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Mit geballter Faust. Tausende Menschen demonstrierten am Freitag in Madrid gegen die Sparpläne der konservativen Regierung.

© dapd

Arbeitslose Jugend: Spaniens Generation Null

In Spanien hat jeder zweite Jugendliche keinen Job - das ist mehr als doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. In dieser Woche gehen wieder viele auf die Straße.

„Es ist eine Schande“, sagt Pablo. „Die gut ausgebildete junge Generation hat in Spanien keine Zukunft.“ Wer von den jungen Leuten einen Job finde, müsse sich mit „kümmerlichen Löhnen“ von ein paar hundert Euro abfinden. Oder mit „Müllverträgen“, die nur für ein paar Monate gelten und nur mit Glück verlängert werden. „Viele haben keine andere Wahl, als ins Ausland zu gehen, um ihr Brot zu verdienen.“ Auch Pablo, ein 24-jähriger Tourismusfachmann aus der Hauptstadt Madrid, will sein Land verlassen.

Die einen schmieden Auswanderungspläne, andere gehen auf die Straße. Am Freitagabend demonstrierten erneut tausende Menschen gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung. Die spanischen Gewerkschaften haben zu weiteren Demonstrationen am 19. Juli aufgerufen und schließen einen zweiten Generalstreik nicht aus. Durch das gerade vorgestellte Reformpaket sollen in den kommenden zweieinhalb Jahren 56,4 Milliarden Euro eingespart werden, teilte das Wirtschaftsministerium am Samstag im Internet mit.

Bildergalerie: Spanier demonstrieren gegen die Sparpolitik

Das sind fast neun Milliarden Euro weniger als angekündigt. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte zuvor in Aussicht gestellt, dass Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen 65 Milliarden Euro in die leeren Kassen der Regierung spülen würden. Um die Lücke zu füllen, will die Regierung nun unter anderem neue Energie- und Umweltsteuern erheben.

Unter der Krise haben vor allem auch die jungen Leute zu leiden. Die Arbeitslosigkeit der bis zu 25-Jährigen liegt in Spanien bei 52 Prozent. Das ist mehr als doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt, der auch schon auf bedenkliche 23 Prozent kletterte. Nur im Pleitestaat Griechenland ist es ähnlich schlimm wie in Spanien, wo ein gewaltiger Immobiliencrash im Jahr 2007 die harte Finanz- und Wirtschaftskrise auslöste, deren Tiefpunkt noch immer nicht erreicht ist. Ein Absturz, der die allgemeine Arbeitslosenquote auf fast 25 Prozent hochtrieb, das Wirtschaftswachstum abwürgte und die Staatsschulden explodieren ließ.

"In Krisenzeiten werden zuerst Berufsanfänger auf die Straße gesetzt"

Warum es vor allem die Jugend trifft? „In Krisenzeiten werden zuerst Berufsanfänger auf die Straße gesetzt“, erläutert eine spanische Gewerkschaftssprecherin. Es sei für Unternehmen einfacher und billiger, jungen Mitarbeitern zu kündigen. Der größte Teil der Berufseinsteiger werde üblicherweise mit leicht auflösbaren Zeitverträgen oder als Praktikanten beschäftigt. „Die Jungen sind sehr verwundbar“, sie seien die Schwächsten. Bei älteren Arbeitnehmern mit Festverträgen werden hingegen bei Entlassung hohe Entschädigungen fällig.

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Vor allem diese „Müllverträge“ der jungen Spanier, die keinen nennenswerten Kündigungsschutz haben, sind in den letzten Jahren aufgelöst worden. Da zugleich jedes Jahr hunderttausende neue Uni- und Berufsschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt nachrücken, aber derzeit kaum jemand eingestellt wird, wächst die Zahl der jungen Arbeitslosen unaufhörlich. Inzwischen sind laut offizieller Statistik rund eine Million der unter 25-Jährigen ohne Job. Inoffiziell dürften es noch mehr sein, da viele Berufsanfänger sich beim Arbeitsamt nicht melden, da sie von dort weder Jobs noch Geld zu erwarten haben.

„Das ist frustrierend“, sagt die 23-jährige Marta, die eine Ausbildung als Werbeexpertin und Webdesignerin hinter sich hat. „Wofür studieren wir überhaupt?“ Auch sie denke ans Auswandern, vielleicht nach Deutschland oder Großbritannien. „Aber das ist nicht so einfach, wie es sich anhört.“ Dabei umwerben Deutschland und andere Länder, denen Fachkräfte fehlen, derzeit Spaniens Nachwuchs. Sogar Lehrstellen werden angeboten. Deutschland hat gerade mit Spanien eine Zusammenarbeit in Sachen Berufsausbildung vereinbart.

„Manchmal fühle ich mich verloren“, bekennt Marta, „die Zeit vergeht, ich werde älter und bekomme keine Chance zu zeigen, was ich kann“. Marta, die noch bei ihren Eltern wohnt, hält sich derzeit mit Hilfsjobs wie Babysitten und Kellnern einigermaßen über Wasser. „Generation Null“ wird die breite Schicht der perspektivlosen jungen Spanier im eigenen Land genannt, weil sie zu Hause „Null Arbeitschancen“ haben. Zehntausende von ihnen packen nun die Koffer.

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