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Nach Jahrhunderthochwasser: Erneute Flut in Pakistan

Ein Jahr nach der Jahrhundertflut wird Pakistan erneut von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Hunderte Menschen sind bereits ums Leben gekommen, viele Familien stehen wieder vor dem Nichts.

Mit jedem neuen Regenguss verliert Anwer Marani ein Stück Hoffnung. Überall sei Wasser, sagt der 38-Jährige aus der Provinz Sindh. Gerade erst hatte er sein Haus wiederaufgebaut, nun hat es der Monsun erneut verschlungen. Mit seiner Frau und den drei Kindern harrt er auf einem Hügel aus und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis die Fluten zurückgehen. „Was sollen wir tun außer zu gehen? Man kann nicht gegen die Natur kämpfen.“

Nur ein Jahr nach der Jahrhundertflut wird Pakistan erneut von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Die Zahl der Toten sei auf mindestens 347 gestiegen, teilte die Katastrophenschutzbehörde NDMA am Wochenende mit. Inzwischen seien mehr als sieben Millionen Menschen von den Fluten betroffen. Die Vereinten Nationen sprechen von von 5,4 Millionen Betroffenen. Fast eine Million Häuser seien zerstört worden.

In den am schwersten betroffenen Gegenden hätten die Fluten 72 Prozent der Ernte vernichtet. In von der Flut besonders betroffenen Provinz Sindh stünden 22 von 23 Distrikten unter Wasser, 16 davon bräuchten besonders dringend Hilfe. Die Katastrophenschutzbehörde NDMA spricht von 24 000 Quadratkilometer Land – das entspricht in etwa der Fläche des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Viele Menschen sind in Schulen und Auffanglager geflüchtet, andere campieren im Freien. Dabei hatte das bitterarme Land noch nicht mal die Folgen der Vorjahresflut verdaut. Nun stehen viele Familien erneut vor dem Nichts – ohne Obdach, ohne Ernte, ohne Vieh.

„Was sollen wir essen? Unsere Felder sind überschwemmt. Wir werden verhungern“, meinen verzweifelte Dorfbewohner. In der Provinz Sindh, der Kornkammer des Landes, regnet es seit Mitte August beinahe ohne Unterlass. Weil Flüsse und Kanäle über die Ufer getreten sind, haben die Fluten hunderte Dörfer verschlungen. In der Brühe schwimmen die Kadaver von Tieren, die in den Wassermassen ertrunken sind.

Die Menschen fühlen sich von ihren Regierenden im Stich gelassen. „Niemand kommt, um uns zu helfen“, heißt es. Dabei war es eine absehbare Tragödie. Doch obwohl Hilfsorganisationen schon vor Wochen vor einer neuen Flut gewarnt hatten, reagierten Pakistans Behörden spät. In ersten Provinzen kam es bereits zu wütenden Protesten gegen die Regierenden. Nun versucht das Militär, die Gestrandeten zu evakuieren. Und neue Gefahren drohen. Das stehende Wasser stellt eine ideale Brutstätte für Krankheiten dar. Malaria, Durchfall oder Cholera breiten sich aus. Und obendrein wütet in diesem Jahr auch noch eine gefährliche Dengue-Epidemie. Tausende sollen erkrankt sein. „Die Menschen warten verzweifelt auf Hilfe“, sagt Neva Khan von der Hilfsorganisation Oxfam.

Pakistans Regierung laviert unterdessen angesichts der schweren Überschwemmungen. Präsident Asif Ali Zardari rief das Volk auf, für ein Ende der Fluten zu beten. Regierungschef Yousuf Gilani appellierte an die Vereinten Nationen (UN), zu helfen. Doch bereits im letzten Jahr waren die Spenden nur langsam geflossen. Die Vereinten Nationen hatten zwar Hilfen mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro angefordert, aber 30 Prozent der Summe sind bis heute nicht überwiesen. Pakistans Sympathiewerte sind auf internationaler Ebene ohnehin im Keller. Es scheint, als sei der Westen dieses Katastrophenstaates müde, der von einer Krise zur nächsten taumelt, als korrupt und obendrein als Wiege des Terrorismus gilt.

Einige Experten meinen, dass die Pakistaner und ganz Südasien bereits Opfer des Klimawandels sind. Der Monsun werde immer unberechenbarer, sagt der indische Wissenschaftler Rajiv Sinha. Im August 2010 seien die Wassermassen, die normalerweise in drei Monaten herunterkommen, in einer Woche niedergeprasselt. „Die Flüsse konnten das nicht bewältigen.“ Der Monsun beginnt in Südasien in der Regel Anfang Juni und dauert bis Ende September. Jedes Jahr sterben hunderte Menschen bei Unwettern, doch selten gab es solch riesige Überschwemmungen. mit dpa

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