenerbahce-Fans waren in einem Freundschaftsspiel gegen den ukrainischen Club Donetsk auf den Rasen gestürmt und hatten Journalisten attackiert. Der Verband beschloss darauf zunächst, Fenerbahce müsse die ersten beiden Heimspiele der Saison ohne Zuschauer bestreiten. Vor wenigen Tagen wandelte der Verband das generelle Fan-Verbot dann in einen Männer-Bann um.

Für den krisengeschüttelten Club Fenerbahce war der Frauenabend ein wichtiger moralischer Erfolg. Der Verein hatte keinerlei Probleme, das Heimstadion zu füllen, obwohl die normale Anhängerschaft ausgesperrt war. Vereinspräsident Aziz Yildirim bedankte sich ausdrücklich bei den Frauen. Persönlich konnte er das nicht tun: Yildirim sitzt seit Juli in Untersuchungshaft, weil er seinem Club mit Hilfe von Bestechungszahlungen an Gegner in der vergangenen Saison den Meistertitel gesichert haben soll. Das Frauen-Spiel polierte den ramponierten Ruf des Clubs nun wieder etwas auf.

Ob der ungewöhnliche Fußballabend aber auch der türkischen Frauenbewegung hilft, wird vielfach bezweifelt. Wenn bei einem Spiel, das zur Bestrafung eines Clubs ohne Zuschauer stattinden sollte, Frauen und Kinder zugelassen würden, dann bedeute das doch, dass Frauen nicht als Zuschauer zählten, kritisierte die Kolumnistin Bahar Cuhadar in der Zeituntg „Radikal“.

Ein einziger Abend reicht jedenfalls nicht, um den Macho-Geist aus dem türkischen Fußball zu vertreiben, meint auch die Autorin Vivet Kanetti Uluc. Sie verwies auf die Schlagzeile einer türkischen Zeitung, in der es hieß, das Fenerbahce-Stadion habe am Frauenabend „nach Parfüm gerochen“. Uluc hatte deshalb eine Botschaft an die männlichen Fußballfans: „Stinkt ruhig weiter nach Schweiß.“

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