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Klartext will Prinz Charles auch bei seinem Besuch in Saudi-Arabien reden und sich bei König Salman für den zu 1000 Stockhieben und zehn Jahren Haft verurteilten Blogger Raif Badawi einsetzen

© dpa/Saudi Press Agency

Großbritannien sucht den Thronfolger: Der streitbare Prinz Charles

Ist Prinz Charles fit, König zu werden? Will er es überhaupt? Würde er die Monarchie tollkühn in neue Bahnen lenken oder mit seinem für eine konstitutionelle Monarchie unschicklichen Meinungsaktivismus eine Verfassungskrise auslösen?

Königin Elizabeth macht im 63. Jahr ihrer Regentschaft keine Anstalten, die Krone abzulegen, doch eine neue Charles-Biografie hat die Debatte darüber neu befeuert. Charles selbst machte sich diese Woche auf in den Nahen Osten – aber nicht ohne zuvor Muslimen zu Hause und in der Region seine Meinung zu sagen.

In einer BBC-Sendung forderte er britische Muslime auf, mehr gegen die „beängstigende“ Radikalisierung in ihrer Mitte zu tun. „Man würde denken, dass die Menschen, die hierherkommen, die hier geboren sind und zur Schule gehen, sich an unsere Werte und unsere Weltanschauung halten“, klagte er und riskierte, wie die „Daily Mail“ schrieb, „einen neuen politischen und religiösen Sturm“.

Die zweite Warnung ging nach Osten. Die Verfolgung der Christen in der Region müsse aufhören, bald werde es dort „nur sehr, sehr wenige Christen“ geben, sagte der Thronfolger, bevor er in Jordanien mit von islamischen Extremisten verfolgten Christen zusammentraf. Forsch wandte der 66-Jährige sich an den „Islamischen Staat“ und alle Muslime: „Wir waren vor euch im Nahen Osten.“

In Saudi-Arabien werde er sich beim König persönlich für den zu 1000 Stockhieben verurteilten Blogger Raif Badawi einsetzen, wurde unter Berufung auf „diplomatische Kreise“ berichtet. Amnesty International hofft, die Intervention könne Badawi die Freiheit bringen.

Architektur, Umweltschutz und Ackerbau

Während die schweigsame Queen durch nichtssagende Neutralität die Folie wurde, auf die alle, ohne Rücksicht auf Gesinnung, Ideologie, Klasse oder Herkunft ihre nationalen Identitätsgefühle projizieren können, hat Charles stets Partei ergriffen und sich Feinde gemacht. Immer wieder erregte er mit Äußerungen und Initiativen zu Architektur, Umweltschutz, Ackerbau, Homöopathie und Künstlerausbildung, Erziehung junger Menschen oder Rehabilitation von Straffälligen – oder wurde dafür bewundert.

Kritiker werfen ihm vor, seine privilegierte Position zu missbrauchen. In wenigen Wochen wird Großbritanniens höchstes Gericht im Streit über Charles’ „spider letters“ entscheiden – mit krakliger „Spinnenschrift“ geschriebene Episteln an Regierungsmitglieder, mit denen er angeblich in demokratische Entscheidungsprozesse eingegriffen habe. Der republikanische „Guardian“ fordert ihre Veröffentlichung. Als der Justizminister ablehnte, weil Charles’ zukünftige Rolle als König „ernsthaft beschädigt“ würde, sollte die Nation den Inhalt zu sehen bekommen, ging die Zeitung vor Gericht.

Charles wehrt sich gegen Maulkörbe

Charles wolle ein anderer Monarch werden als die Queen, schreibt die US-Journalistin Catherine Mayer in ihrem Buch „Charles. Das Herz eines Königs“. „Da die Queen schon so lange regiert, glauben die Menschen, sie sei die einzige Möglichkeit, Monarch zu sein.“ Mit Sympathie für Charles erinnert sie daran, dass die britische Monarchie mit Veränderungen immer gut fertig wurde. Im vergangenen Jahr erregte Mayer mit einem Bericht im „Time Magazine“ Aufsehen, demzufolge Charles nichts mehr fürchte, als den Moment seiner Thronbesteigung, wenn „die Gefängnistür krachend hinter ihm zuschlägt“.

Nun setzt sie einen anderen Akzent: Charles denke nicht daran, sich als König den Maulkorb der Neutralität umhängen zu lassen. „König sein reicht ihm nicht. Charles will eine ramponierte Welt reparieren“, überschrieb die „Times“ einen Vorabdruck.

Die Monarchie neu definieren

Mayer glaubt, dass Charles die Monarchie neu definieren und eine Brücke zwischen seiner alten Vergangenheit als kritischer Weltverbesserer und seiner zukünftigen Rolle als König schlagen will. Und darüber „herrscht in den Korridoren und Privatgemächern von Buckingham Palace wachsende Sorge“. Aber Mayer hat zu diesen Hinterzimmern keinen Zugang. Mit Charles selbst hat sie offenbar nur einmal 15 Minuten gesprochen. Viel mehr als ihren gesunden Menschenverstand scheint sie für ihre Theorien nicht an Beweisen zu haben

Was die Presse nicht hinderte, das Buch als Sensation zu vermarkten. Die „Times“ warnte: „Der Prinz von Wales kann ein Monarch oder ein Aktivist sein, nicht beides.“ Daraufhin meldete sich auf der Leserbriefseite, etwas besorgt, Charles’ Privatsekretär William Nye, um Schluss mit „unzutreffenden Spekulationen“ zu machen. Wenige verstünden „die notwendigen und angemessenen Grenzen der Rolle eines konstitutionellen Monarchen“ besser als Seine Königliche Hoheit. Sollte er auf den Thron gerufen werden, werde seine Inspiration für das Amt vom Vorbild seiner Mutter, seines Großvaters und von seinen eigenen Erfahrungen eines „Lebens im Dienst“ kommen.

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