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So sehen Sieger aus. Deutschland schlägt England 4:1.

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Update

Deutschland - England 4:1: Same procedure - mit Wembley-Gefühl

Die deutsche Nationalelf besiegt England mit jugendlichem Elan 4:1 – allerdings profitiert sie dabei auch von einer krassen Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Jetzt geht es gegen Argentinien.

Zum Wesen eines Fußballklassikers gehört es, dass man auch Jahre, ach was: Jahrzehnte nach dem Spiel von ihm spricht. Das Achtelfinale der Weltmeisterschaft 2010 zwischen Deutschland und England bringt demnach alles mit, um als Fußballklassiker in die Geschichte einzugehen. Die Diskussionen und Debatten werden wohl lange nicht zu Ende gehen, nicht nur, aber auch wegen jener Szene in der 38. Minute – obwohl es über sie streng genommen gar nichts zu diskutieren gibt: Der Schuss von Frank Lampard war von der Unterkante der Latte deutlich hinter die Linie geprallt. Das konnte man auch ohne technische Hilfsmittel sehen.

Es wäre das 2:2 für die Engländer gewesen – nachdem sie bereits 0:2 zurückgelegen hatten. Vielleicht, vielleicht sogar wahrscheinlich hätte das Spiel einen anderen Verlauf genommen. So aber gewannen die Deutschen am Ende dank zwei perfekter Kontertore des jungen Thomas Müller 4:1 (2:1). Es war ein verdienter Sieg für die Nationalmannschaft, der jedoch wegen des nicht gegebenen Ausgleichs der Engländer einen Flecken hat. Und nun folgt gleich der nächste Klassiker: Im WM-Viertelfinale am kommenden Sonnabend um 16 Uhr geht es gegen die Argentinier, die am Sonntagabend Mexiko 3:1 schlugen.

Die Deutschen spielten zu Beginn des Achtelfinales sehr viel sicherer, als sie es noch zum Abschluss der Gruppenphase gegen Ghana getan hatte. Ihre Defensive wirkte deutlich organisierter, die Engländer fanden selten Raum, versuchten es immer wieder vergeblich durch die Mitte. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw setzte schon in der Anfangsphase einen ersten Akzent, Mesut Özil aber offenbarte erneut seine gravierende Schwäche in Eins-gegen-eins- Situationen: Wie gegen Australien und Ghana scheiterte er am Torwart. Özil wollte David James den Ball mit seinem schwachen rechten Fuß durch die Beine spitzeln, Englands Keeper aber schloss gerade noch rechtzeitig die Lücke.

Özil ist ein Spieler, der das Schwere einfach machen kann, doch manchmal funktioniert Fußball auch auf die denkbar simpelste Weise. So wie nach knapp 20 Minuten: Abstoß Manuel Neuer, der Ball fliegt bis an den gegnerischen Strafraum, Matthew Upson verschätzt sich, versucht Miroslav Klose noch zu halten, doch im Straucheln spitzelt Deutschlands Stürmer den Ball an David James vorbei zum 1:0 ins Tor. Für Klose, der nach seiner Sperre wieder in die Startelf gerückt war, war es der zwölfte WM-Treffer und sein 50. Tor insgesamt für die Nationalmannschaft. Manuel Neuer aber sicherte sich den ersten Scorerpunkt für einen Torhüter bei dieser Weltmeisterschaft.

Dass die Deutschen nicht nur das brachiale Spiel (Abschlag – Tor) beherrschen, sondern auch die kleine Form, das zeigten sie in der Folge gleich mehrmals. Klose hatte eine weitere gute Möglichkeit, nachdem Sami Khedira mit der Hacke einen Doppelpass mit Thomas Müller gespielt hatte; dessen Vorlage brachte Deutschlands einzigen Stürmer erneut ins direkte Duell mit Torhüter James, diesmal aber entschied der Engländer die Auseinandersetzung für sich. Nur eine Minute darauf aber war James erneut geschlagen. Wieder ging es schnell, wieder waren Klose und Müller beteiligt, der im entscheidenden Moment den Überblick behielt und, anstatt selbst zu abzuschließen, Lukas Podolski bediente. Dessen Schuss rauschte James durch die Beine hindurch zum 2:0 ins Netz.

Die Engländer schienen geschlagen, zumal es ihrem Spiel an Entschlossenheit mangelte. Aber die Deutschen gewährten ihnen plötzlich erstaunliche Freiräume. Erst ließ Per Mertesacker Lampard nach einer Hereingabe von James Milner aus dem Auge, Neuer rettete. Nur zwei Minuten später rückte Müller nach einer kurz ausgeführten Ecke nicht schnell genug heraus, Steven Gerrard konnte unbedrängt flanken – und Innenverteidiger Upson ebenso unbedrängt zum Anschluss einköpfen, weil Jerome Boateng seine Füße nicht vom Boden bekam. England war wieder im Spiel – und wie. Nur eine Minute nach dem 1:2 erzielte Lampard den vermeintlichen Ausgleich, der jedoch nicht zählte. Trotzdem war es fortan ein anderes Spiel: Die Engländer suchten die Gunst des Moments zu nutzen, die Deutschen verloren die Hoheit über das Geschehen, reagierte nur noch, anstatt den Gegner möglichst weit von ihrem Tor fernzuhalten.

Gleich nach der Pause traf Lampard, diesmal nach einem Freistoß, erneut die Latte. Neuer reagierte nicht einmal, doch der Ball sprang ins Feld zurück. Wie gefährlich Freistöße von Lampard sein können, zeigte sich auch in der vorentscheidenden Situation des Spiels – nachdem Lampards Schuss in der Mauer hängen geblieben war, starteten die Deutschen einen perfekten Konter über zwei Stationen. Müller schickte Bastian Schweinsteiger, der passte im richtigen Moment zurück, und Müller vollendete zum 3:1. Nur zwei Minuten später erzielte der 20-Jährige, wieder nach einem Konter, diesmal nach Vorarbeit von Özil, seinen dritten Turniertreffer.

Ein Tor mehr – und die Deutschen hätten sich nicht nur für Wembley 66 gerächt, sondern auch ein anderes Trauma besiegt: das 1:5 in München im September 2001. Doch auch so werden die Engländer dieses Spiel nicht vergessen. Es war ihre höchste Niederlage bei einer WM. Trainer Fabio Capello will trotzdem weitermachen. Das berichtete der "Guardian" schon kurz nach Spielende auf seiner Internetseite.

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