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Michael Kohlmann konnte bei seinem Debüt trotz der klaren sportlichen Niederlage mehrere Etappensiege verbuchen.

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Update

Das deutsche Davis-Cup-Team: Anfang vom Übergang

Trotz der Niederlage gegen Frankreich hat sich Michael Kohlmann als Davis-Cup-Teamchef bewährt. Mit dem geschlossenen Auftritt der Mannschaft wurden die verprellten Tennis-Fans erst einmal versöhnt.

Für einen kurzen Moment schwante den Zuschauern gestern Mittag in der Frankfurter Arena Böses, als DTB-Präsident Ulrich Klaus mit einem Mikrofon in der Hand den Platz betrat. Manche befürchteten schon ein bitteres Déjà-vu. Schließlich hatte vor einem Jahr das Unheil so seinen Lauf genommen, als Ulrichs Vorgänger Georg Altenburg verkündete, dass sich kein Spieler aus der deutschen Mannschaft in der Lage fühle, zum bedeutungslosen dritten Einzel gegen Spanien anzutreten. Die wütenden Pfiffe und Buhrufe hallten noch sehr lange nach. Doch der Eklat sollte sich nicht wiederholen, denn Ulrich wollte sich gestern nur bei den immerhin 2000 Zuschauern bedanken, die gekommen waren, obwohl das deutsche Team bereits nach dem Doppel am Samstag mit 0:3 von den Franzosen geschlagen war. Und dieses Mal weigerte sich Philipp Kohlschreiber nicht anzutreten. Vielmehr schlug er gar versöhnliche Töne nach seinem 7:6 und 6:4-Sieg über Gilles Simon an. „Ich wollte den Fans etwas zurückgeben, die die ganze Zeit hier waren“, meinte die deutsche Nummer eins, „mir hat die ganze Woche viel gebracht, um charakterlich zu wachsen.“

Ob es Lippenbekenntnisse des eigensinnigen Augsburgers bleiben, oder ob tatsächlich ein Mentalitätswandel dahintersteckt, wird sich zeigen. Dennoch hatte Kohlschreiber diese Davis-Cup-Woche professionell absolviert. Und leicht war das nicht gewesen, denn der 31-Jährige sucht in dieser Saison seine Form, er litt zudem noch an den Nachwehen einer Grippe und hinzu kamen die lästigen Fragen nach seinem Anteil am Rauswurf von Teamchef Carsten Arriens. Doch Kohlschreiber scherte nicht aus und machte gute Miene zum für ihn zehrenden Spiel. Kapitän Michael Kohlmann begegnete er mit Respekt und er schien auch offen für die Anregungen des erfahrenen Teamberaters Niki Pilic zu sein, der Kohlschreiber zu einem Imagewechsel riet.

Kohlmann muss mit dem Personal leben, das ihm zur Verfügung steht

So oder so kann vor allem Michael Kohlmann bei seinem Debüt trotz der klaren sportlichen Niederlage mehrere Etappensiege verbuchen: Ungeachtet des mehrköpfigen Beraterstabes hatte der 41-jährige frühere Profi seine Autorität bewiesen und auch Kohlschreiber zum gestrigen Einsatz bewegt. Mit dem geschlossenen Auftritt der Mannschaft wurden die verprellten Fans erst einmal versöhnt, als Basis für den Neuanfang. Dass sich Kohlmann im ersten Einzel für den Debütanten Jan-Lennard Struff entschied, war mutig. Und der 24-jährige Warsteiner zahlte das Vertrauen mit einer der stärksten Partien seiner Karriere zurück. Gegen Nicolas Mahut holte Struff dann gestern noch den zweiten Ehrenpunkt für die Deutschen mit seinem 7:6- und 6:3-Sieg.

Und die Leistung von Struff ist es dann auch, die nach diesem Wochenende Hoffnung macht. Zumindest für die Zukunft. Denn derzeit muss Kohlmann einstweilen mit dem Personal leben, das ihm zur Verfügung steht. Und das ist Weltklassespielern wie den Franzosen deutlich unterlegen gewesen. Auf die Rekonvaleszenten Tommy Haas und Florian Mayer kann Kohlmann, wenn überhaupt, nach deren langer Verletzungszeit im fortgeschrittenen Profialter nur noch mittelfristig bauen. Vielleicht für den Kampf gegen den Abstieg Ende September.

Doch dass Kohlmanns Blick bereits viel weiter geht, zeigt die Einbindung des so genannten „Talent-Teams“ in Frankfurt. Fünf vielversprechende Spieler zwischen 14 und 17 Jahren erhielten hautnah Einblicke in die Abläufe und Trainingsarbeit der Profis und sammelten wertvolle Erfahrungen. Alexander Zverev gehört eigentlich auch zu dieser Gruppe, doch der 17-Jährige spielte parallel bereits in der Qualifikation des Profiturniers von Indian Wells. Talente wie Zverev, der schon die Nummer 136 der Welt ist, stehen für die viel beschworene Aufbruchsstimmung im deutschen Tennis. Doch bis diese fruchtet, wird es noch dauern. Kohlmann ist ein Neustart gelungen, der aber zunächst eine Übergangsphase einläutet. Nach den Querelen der letzten Jahre muss man das als Erfolg verbuchen.

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