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© dpa

Leichtathletik-WM in Berlin: Mut zur Medaille

Die Deutschen haben nur wenige klare WM-Favoriten – dafür aber viele Athleten, die dank des Heimvorteils positiv überraschen könnten. Eine Übersicht.

Jürgen Mallow, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), weigert sich beharrlich. Er will keine Zahl nennen, er will nicht sagen, wie viele Medaillen er in Berlin erwartet. Clemens Prokop, der DLV-Präsident, sagt: „Wenn einer persönliche Bestleistung erreicht und bloß Vierter wird, ist das auch ein Erfolg.“ Wahrscheinlich ist das die richtige Einstellung. Medaillen allein, vor allem in einer dopingbelasteten Sportart, sagen wenig aus über den Erfolg eines Teams. Nur Franka Dietzsch, die Diskusweltmeisterin, nennt Zahlen: sechs bis sieben Medaillen erwartet sie. Wer kommt als Medaillenkandidat infrage, wer zählt zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten?


Die Medaillenkandidaten

Hochsprung Frauen: Ariane Friedrich will eine Medaille, das hat sie klar gesagt. Beim Istaf hat sie den deutschen Rekord auf 2,06 Meter geschraubt, sie ist zudem Hallen-Europameisterin. Blanka Vlasic oder sie? Das ist die Frage. Die Kroatin Vlasic ist Titelverteidigerin, aber mitunter ist Friedrich nervenstärker, das hat sie bei der Hallen-EM gezeigt. Die Chance, dass die 25-Jährige aus Frankfurt am Main sogar Gold holt, ist gut. Allerdings sind auch Ruth Beitia (Spanien), Antonietta di Martino (Italien) und Anna Tschitscherowa (Russland) in diesem Jahr über zwei Meter gesprungen.

Kugelstoßen Frauen: Nadine Kleinert hat in diesem Jahr schon 19,80 Meter gestoßen, für sie spricht ihre große Erfahrung. Die 33-jährige WM-Dritte von 2007 ist immer noch auf der Suche nach ihrer optimalen Technik, aber sie hat oft genug gezeigt, dass sie bei Höhepunkten nervenstark ist. Die große Favoritin ist allerdings Titelverteidigerin Valerie Vili aus Neuseeland.

Speerwerfen Frauen: Christina Obergföll hat weltweit die beiden besten Würfe in dieser Saison erreicht, 68,59 und 68,40 Meter. Sie gehört eigentlich zu den klaren Medaillenfavoriten. Eigentlich. Ein gewisser Restzweifel bleibt, weil sie in den vergangenen Wochen fast verzweifelt ihre Form suchte. Aber die zweimalige WM-Zweite hat auch bewiesen, dass sie auf den Punkt wieder fit sein kann.

Hammerwerfen Frauen: Betty Heidler aus Frankfurt ist Titelverteidigerin. Mit 75,83 Meter ist sie Militär-Weltmeisterin geworden und sie ist nach ihrem verkorksten Jahr 2008 nervlich wieder stabiler. Sie kommt derzeit allerdings nicht an die Polin Anita Wlodarczyk (77,20) heran.

Diskuswerfen Männer: Robert Harting hat seine Rückenprobleme einigermaßen im Griff, er hat in dieser Saison zweimal über 68 Meter geworfen. Der große Favorit ist allerdings der Este Gert Kanter, der Titelverteidiger und Olympiasieger. Doch Harting hat gute Chancen auf eine Medaille.


Deutsche Starter mit Hoffnungen

20 Kilometer Gehen Männer: André Höhne aus Berlin kann mit einigem Glück Bronze gewinnen. Je wärmer es ist, umso besser für ihn. Er kann bei Hitze gut gehen (siehe auch Seite 24).

4-x-100-Meter-Staffel Männer: Die Deutschen haben viel Staffeltraining gemacht. In Wattenscheid lief das Quartett in der europäischen Rangliste auf Platz eins. Mit Glück ist Platz drei möglich. Für die vier Athleten gilt der gleiche Punkt wie für alle Mitglieder im deutschen Team: Der Heimvorteil kann zum großen Pluspunkt werden. Wenn das Publikum die Deutschen anfeuert, dann wachsen einige von ihnen durchaus über sich hinaus.

Hochsprung Männer: Der Dresdner Raul Spank hat eine Saison-Bestleistung von 2,31 Meter. Wenn er die bestätigt, kommt er in Medaillennähe. Sein Nachteil: Er ist psychisch nicht sehr stabil.

Weitsprung Männer: Von den 8,49 Metern, die Sebastian Bayer in Ulm erzielt hat, darf man sich nicht täuschen lassen. Er zählt damit nicht automatisch zu den Medaillenkandidaten. Denn 2009 sind allein fünf Athleten bereits über 8,40 Meter gesprungen. Wenn Bayer wieder ein Top-Sprung gelingt, kann er um Bronze kämpfen.

Stabhochsprung Männer: Sieben Athleten in der Welt haben in diesem Jahr 5,80 Meter überquert, darunter Alexander Straub und Malte Mohr. Wenn sie diese Höhe zumindest bestätigen, können sie in den Kampf um Bronze eingreifen.

Kugelstoßen Männer: Europameister Ralf Bartels hatte zuletzt Probleme an der Stoßhand. Aber er hat oft bewiesen, dass er in wichtigen Wettkämpfen zu einem starken Versuch fähig ist (siehe Seite 27).

Hammerwerfen Männer: Markus Esser ist gerade noch rechtzeitig in Form gekommen. Vor drei Wochen erreichte er 79,43 Meter. Mit einer Weite von 80 Metern, schätzt der Leverkusener, hat man eine Medaille.

Zehnkampf Männer: Pascal Behrenbruch hat die Anlage für 8600 Punkte. Der verletzungsbedingte Ausfall von Michael Schrader, der in Götzis gewonnen hatte, könnte die große Chance für Behrenbruch sein. Der hat seine großen Stärken vor allem in den Kraftdisziplinen. Sein Problem sind die Nerven. Läuft eine Disziplin schief, zum Beispiel seine Schwachstelle Weitsprung, gibt er sich schnell auf.

4-x-100-Meter-Staffel Frauen: Das deutsche Quartett ist in Wattenscheid ausgezeichnete 43,12 Sekunden gelaufen – und das bei nicht fehlerfreien Wechseln, die seitdem ausgiebig geübt wurden. Wenn die Wechsel optimal sind, besitzt die deutsche Mannschaft eine kleine Chance auf Bronze.

Stabhochsprung Frauen: Silke Spiegelburg hat in diesem Jahr schon 4,70 Meter überquert, Anna Battke 4,68 Meter. Wenn sie diese Höhen bestätigen, können sie um eine Medaille mitspringen, zumal die Olympiazweite Jennifer Stuczynski (USA) und Ex-Weltmeisterin Swetlana Feofanowa (Russland) fehlen.

Diskuswerfen Frauen: Franka Dietzsch tritt zwar als Titelverteidigerin an, aber sie ist weit von ihrem früheren Niveau entfernt. In dieser Saison hat sie nur 62,50 Meter erreicht. Für die 41-jährige dreimalige Weltmeisterin spricht ihre Erfahrung. Mit einem Wurf um die 62 Meter wäre man bei den Olympischen Spielen in Peking unter die ersten Fünf gekommen. Wenn sich also Franka Dietzsch noch etwas steigert, dann hat sie die Chance, eine Medaille zu gewinnen. Edelmetall ist auf jeden Fall ihr großes Ziel. Nur wenn sie eine ausgezeichnete Platzierung bei der WM erreicht, überlegt sie noch, ob sie ein Jahr dranhängen soll. Verpasst sie Edelmetall, dann wird sie ihre lange erfolgreiche Karriere nach dieser Saison beenden.

Speerwerfen Frauen: Steffi Nerius hat vor Kurzem mit 66,82 Metern überrascht. Die 37-Jährige, die ihre Karriere nach der WM beendet, traut sich durchaus zu, einen Wurf zu liefern, der sie in Medaillennähe bringt.

Siebenkampf Frauen: Jennifer Oeser steht mit ihrer persönlichen Bestleistung von 6442 Punkten auf Platz vier der Jahres-Weltrangliste. Die WM-Siebte von 2007 müsste sich aber wohl noch mal steigern, wenn sie Chancen haben will, Bronze zu gewinnen.

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