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Auf Posten. Die Wahllokale in den irakischen Provinzen werden von Soldaten geschützt. Sie sollen die Sicherheit der Menschen garantieren, die am Samstag in zwölf Provinzen ihre Stimme abgeben wollen.

© AFP

Wahlen im Irak: Anschlag auf die Freiheit

Zum ersten Mal seit Abzug der US-Armee gibt es im Irak wieder eine Wahl. Statt Wahlkampf war die Woche davor von Bombenanschlägen gezeichnet, dennoch öffnen die Wahllokale.

Sie sollte ihn töten. Doch Eithel Nujaifi, Gouverneur der Provinz Niniveh, hat am Dienstag die Sprengfalle am Straßenrand südlich von Mosul überlebt. Mindestens 15 Kandidaten für die Provinzwahlen am 20. April hatten kein Glück. Sie kamen bei Anschlägen ums Leben. Zumeist waren die Opfer Sunniten, die auf der Liste der "Irakischen Nationalbewegung" unter Führung von Iyad Allawi standen. Zugenommen hat in den vergangenen Tagen auch die Zahl der Bombenangriffe. Allein am Freitag starben acht Menschen, als Moscheen attackiert wurden, 32 Menschen wurden verletzt. Seit Montag gab es damit insgesamt 58 Tote und mehr als 200 Verletzte. Al Qaida und deren politische Rivalen gelten als Urheber der Gewalt. Auch das Ziel scheint klar: Iraks Wähler sollen eingeschüchtert und vom Urnengang abgehalten werden.

Es ist das erste Mal seit dem Abzug der US-Armee im Dezember 2011, dass die Iraker zur Wahl gerufen werden. Die Gewalt im Vorfeld ist diesmal schlimmer als bei den nationalen Wahlen 2010, als die schiitische Rechtsstaatkoalition von Premier Nouri al Maliki vom Iraqiyya-Block hart bedrängt wurde. Dieser wurde von Sunniten ebenso unterstützt wie von säkularen Schiiten. Diese Rivalität bestimmt Iraks Politik bis heute. Viele Sunniten fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung nach wie vor marginalisiert. Sie werfen Maliki vor, wie ein Diktator zu agieren. Die Lokalwahlen gelten als Test für seine Popularität – und die Stabilität des Landes.

Die Iraker sind frustriert, dass auch zehn Jahre nach dem Sturz der Diktatur von Saddam Hussein und milliardenschwerer Aufbauprogramme die öffentlichen Dienstleistungen immer noch bescheiden sind, die Korruption um sich greift und die Arbeitslosigkeit hoch ist. In vielen Städten, Bagdad eingeschlossen, ist die Stromversorgung oft unterbrochen, die Straßen sind löchrig und das Abwassersystem baufällig. Dennoch streiten Zentralregierung und Lokalverwaltungen regelmäßig heftig darüber, welche Infrastrukturprojekte Priorität haben sollten.

Um die Stimmung zu verbessern und die 14 Millionen Wahlberechtigten zur Stimmabgabe zu motivieren, haben Regierung und Parlament vor Kurzem einige Zusagen gemacht. Zum Beispiel versprach der Energieminister, dass im Oktober die Zeit der Stromausfälle endgültig vorbei sein werde. Zudem sollen Berufsverbote gegen ehemalige Mitglieder der einstigen Staatspartei Ba'th für Jobs in der Verwaltung gelockert und damit eine wichtige Forderung der Sunniten zumindest teilweise erfüllt werden.

Mehr als 8000 Kandidaten und Kandidatinnen – für Frauen ist ein Viertel der Sitze reserviert – treten an. Ihre politische Ausrichtung ist unübersichtlich. 265 Gruppen und 50 Koalitionen sind auf den Listen zu finden. Die Abstimmung gilt vor allem als Personenwahl. Programme? Oft Fehlanzeige. Es gehen ohnehin nur die Einwohner von zwölf der 18 Provinzen an die Urne. Die drei kurdischen Provinzen as-Sulaimaniyya, Arbil und Dohuk wählen erst im September. Für die multiethnische Provinz Kirkuk gibt es überhaupt noch keinen Termin, weil die Zukunft der Region, die die Kurden gerne in ein mögliches Kurdistan aufnehmen möchten, noch völlig ungeklärt ist. Und für die mehrheitlich sunnitischen Provinzen Anbar und Niniveh hat Ministerpräsident Maliki angeordnet, dass die dortigen Wahlen um einen Monat verschoben werden – aus Sicherheitsgründen.

Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng - Abtasten und Taschenkontrolle durch Sicherheitskräfte. Sie sollen es jedem Wahlberechtigten ermöglichen seine Stimme abzugeben. Bis 16 Uhr sind die Wahllokale geöffnet, auch wenn es bereits zu Zwischenfällen kam. In der Ortschaft Al-Haswa, welche südlich von Bagdad liegt, sei ein Mensch durch einen Sprengsatz vor einem Wahllokal verletzt worden, wie der Sender Sumeira TV berichtet. In der Stadt Al-Musajib feuerten Unbekannte eine Granate auf ein Wahllokal, wobei ebenfalls ein Mensch verletzt wurde. Ein Angriff auf ein Wahllokal in Baidschi blieb ohne Folgen. Für Angehörige der Regierung wurde in der "Grünen Zone" mitten in Bagdad ein eigenes Wahllokal eingerichtet. Die Auszählung der Stimmen mit einem endgültigem Ergebnis wird bis 25. April erwartet.

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