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Autorennen in Rocky Mountains: Wilder Gipfelsturm am Pikes Peak

Am Pikes Peak findet eines der härtesten Autorennen der Welt statt – das Ziel liegt in 4300 Metern Höhe in den Rocky Mountains.

Von Sabine Beikler

Feuerwehrmann Steven Larson erinnert sich, wie Ende Juni die bis zu 40 Meter hohen Flammen über die Bergkämme der Rocky Mountains schlugen. „Wir haben bis zur Erschöpfung gegen das Superfeuer gekämpft“, erzählt er. Die Feuerwand aus der Front Range der Rocky Mountains raste auf Colorado Springs zu. Vororte wurden evakuiert, 35 000 Menschen in Notunterkünften untergebracht, 350 Häuser brannten nieder, zwei ältere Menschen kamen in den Flammen um. US-Präsident Barack Obama erklärte die Region zum Katastrophengebiet. „Es war die Hölle“, sagt Larson. Aus Sicherheitsgründen musste Anfang Juli das legendäre Bergrennen Pikes Peak abgesagt werden. Bis Mitte Juli entspannte sich die Situation, die Brände waren unter Kontrolle, und die Rennveranstalter verschoben das „Race to the Clouds“ auf August. Steven Larson ist am vergangenen Rennwochenende wieder im Einsatz. Er steht neben seinem Feuerwehrauto und freut sich auf die „irren Fahrzeuge“ und auf den „Porsche des Franzosen“.

Der „Franzose“, von dem Larson spricht, heißt Romain Dumas. Der 34-Jährige ist einer von neun Porsche-Werksfahrern. Er tritt in Colorado aber mit einem privaten Team und einem verunglückten und wieder zusammengebauten Porsche 911 GT3 R an. Dumas ist ein „Rookie“, ein Neuling auf der Strecke. Es ist sein Kindheitstraum, einmal das legendäre Bergrennen Pikes Peak in Colorado mitzufahren. Sein Vater fuhr Rallyes, er kennt die Rallye-Fahrer-Legenden Michèle Mouton und Walter Röhrl persönlich, die beide Pikes Peak schon einmal gewonnen haben. Romain Dumas hat nur drei Tage Zeit, sich den 20 Kilometer langen Kurs mit seinen 156 Kurven einzuprägen. „Es ist nicht einfach, da wir hier in drei Sektoren trainieren, aber nicht die Gesamtstrecke fahren“, sagt der drahtige Rennfahrer, „it’s a challenge“.

Porsche-Video exklusiv für den Tagesspiegel: Im Porsche auf den Gipfel

Das Bergrennen Pikes Peak International Hill Climb ist in vielfacher Weise eine Herausforderung. Der Startpunkt des zweitältesten amerikanischen Rennens für die 170 Motorrad- und Autorennfahrer, die in einem Dutzend Klassen antreten, liegt auf 2862 Metern Höhe. Bis zum Ziel auf 4300 Metern müssen die Fahrer knapp 1500 Meter Höhenunterschied bewältigen. Der „Race to the Clouds“ gilt als höchstgelegenes Autorennen der Welt. Durch die sauerstoffarme Höhenluft verlieren herkömmliche Verbrennungsmotoren rund ein Drittel ihrer Leistung auf dem Weg nach oben. Bei dem 530 PS starken Porsche mit einem 4-Liter-Sechszylinder-Boxermotor von Romain Dumas sind es im Ziel rund 140 PS weniger.

Die dünne Höhenluft macht auch den Fahrern und den Zuschauern zu schaffen. Oben auf dem Gipfel wird jeder Schritt von Kurzatmigkeit begleitet, es ist ein Gefühl, „neben der Spur“ zu laufen. Manche bekommen in dieser Höhe Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel als erste Anzeichen der Höhenkrankheit. Dann gibt es nur eines: schnell runter in flachere Gefilde. Die meisten Rennfahrer haben Sauerstoff an Bord und atmen ihn über Schläuche ein. Denn Unkonzentriertheit oder Unachtsamkeit können sich die Pikes- Peak-Fahrer nicht leisten: Obwohl die Strecke seit diesem Jahr vollständig asphaltiert ist, sind einige Abschnitte „very bumpy“, sagt Dumas. Unebene Fahrbahn, gepaart mit nicht einsehbaren Kurven, hohen Geschwindigkeiten und fehlenden Leitplanken können lebensgefährlich sein. „Wenn Du da einen Fahrfehler machst, geht es ab nach unten“, sagt Dumas. Einen Tag vor dem Rennen fährt er mit einem Porsche Panamera die Strecke ab, erklärt knifflige Stellen und zeigt mit seinem Finger auf den Abgrund jenseits der Straße.

Video: Die Unfall-Kurve

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Allmählich füllen sich die wilden Campingplätze entlang der Strecke. Die amerikanischen Renn-Fans sind perfekt für das Event ausgerüstet: Entlang der Strecke sieht man Campingkocher, auf ihnen brutzelnde Bratwürste für Hot Dogs und monströse Kühlbehälter auf Rollen, die auch als Sitzgelegenheit dienen. Eine Gruppe von mehreren Personen sitzt um einen Campingtisch in einem Waldstück an der Straße. John Heavey ist 72, Porsche-Fan, früher auch beruflich mit Porsche verbandelt. Er kommt schon seit Jahren zum Pikes- Peak-Rennen. „Das ist einzigartig. Die Mischung macht es, aus verrückten Rennfahrern, netten Zuschauern und dem Wetter am Pikes Peak. Du weißt nie, ob es oben schneit, wenn unten noch die Sonne scheint“, sagt John, der mit einem Porsche 911 Targa, Baujahr 1967, starten will. Die Höhe dagegen mache ihm und seinen Bekannten wenig aus. „We have very large lungs“, sagt einer lachend, „we are natives from Colorado.“ Sie gehören alle zum Rocky Mountains Vintage Club, in dem sich „verrückte Sportautofans“, wie sie sagen, zusammengeschlossen haben, an ihren Oldtimern basteln und die Fahrzeuge für das Rennen fit machen.

Am Tag des Hill Climb muss früh aufgestanden werden. Fahrer wie Romain Dumas sind schon um drei Uhr am Start. Das Tor für die Zuschauer öffnet um vier Uhr und nach acht Uhr wird niemand mehr nach oben gelassen, damit das Rennen pünktlich um neun Uhr starten kann. Wer einmal mit seinem Fahrzeug auf dem Berg ist, steckt so lange fest, bis das Rennen beendet ist. Und das kann sehr lange dauern, wie der vergangene Sonntag gezeigt hat.

Aussichtspunkte wie „Devil’s Playground“ liegen in einer Höhe von rund 3900 Metern, über der Baumgrenze. Solche Stellen bieten zwar eine gute Sicht auf die Strecke, doch sie sind windig und nur etwas für hartgesottene und kälteunempfindliche Zuschauer. Etwas unterhalb auf knapp 3500 Metern, hat man beim „Glen Cove“ einen wärmeren Stützpunkt. Ausgerüstet mit Regencapes, Snacks, Getränken und zusammenklappbaren Stühlen ergattern sich die Zuschauer an den Hängen ihre Plätze. Es ist kalt am Morgen, viele Fans sitzen eingemummelt in dicken Decken und grüßen winkend die aufsteigenden Gruppen.

Bildergalerie: Pikes Peak

Die Motorräder starten als Erste in den unterschiedlichen Kategorien. Gefahren wird in Pikes Peak hintereinander im Minutentakt. Beim „Race to the Clouds“ wird die Zeit gewertet. Doch schon nach 25 Minuten gibt es eine längere Unterbrechung. Ein Fahrer ist gestürzt, Knöchelbruch, wie es heißt. Lange dauert auch die Fortsetzung des Rennens nach einer halben Stunde nicht. Wieder eine Pause, ein Unfall kurz hinter dem Start. Und so geht es weiter bis kurz nach 15 Uhr. Dumas, mit Abstand Trainingsschnellster in seiner Klasse „Pikes Peak Open“, fährt als Erster. Sein Wagen ist von weitem zu hören. Ein Zuschauer ruft: „Yeah, the Porsche“, Dumas Rennauto schießt um die Kurve und jagt den Berg hinauf. Aus dem Radio hörte man die Zeit von 9:46 Minuten. Neuer Streckenrekord – bis dahin.

Gegen 15.45 Uhr ist ein Grollen zu hören, dann dumpfe Schläge. Alle Köpfe drehen sich nach oben. Ein Rennauto stürzt den Hang hinab, überschlägt sich mehrfach und kommt zwischen Felsbrocken zum Liegen. Helfer steigen bergab zum Unfallauto. Es sieht schlimmer aus, als es ist: Fahrer und Copilot kommen ins Krankenhaus, beide haben keine lebensgefährlichen Verletzungen erlitten.

Das Rennen ist um 19 Uhr zu Ende. Erst dürfen die Rennpiloten, die auf dem Gipfel warten mussten, nach unten fahren. Romain Dumas wartet um 20.30 Uhr auf die Siegerehrung. „Es war sehr schwer zu fahren“, sagt er. Die letzten Kilometer vor dem Ziel habe es gehagelt. „Dann ist Nebel aufgezogen. Ich konnte nicht viel sehen.“ Trotzdem gewinnt der Franzose auf Anhieb in seiner Klasse und wird sogar zum „Rookie of the year“ gekürt. Den Gesamtsieg holt sich Rhys Millen mit einem winzigen Vorsprung von 0,017 Sekunden. Das lässt Romain Dumas nicht auf sich sitzen und sagt: „See you next year in Pikes Peak.“

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