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Spanien: Neue Streiks für Weihnachten angekündigt

Der Luftverkehr über Spanien normalisiert sich langsam – die Fluggesellschaften setzen Sondermaschinen ein, um Reisende zu holen. Doch neue Streiks sind schon in Sicht.

Große Verspätungen, übermüdete Passagiere, Frustration und Wut. Auch am Sonntag waren die Auswirkungen des wilden Streiks der spanischen Fluglotsen noch auf vielen Airports zu spüren. Zwar waren die Kontrolltürme am Samstagnachmittag dem spanischen Militär unterstellt und die zivilen Fluglotsen mit Haftandrohung wieder zur Arbeit gezwungen worden. Doch bis zur völligen Normalisierung der chaotischen Lage dürften noch ein bis zwei Tage vergehen.

Gegen die staatlichen Fluglotsen wurden derweil arbeits- und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Mehr als 700 000 Reisende waren durch die plötzliche Arbeitsverweigerung der Lotsen seit Freitagnachmittag auf spanischen und europäischen Flughäfen hängengeblieben. Allein auf Mallorca und den Kanarischen Inseln strandeten jeweils mehr als 50 000 Urlauber. Nicht alle Reisenden, die sich in den großen Airports drängelten, konnten provisorisch in Hotels untergebracht werden. Tausende mussten zwei Nächte in den Terminals schlafen. Die großen Flughäfen auf Mallorca, Gran Canaria, Teneriffa, Lanzarote, Fuerteventura, Madrid, Barcelona, Malaga und Alicante glichen vorübergehend einem Feldlager.

Die gestrandeten deutschen Urlauber machten sich zu einem großen Teil im Laufe des Sonntags auf den Weg nach Hause. Die Reiseveranstalter setzten zum Teil zusätzliche Maschinen ein, um die Reisenden zurückzubringen. Auf den großen Flughäfen wie Frankfurt oder München normalisierte sich die Situation. Der Reisekonzern TUI flog bereits in der Nacht zum Sonntag einen Großteil der rund 8000 Gäste zurück nach Deutschland, die seit Freitag in Spanien auf ihren Rückflug gewartet hatten. Viele Reisende, die am Wochenende ihren Urlaub auf der iberischen Halbinsel antreten wollten, konnten am Samstagabend abfliegen.

Gästen, die ihre Reise wegen des Streiks storniert hatten, wurde eine kostenlose Umbuchung auf einen beliebigen Termin in der Wintersaison angeboten. Auch Thomas Cook hatte Urlaubern, die ihre Reise nicht rechtzeitig hatten antreten können, die kostenlose Umbuchung oder Stornierung ihrer Reise angeboten.

Am Frankfurter Flughafen wollte die Lufthansa im Laufe des Sonntags größere Flugzeuge einsetzen, um wartende Fluggäste auf andere Maschinen umbuchen zu können. Am Sonntag normalisierte sich der Flugverkehr wieder, auch in Berlin, wo am Samstag etwa 30 Flüge von und nach Spanien hatten abgesagt werden müssen. In München wurden rund 45 Flüge gestrichen.

Nach 24 Stunden des totalen Stillstandes mit gut 4500 abgesagten Flügen und dramatischen Szenen auf den Airports hatte Spaniens Regierung am Samstagnachmittag den „Alarmzustand“ ausgerufen, womit die Fluglotsen der Armee unterstellt wurden. Polizisten und Soldaten der Luftwaffe drangen in die Kontrolltürme im ganzen Land ein. „Sie hatten die Pistolen in der Hand“, berichtete ein Gewerkschaftssprecher, „und zwangen die Lotsen, sich wieder vor die Bildschirme zu setzen.“

Um ein neues Aufflackern des Streiks zu verhindern, soll nun mindestens für zwei Wochen die Luftwaffe im Tower die Befehle geben. „So einen Streik wird es nicht noch einmal in Spanien geben“, versprach Spaniens Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba. Zuvor hatte die Regierung diese Protestaktion als „Erpressung“ und „Geiselnahme“ verurteilt. Rubalcaba kündigte eine Welle von Klagen und Sanktionen gegen die etwa 450 am Streik beteiligten Lotsen an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die staatliche Flughafengesellschaft Aena kündigte „harte Sanktionen“ an. Tausende Reisende reichten eine Sammelklage auf Schadenersatz gegen die Fluglotsen ein.

Trotzdem kommt neues Ungemach auf Spanienreisende zu: Jetzt drohen Bodenpersonal und spanische Piloten mit einem Ausstand in der Weihnachtszeit. Auslöser dieser bisher schlimmsten Luftfahrtkrise Spaniens war eine massive Kürzung der astronomischen Gehälter der spanischen Lotsen. Die verdienten bisher etwa 300 000 Euro im Jahr. Per Gesetz, das auch die Anrechnung von Überstunden, Ruhezeiten und Krankheitstagen änderte, drückte die Regierung dies auf immer noch etwa 200 000 Euro jährlich. Spanien durchlebt derzeit eine tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise und muss wegen seiner horrenden Haushaltsschulden einen harten Sparkurs fahren.

Spaniens Reisebranche warnte derweil vor den schweren Verlusten, die dieser unangekündigte Ausstand haben werde. Der Luftfahrt- und Hotelsektor sprach von Einnahmeausfällen in Höhe von annähernd 300 Millionen Euro. Tourismusstaatssekretär Joan Mesquida warnte vor den „brutalen Folgen“ des Streiks für das Urlaubsland. Der Regierungschef der Kanarischen Inseln, Paulino Rivero, beklagte „nicht wieder gutzumachende“ Schäden – und schlug vor, die am Streik beteiligten Lotsen am besten „auf die Straße zu setzen“.

Noch gravierender als die unmittelbaren Einbußen sind aber die langfristigen Folgen. „Die Urlauber wollen sichere Ferienziele haben“, sagte ein Hotelier auf Mallorca. „Die Ereignisse an diesem Wochenende werden viele Touristen dazu bewegen, für den nächsten Sommer lieber eine Reise in die Türkei oder ein anderes Land zu buchen.“ mit dpa/dapd

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