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Tod von Trayvon Martin: Ein Name spaltet die USA

Nach der Empörung um den Tod des jungen Afroamerikaners ändert sich jetzt die Tonlage. Der Schütze hatte eine Wunde am Hinterkopf und blutete aus der Nase. Die Debatte um das "Notwehrgesetz" in Florida geht weiter.

Warum musste Trayvon Martin sterben? Seit einer guten Woche bewegt das Schicksal des 17-jährigen Afroamerikaners die USA. In vielen Städten gibt es Solidaritätsdemonstration. In Talkshows diskutieren Eltern die unbeabsichtigten Nebenbotschaften von Kleidungsmoden Jugendlicher: Ist es einfach nur „cool“, einen „Hoodie“ zu tragen, einen Kapuzenpulli – oder kann die tief ins Gesicht gezogene Kapuze verdächtig wirken, als habe da jemand etwas zu verbergen?

Fast täglich kommen neue Details um Trayvons Tod ans Licht, die die ersten schnellen Bewertungen als Vorurteile entlarven. Die Entwicklung zeigt, wie Medien und Interessengruppen eine Tragödie mit komplexem Hintergrund durch ihre Wortwahl und ihre Auswahl emotionaler Bilder in Klischees zu pressen versuchen, Wissenslücken mit Mutmaßungen füllen und vieles, was nicht ins gewünschte Bild passt, weglassen. Rechte wie Link nutzen den Fall, um Verschwörungstheorien zu kultivieren.

Zu einem nationalen Thema war Trayvon Martin überhaupt erst vier Wochen nach seinem Tod geworden. Gewöhnlich wohnt er in einem schwarzen Vorort der Großstadt Miami, Florida, bei seiner geschiedenen Mutter. Am 26. Februar war er zu Besuch bei der Freundin seines Vaters in Sanford, 400 Kilometer weiter nördlich. Sie wohnt zur Miete in einer geschlossenen und durch Zäune geschützten Anlage, in der es wiederholt Einbrüche gegeben hatte. Anwohner haben sich zu einer Wachtschutzgruppe zusammengeschlossen und patrouillieren.

Griff der Teenager den Schützen an?

An jenem Abend hatte der Chef der Gruppe Dienst, George Zimmerman. Der 27-Jährige sieht aus wie ein Latino, die Mutter ist Peruanerin, der Vater ein Weißer. Trayvon schaute mit seinem Vater ein Basketball-Match im Fernsehen und ging in der Werbepause in einen nahen Laden, um „Skittles“, seine Lieblingssüßigkeiten, zu kaufen. Auf dem Rückweg zur Wohnung sieht Zimmerman kurz vor 19 Uhr den 1,84 Meter großen Jugendlichen, hält ihn für verdächtig und folgt ihm im Auto. Mehrfach ruft er die Polizei an: „Der guckt sich verdächtig um und hat nichts Gutes vor“, heißt es auf dem Tonband. Die Zentrale verspricht, einen Streifenwagen zu schicken. Wenig später berichtet Zimmerman, der Verdächtige renne plötzlich weg. Die Polizei fordert Zimmerman auf, nicht einzugreifen. Wenige Minuten später ist Trayvon tot – erschossen mit Zimmermans Pistole, Kaliber 9 Millimeter. Als die Polizei eintrifft, liegt Trayvon leblos mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Die Sanitäter stellen um 19 Uhr 30 seinen Tod fest und eine Schusswunde in der Brust.

Wie es dazu kam, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zimmerman sagt, er sei aus dem Auto ausgestiegen, um zu sehen, wo der Verdächtige abgeblieben sie, und dies der Polizei mitzuteilen. Plötzlich sei Trayvon hinter ihm aufgetaucht und habe ihn angegriffen. Sein Anwalt sagt, Trayvon habe Zimmerman so brutal ins Gesicht geschlagen, dass dessen Nase brach und er zu Boden ging. Danach habe Trayvon Zimmermans Hinterkopf mehrfach auf den Boden geschlagen. Er habe in Notwehr geschossen. Der Polizeibericht hält fest, dass Zimmerman aus der Nase blutete, eine Wunde am Hinterkopf hatte und der Rückenteil seiner Kleidung verschmutzt war, als habe er auf dem Boden gelegen.

Linke und rechte Medien kämpfen um die Deutung

Trayvons Familie, die meisten Schwarzen und die zum linken Spektrum zählenden Medien halten das für unglaubwürdig. Trayvon war größer als der 1,75 Meter große Zimmerman, aber mit 67 Kilo ein Leichtgewicht im Vergleich zu dem 110 Kilo schweren Latino. „Zimmerman kann behaupten, was immer er will. Er lebt. Trayvon ist tot und kann sich nicht mehr wehren“, beschwert sich die Mutter. Die wenigen Zeugenaussagen sind widersprüchlich. Es regnete, nur wenige Passanten waren unterwegs. Sie sahen aus der Ferne zu und riefen die Polizei. an Einige berichten von einem Kampf, andere haben keinen Kampf gesehen.

Es dauert fast vier Wochen, ehe die nationalen Medien auf den Fall aufmerksam werden. Als sie es tun, scheint ihnen im Rückblick vieles verdächtig. Die Polizei habe angeblich nicht sorgfältig ermittelt. Warum hat sie den Todesschützen nicht festgenommen? Auf den ersten Blick ist die gängige Interpretation: Unbewaffneter, wehrloser schwarzer Junge wird von einem misstrauischen „weißen“ Ordnungsfanatiker umgebracht. Entsprechend ist die gängige Bebilderung: Trayvon wird als kleiner Junge gezeigt, Zimmerman mit einem bulligen Gesicht.

Die Polizei verteidigt sich, gibt allerdings nur begrenzte Informationen und verweist zur Begründung auf die andauernden Ermittlungen. In der Diskussion, ob sie Zimmerman hätte festnehmen müssen, rückt ein spezielles Gesetz in Florida namens „Stand your ground“ ins Zentrum: Der Staat hat es 2005 auf Betreiben der Waffenlobby verabschiedet. Es erlaubt jedem Bürger, nicht nur im Falle eines Einbruchs zuhause die Waffe gegen Eindringlinge zu benutzen – sondern auch auf offener Straße, sofern es der Selbstverteidigung dient. Die Polizei hat sich gegen das Gesetz ausgesprochen. „Das führt zu Selbstjustiz, ohne dass sich die Schützen verantworten müssen“, warnte der Ex-Polizeichef von Miami, John Timoney. Dennoch haben ein Dutzend Staaten ähnliche Gesetze eingeführt. Die Polizei von Sanford sagt, sie hatte nach den ersten Indizien keine Handhabe, Zimmerman festzunehmen.

Martialische Töne der Black Panther

Tagelang dominierte die Empörung, protestierten Schwarze und Weiße gemeinsam in vielen Städten gegen den Rassismus, der zu vorschnellen Verdächtigungen gegen Schwarze als mutmaßliche Verbrecher führe. Seit ein, zwei Tagen ändert sich die Tonlage – und ändern sich die Bilder in manchen Medien. Trayvon war nicht einfach nur zu Besuch bei der neuen Freundin seines Vaters, stellt sich heraus. Er war von seiner Schule in Miami suspendiert, weil in seiner Tasche ein leerer Beutel mit Marihuana-Spuren gefunden worden war. Es ist nicht das erste Mal, dass er in Verdacht geriet, Rauschmittel oder gestohlene Wertsachen bei sich zu haben. Die Bilder zeigen nun nicht mehr ein schwarzes Kind, sondern einen jungen Mann.

Das bringt nun rechte Medien dazu, Vorurteile anzuprangern, die angeblich typisch für linke Medien seien. Eine Woche lang hätten die versucht, den rechten Rassismus vorzuführen. Nun stelle sich heraus, dass es offenbar Gründe gab, Trayvon für verdächtig zu halten.

Für Dienstag hatte der Kongress Trayvons Eltern zu einer Anhörung über die Folgen von „Stand your ground“-Gesetzen eingeladen. Und es wurde bekannt, dass George Zimmerman nicht mehr zu Hause wohnen kann. Die schwarze Selbstverteidigungsgruppe „Black Panthers“ überzieht ihn mit Todesdrohungen. Die Polizei sieht ihn in Lebensgefahr.

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