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Zwei „Deutsche“. Bundestrainer Löw und die Trainingspuppe. Foto: dpa

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Trainingslager-Bilanz: Joachim Löw sieht Nationalelf als WM-Favoriten

Bundestrainer Löw spricht trotz einiger Zwischenfälle von einer soliden WM-Vorbereitung. Bis nächste Woche sollen die Verletzungen aller Spieler ausgestanden sein - und Deutschland werde als Mitfavorit nach Brasilien fliegen.

Die Deutschen wankten und wurden dann auch nass gemacht. Noch einmal fegte ein recht böiger Wind durchs Südtiroler Passeiertal und zerrte an den mannshohen Aufblaspuppen, die Gegenspieler simulieren. Bei spanischen Spitzenklubs, wo diese Attrappen in Schwarz-weiß auch zum Einsatz kommen, hat man ihnen den nicht gerade respektvoll gemeinten Spitznamen „die Deutschen“ verpasst. Und als plötzlich auch noch die Beregnungsanlage auf dem Trainingsplatz ansprang, war das Bild rund. Ein Bild, das ein wenig symbolisch steht für die vergangenen zehn Trainingslagertage. Es ist halt nicht alles rund gelaufen für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrer direkten WM-Vorbereitung.

Diesen Eindruck wollte auch der Bundestrainer erst gar nicht leugnen, zu viele Vor- und Zwischenfälle (auch um ihn persönlich) gab es zu bewältigen. Doch am Freitag zerstreute Joachim Löw die letzten Zweifel an einer zumindest soliden Präparation seines Teams auf das Weltturnier in Brasilien. Zu diesem wird der deutsche Tross nach zwei Länderspielen am Sonntag gegen Kamerun und am Freitag gegen Armenien dann in einer Woche abheben. „Wir haben in allen Bereichen klare Fortschritte gemacht“, sagte der 54-Jährige, der sich bemüht fühlte, noch einmal einen kleinen Einblick in das Seelenleben der Mannschaft zu geben. So sei die Stimmung „überragend gut“, wie er sagte. Die Spieler empfänden eine „hohe Identifikation“ mit der Mannschaft.

Joachim Löw wirkt entspannter als bei seinem ersten Auftritt

Solcherlei Deutung kennt die deutsche Öffentlichkeit von vielen Trainingslagern, die sich aber auch schon nach so manch gespieltem Turnier als nicht mehr ganz so haltbar erwiesen haben. Wie zuletzt nach der Europameisterschaft 2012. Doch, doch, dieses Mal sei er sich ganz sicher, sagte der Bundestrainer. Er habe das erspürt und an vielen Dingen im Umgang der Spieler untereinander auch beobachten können. „Der Teamgeist ist hervorragend.“

Anders als bei seinem ersten Auftritt wirkte Löw gestern deutlich entspannter. Dieser Eindruck dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass der Heilungsprozess einiger seiner Basisspieler positiv verlaufen ist. Bastian Schweinsteiger etwa habe inzwischen ein paar Einheiten mit der Mannschaft absolvieren können. Bei Sami Khedira seien keinerlei Probleme aufgetreten, und auch Kapitän Philipp Lahm habe bereits mit dem Ball trainieren können. Selbst Torwart Manuel Neuer hatte ganz am Ende ein paar Übungen auf dem grünen Grund vollführen können. „Bis nächste Woche ist alles ausgestanden“, sagte Löw.

Das Testspiel gegen Kamerun, mit dem für Löw ganz offiziell der WM-Countdown startet, kommt für Lahm und Neuer allerdings noch zu früh. Mit Letzterem plane er erst für das Abschlussspiel gegen Armenien. Khedira und Schweinsteiger aber sowie der leicht angeschlagene Marcel Schmelzer seien einsatzbereit. Keine Sorge also: „Wir reisen als Mitfavorit zum Turnier“, lautete Löws Botschaft an die Nation.

Stammspieler bekommen einen Extra-Trainer

Bis zu ihrem WM-Auftakt am 16. Juni in Salvador gegen Portugal bleiben den Deutschen noch gut zwei Wochen. Nach dem Kamerun-Spiel wird die Mannschaft noch eine gemeinsame Trainingeinheit abhalten, ehe die Spieler noch einmal nach Hause fahren können. Doch auch das bitteschön nicht ohne die körperliche und mentale Spannung zu erhalten. Jeder Spieler erhält individuelle Vorgaben. Drei Spieler werden dann aber nur noch ein paar tröstende und aufmunternde Worte mit auf ihren Weg bekommen, der für sie direkt in den Urlaub führt.

Noch in der Nacht zum Montag will Löw seinen vorläufigen in einen endgültigen WM-Kader wandeln. 23 Spieler darf dieser umfassen, drei weniger als hier im Trainingslager dabei waren. Es werde harte Entscheidungen geben, kündigte Löw an, die allein „auf Grund der Faktenlage“ erfolgen würden.

Die immer noch nicht voll belastbaren Spieler Neuer, Schweinsteiger und Lahm werden sich aber keine Sorgen machen müssen. Ihretwegen stellt Löw extra einen seiner beiden Assistenten ab, der mit dem Trio ein paar Tage in München unter Belastung trainieren wird.

Treffen dürfte es aller Voraussicht nach Spieler aus der Gruppe der Nichtetablierten wie die Neulinge Shkodran Mustafi, Matthias Ginter und Erik Durm. Allerdings sind auch die beiden Schalker Julian Draxler und Benedikt Höwedes nicht ganz aus dem Schneider, weil sie auf ihren Positionen in der Nationalelf nicht erste Wahl sind oder für eine mögliche Rolle als Back-up mit jeweils einem weiteren Spieler konkurrieren.

Wenig bis keine Sorgen muss sich Christoph Kramer machen, der die Entdeckung des Trainingslagers ist und sich auch sonst von bemerkenswerter Robustheit zeigte. In der Schlusseinheit brachte er das Kunststück fertig, eine der im Boden steckenden Spielerattrappen über den Haufen zu laufen. Was bei vielen seiner Mitspieler spitzes Gelächter hervorrief, dürfte sogar etwas wehgetan haben. Der Dummy entstammt noch alter Produktion, ist also nicht aufgeblasen, sondern aus Metall – aua.

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