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Wieder einer drin. Die Berliner kassieren in dieser Szene das 0:1 in Freiburg - nach einer Ecke.

© Imago

Zu viele Gegentore nach ruhenden Bällen: Beim 1. FC Union stellt sich die Standardfrage

Beim 1:3 in Freiburg kassiert der 1. FC Union gleich zwei Gegentore nach Ecke oder Freistoß. Insgesamt fehlt den Berlinern derzeit die defensive Kompaktheit.

Von David Joram

Es soll Fußballfans geben, die monieren, dass Bundesliga-Profis nach Spielen immer dieselben Fragen gestellt bekämen, Standardfragen sozusagen. Neven Subotic, der ein wenig den Standard-Innenverteidiger verkörpert, weil er so robust in die Zweikämpfe geht, bekam nach der 1:3-Niederlage seines 1. FC Union beim SC Freiburg ebenfalls ein paar Standardfragen gestellt, dies allerdings im fußballerischen Wortsinne.

Es war am Samstagnachmittag ja so, dass die Berliner zwei ihrer drei Gegentore nach, genau, Standards kassiert hatten. Beim 0:1 schien Robert Andrich an Freiburgs Roland Sallai förmlich zu kleben, aber dann doch nicht fest genug, Sallai traf per Kopf. „Wir wussten, dass wir Standards eigentlich vermeiden sollten, wenn wir es können – und machen es nicht“, sagte Linksverteidiger Christopher Lenz. Fünf Eckbälle hatten sich die Freiburger nach 34 Minuten erkämpft, der fünfte führte zum Führungstor.

In drei Spielen gab es zuletzt acht Gegentore - vier davon nach Standards

Beim dritten Treffer, vorbereitet durch eine Freistoßflanke Vincenzo Grifos, hatte Christopher Trimmel den Kontakt zu Robin Koch verloren. „Heute waren es zwei dumme Standardgegentore“, sagte Linksverteidiger Christopher Lenz, „das werden wir ansprechen müssen diese Woche.“

Addiert man noch die Spiele gegen Leverkusen im Pokal und Wolfsburg in der Liga hinzu, haben die Berliner in den vergangenen drei Spielen vier Gegentore nach ruhenden Bällen bekommen. Weshalb sich Union nun die Standardfrage stellt.

„Wir müssen uns an die eigene Nase fassen für die Fehler, die sicherlich vermeidbar waren, vor allem nach Standards“, sagte Neven Subotic, als er nach dem Spiel um Auskunft gebeten wurde. „Defensiv sind das dann auch Einzelfehler“, ergänzte er. Der Innenverteidiger hatte ebenfalls ein Gegentor mit zu verantworten, jenes aus dem Spiel heraus zum 0:2, als ihn Freiburgs Christian Günter im Strafraum versetzte und dann Torwart Rafal Gikiewicz mit einem harten Schuss keine Chance ließ. „Wenn wir uns nicht am Limit bewegen, wird es einfach schwierig“, sagte Unions Trainer Urs Fischer und bemängelte die fehlende „letzte Konsequenz“.  

Die vielen Gegentore, acht aus den vergangenen drei Spielen, können dem gelernten Abwehrspieler Fischer nicht gefallen. Die defensive Kompaktheit, die der Trainer durch eine Fünferkette und zwei davor abräumenden Sechsern garantiert wissen will, sie ging den Berlinern zuletzt etwas ab - erst recht nach ruhenden Bällen.

Ein bisschen verwundet das schon, immerhin zählt Union zu jenen Mannschaften, die körperlich extrem robust sind. Spiele gegen den zupackenden Aufsteiger seien unbequem, sagen die Trainer der Konkurrenz oft nach Duellen gegen die Berliner. Eine „extrem gut organisierte Mannschaft“ habe Union, sagte Freiburgs Coach Christian Streich, „die eine Wahnsinns-Power mitbringt“. Das gilt speziell auch für die vielen Zweikämpfe, in die Union den Gegner zwingt, oft mit dem besseren Ende für Fischers Spieler.

In Freiburg aber fehlte die Griffigkeit, die Quote gewonnener Zweikämpfe lag bei lediglich 40 Prozent. „Wir haben es einfach nicht konsequent genug verteidigt“, sagte Fischer und meinte speziell die Situationen, die zu den Gegentoren führten. Eine Spur „Aggressivität“ und „Ekligkeit“ habe er vermisst, so Fischer.

Jetzt kommen die Bayern und dann das Derby gegen Hertha

Während Union beim Sport-Club also die Gegentore drei und vier nach einem Freistoß oder einer Ecke in den vergangenen drei Pflichtspielen kassierte, waren es in den vorangegangenen sieben Pflichtspielen bedeutend weniger, gerade mal eines nämlich. Das hatte sich Union zum Rückrundenstart bei RB Leipzig eingefangen. Seither bewachten Subotic und Co. den eigenen Luftraum so rigide als säßen sie dabei in Jagdfliegern.

Im Schwarzwald-Stadion aber schienen die Unioner schlecht betankt, antriebslos wirkte ihr gesamtes Spiel, gipfelnd in kleinen Nachlässigkeiten mit großer Wirkung bei den gegnerischen Standards. „Wir können nicht mit 90 oder 95 Prozent hier antreten und hoffen, dass wir irgendetwas mitnehmen“, sagte Subotic, „außer der Gegner bietet noch weniger – aber in diesem Fall war das nicht so.“

Die Kraft habe – trotz der Englischen Woche – nicht gefehlt, fand er. „Wir sollten uns nicht als Ausrede nehmen, dass wir ein Spiel unter der Woche hatten. Das ist natürlich total billig und nicht unsere Art.“ Zumal Fischer fleißig rotieren ließ und in Leverkusen fünf Stammkräfte nahezu komplett geschont hatte.

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Vor den kommenden beiden Spielen gegen den FC Bayern und Hertha BSC will Fischer die Sensoren wieder neu justieren. Seine Spieler wissen, dass ihnen das gelingen kann. „Wir können auch gegen Topgegner ein gutes Spiel liefern“, sagte Subotic. „Fußball ist ein wunderschöner Sport, weil er schöne Geschichten schreibt. Wir haben die Möglichkeit, jetzt eine schöne Geschichte zu schreiben.“

Wie das dann gelingen soll, hat Subotic freundlicherweise auch noch verraten: „Dafür ist nicht nur eine Menge Glück, sondern auch 100 Prozent von uns nötig.“ Vermutlich gilt das dann auch für jene Momente, in denen der FC Bayern die Standardfrage aufwirft.

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