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Michael Ballack: Kapitän der Reserve

Laut Bundestrainer Joachim Löw darf Michael Ballack der Anführer bleiben, ist aber als Spieler derzeit nicht gut genug für die Nationalmannschaft.

Der Besuch aus Belgien musste sich vorkommen, als hätte er sich aus Versehen in den falschen Saal verirrt. Laut Programm stand eine Pressekonferenz des Bundestrainers zum EM-Qualifikationsspiel gegen Belgien an, aber in Sitzungssaal vier der DFB-Zentrale wollte niemand etwas über das Spiel am Freitag wissen. „Ist das nicht eine gefährliche Situation?“, fragte ein Reporter aus Belgien. Im Grunde sprach er Joachim Löw aus dem Herzen. Der Bundestrainer hatte vergeblich versucht, die Veranstaltung in eine ihm genehme Richtung zu lenken. Er hatte in seinen einleitenden Worten von der neuen Herausforderung nach der Weltmeisterschaft gesprochen und den Fokus auf das Spiel in Brüssel gerichtet – dann aber ging es nur noch um ein Thema: um Ballack, Ballack und noch mal Ballack.

Immerhin hatte sich Löw noch den Spaß erlaubt, sein Publikum ein bisschen hinzuhalten. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit sprach er das aus, worauf alle gewartet hatten: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Michael Ballack der Kapitän bleibt.“ Wenn der Kapitän aber, wie jetzt gegen Belgien und am Dienstag gegen Aserbeidschan, nicht zum Kader gehört, wird Philipp Lahm ihn vertreten, so wie er es auch schon in Südafrika getan hat.

Und dafür die ganze Aufregung? Zwei Monate emotionaler Diskussionen, nur damit alles so bleibt, wie es vor der Weltmeisterschaft war? Löw begründete sein Zögern damit, dass er Schwierigkeiten gehabt habe, die WM emotional zu verarbeiten. „Ich habe erst einmal den Anker werfen müssen“, sagte er. „Außerdem ist es ein wichtiges Prinzip, dass ich zuerst mit den Spielern spreche.“ Diese Gelegenheit ergab sich erst jetzt, da Löw vor dem Doppelspieltag die Mannschaft erstmals nach der WM wieder beisammen hat.

Mit Ballack hatte der Bundestrainer schon zuvor fast zwei Stunden gesprochen. Offen und sehr vertrauensvoll sei das Gespräch gewesen, berichtete Löw, obwohl er Ballack eine unerfreuliche Botschaft zu übermitteln hatte. Der Bundestrainer sieht seinen Kapitän, der ein Jahrzehnt lang die prägende Figur des deutschen Fußballs war, in seiner derzeitigen Verfassung nicht als Verstärkung für die Nationalmannschaft. „Das weiß er selbst“, sagte Löw. Aber Ballack sei sehr ehrgeizig und arbeite sehr professionell an seiner Rückkehr.

Dass Ballack Kapitän bleiben darf, entschärft die Diskussion allerdings nur vordergründig – weil es längst um eine viel existenziellere Frage geht: Gibt es für Ballack überhaupt noch einen Platz in Löws Team? „Wenn er in Topform ist, ist er sicherlich auch eine Verstärkung für diese Mannschaft“, sagte der Bundestrainer.

Aber wann wird das sein?

Löw steht in dieser Personalie nicht unter Druck. Für die beiden Stellen im zentralen Mittelfeld sieht er derzeit Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira deutlich im Vorteil: „Sie haben das bei der Weltmeisterschaft hervorragend gelöst.“ Vor allem erfüllen sie Löws Anforderungsprofil für diese Position: Obwohl formal als defensive Mittelfeldspieler geführt, sollen sie „mit in die Tiefe gehen, torgefährlich sein und in der Offensive starke Akzente setzen“. Für all das hat Michael Ballack einmal gestanden: Aber er wird Ende des Monats 34, hat eine schwere Verletzung hinter sich und ist drei Monate ausgefallen. Zweifel an seiner körperlichen Befähigung sind deshalb nichts Ehrenrühriges.

Die Weltmeisterschaft in Südafrika hat neue Tatsachen geschaffen, nicht nur im Mittelfeld, auch auf der Torwartposition: Der WM-Torhüter Manuel Neuer wird auch bei den Qualifikationsspielen im Tor stehen. „Es gibt keinen Zweifel an ihm“, verkündete der Bundestrainer. René Adler, der im Frühjahr noch als Nummer eins vorgesehen war, bei der WM aber verletzt fehlte, muss sich mit Tim Wiese als Ersatztorhüter abwechseln.

So wirkt die Weltmeisterschaft immer noch nach, obwohl am Freitag ein neuer Abschnitt beginnt, auf den Löw seine Konzentration richten will. Immerhin muss er nicht fürchten, dass in Brüssel ungewollt längst verarbeitete Emotionen wieder hochkommen. Der europäische Fußballverband Uefa hat am Mittwoch bekannt gegeben, dass in seinem Hoheitsgebiet Vuvuzelas für alle Wettbewerbsspiele untersagt sind.

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