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Gefährliche Verbindung. Edward VIII. und Wallis Simpson in den 60er Jahren, als sie Teil des Jetsets waren.

© imago/ZUMA Press

Royale Hochzeit: Die Frau, die den Briten ihren König stahl

Ihre Beziehung kostete ihn den Thron: 1936 musste König Edward VIII. wegen seiner Wallis abdanken. Oder ging es in Wahrheit um seine Nähe zu Hitler?

Sex oder kein Sex, gleichgeschlechtlicher Sex oder sadomasochistischer Sex – das ist hier die Frage. Dem Herzog und der Herzogin von Windsor traute man offenbar alles zu. Oder nichts: Einer ihrer zahlreichen Biografen schreibt, die Duchess sei – mit immerhin 89 Jahren – als Jungfrau gestorben. Mal soll sie ein Mann gewesen sein, dann wieder im Bordell in Hongkong Tricks gelernt haben, mit denen sie die schlaffe Libido des britischen Thronfolgers erweckt habe. Betrogen haben soll sie ihn auch, mit einem englischen Autohändler ebenso wie mit Joachim von Ribbentrop, dem deutschen Botschafter in London und späteren Außenminister Hitlers, ihm zudem noch Geheimnisse zugespielt haben.

Eine Hexe ist nichts dagegen.

Wallis, geborene Warfield, geschiedene Spencer, verheiratete Simpson oder einfach: „That woman“, wie die Königin sie verächtlich nannte, ging ein in die Geschichte als die Frau, die den Briten ihren König stahl. In den unpassendsten Momenten tauchte die elegant gekleidete Amerikanerin in den 30er Jahren an Edwards Seite auf, im schottischen Schloss, auf königlichen Yachten, und selbst als er im Januar 1936 zum König erklärt wurde, sah man sie neben ihm am Fenster. Ein Skandal. Wobei er in der britischen Presse, anders als in der amerikanischen, lange verheimlicht wurde: um der britischen Monarchie nicht zu schaden.

Er wollte sie zur Königin machen

Doch der Gegner waren zu viele. Eine geschiedene Amerikanerin aus Baltimore kam den Royals nicht ins Haus, auch die britische Regierung und das Oberhaupt der anglikanischen Kirche waren aufs Heftigste dagegen. Staatskrise! Nach nur elf Monaten im Amt trat King Edward VIII. schon wieder zurück. Weil er sich die Ausübung seiner Pflichten ohne die geliebte Frau neben sich nicht vorstellen konnte, wie er der britischen Nation am 11. Dezember 1936 in einer legendären Radioansprache mitteilte.

Es reichte ihm nicht, Wallis als Geliebte zu halten – dagegen hätte das Establishment vermutlich gar nichts gehabt, Edwards Großvater hatte Affären im Dutzend. Nein, der King wollte sie heiraten und zur Königin machen. Während er sich in den Augen seiner Familie wie ein trotziges Kind verhielt, bewunderten andere ihn als Helden einer der großen – manche behaupten: der größten – Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts. Futter für jede Menge Bücher und Filme, darunter einer von Madonna: „W. E.“. So hat es Edward selber gern gemacht, die Initialen der beiden zum unzertrennlichen „WE“, WIR, vereint.

Die Monarchie hat überlebt, es geht ihr sogar besser denn je. Ausgerechnet eine geschiedene Amerikanerin verleiht dem britischen Königshaus nun neuen Glanz und Glamour. Ganz Großbritannien ist verrückt nach Meghan Markle, die am Samstag Prinz Harry heiraten wird, Millionen von britischen Meghan-Fans sind hysterisch vor Bewunderung für die Schauspielerin mit dem ironischen Lächeln. Während Wallis Simpson bis heute mit Wonne gehasst wird.

Nur dass deren Geschichte komplizierter ist. Auch schwer zu durchschauen.

Seinem Vater war Edward viel zu locker

Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Paar zum Objekt wüstester Spekulationen und Gerüchte, zur Projektionsfläche. Quellen sind oft verschlossen, wie das königliche Archiv, oder zweifelhaft, von eigenen Interessen, und sei es der Wichtigtuerei, geleitet. Wenn neue Dokumente auftauchen, ist Skepsis geboten. Als vor fünf Jahren der 227-seitige FBI-Bericht über den Herzog und die Herzogin zugänglich wurde, stürzten sich Boulevardjournalisten darauf. Schließlich konnte man da die Affäre mit Ribbentrop nachlesen, der ihr 17 Nelken geschickt haben soll, eine für jedes Mal, das sie miteinander geschlafen hätten. Doch die Geschichte beruhte nicht auf Observationen des Geheimdienstes, sondern auf der Aussage eines einzelnen Mannes.

Also noch mal von vorn.

Am 10. Januar 1931 begegneten sich Edward und Wallis das erste Mal, in einem englischen Country House.

Edward Albert Christian George Andrew Patrick David – oder einfach David, wie ihn Freunde, Familie und Wallis nannten – war damals der äußerst populäre Prince of Wales, der durch Charme und gutes Aussehen bestach, der Anteil an den Problemen des Volkes, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot nahm. Ein Medienstar. Viel zu populär für den Geschmack seines Vaters, des militärisch strengen, konservativen George V. Vater und Sohn verband eine ausgeprägte Antipathie. Dem König war sein Thronfolger entschieden zu locker, dieser wiederum lehnte Konventionen, Rituale, Traditionen ab. So war er auch noch immer nicht seiner Pflicht nachgekommen, Nachkommen zu zeugen. Lieber vergnügte er sich mit verheirateten Geliebten. Die 1931 amtierende war ebenfalls Amerikanerin, durch sie war Wallis Simpson erst zur Einladung ins Country House gekommen.

Liebe auf den ersten Blick war es nicht

Edward und Wallis Simpson machten 1936 Urlaub in Kroatien.
Edward und Wallis Simpson machten 1936 Urlaub in Kroatien.

© picture alliance / dpa

Wallis, die in London lebte, war mit ihrem Ehemann angereist. Es war schon der zweite. Die 34-Jährige stammte aus Baltimore, aus einer durchaus angesehenen Familie. Nur war der Vater ein paar Monate nach ihrer Geburt an Tuberkulose gestorben und sie fortan auf die Gunst eines reichen Onkels und ihrer neuen Stiefväter angewiesen. Die finanzielle Schmach, ja, Not saß tief. Gearbeitet hat sie allerdings nie. Um unabhängig zu werden, heiratete sie früh, einen Alkoholiker, wie sich bald herausstellte, der zu gewalttätigen Ausbrüchen neigte. Er soll Wallis auch in Hongkong ins Bordell geschleppt haben, wo sie besagte Sexzaubertricks gelernt haben soll. Ehemann Nummer 2, der Geschäftsmann Mr. Simpson, war erheblich netter. Zwischen 1 und 2 ging sie mit Freunden auf Reisen.

Den ganzen Tag vor dem Country-House-Wochenende hatte Wallis „mit Haaren und Nägeln etc.“ verbracht, wie sie ihrer Tante schrieb. Liebe auf den ersten Blick war es nicht, man flirtete, kam sich bald näher, sah sich immer häufiger, Mr. Simpson war oft dabei.

Die Hochzeit war eine traurige Angelegenheit

Für Edward war es mehr als Liebe, er vergötterte die schlagfertige, dominante Amerikanerin, klammerte sich regelrecht an sie. Wallis dagegen genoss das High-Society-Leben mit dem Prinzen, war aber nicht scharf darauf, ihn zu heiraten, ja, flehte ihn an, von diesem Plan und der Abdankung zu lassen. Ihr gefielen der Status Quo und der nette, unauffällige Mr. Simpson, an dem sie auch nach der Trennung noch hing, und der bald, um die Seifenoper komplett zu machen, Wallis’ älteste Freundin heiratete.

Die Hochzeit von „W.E.“, auf einem französischen Schloss im Juni 1937, war weit entfernt von dem rauschenden Fest, das am kommenden Wochenende auf Schloss Windsor gefeiert wird. Eine eher traurige Angelegenheit in kleinem Kreis. Kein einziges Mitglied der Königsfamilie war angereist. Am Morgen danach packte Wallis der Katzenjammer. Zumindest erzählte das der amerikanische Schriftsteller Gore Vidal, bekannt für seine böse Zunge; Wallis habe ihm ihr Leid geklagt: „Ich wachte auf, und da stand David mit seinem unschuldigen Lächeln und sagte: ,Und jetzt, was machen wir jetzt?’ Mein Herz sank. Hier war jemand, für den jeder Tag, sein ganzes Leben lang organisiert worden war, und nun war ich diejenige, die die Rolle der gesamten britischen Regierung übernehmen musste, indem ich versuchte, mir was für ihn zu tun auszudenken.“ Sie war gefangen – „Behind Closed Doors“, „Hinter verschlossenen Türen“, hat Hugo Vickers seine Biografie genannt. Die Ehe als trauriges Gefängnis.

Er wollte Frieden mit den Deutschen

Bruder Bertie, jetzt George VI., hatte für Edward den Titel des Duke of Windsor geschaffen. Wallis wurde Duchess, aber ohne die Ehre, wie ihr Mann, Königliche Hoheit zu sein. Ob diese Demütigung eine Idee des Königs gewesen war oder ihm eingeflüstert wurde, ist ungewiss. Klar ist nur, dass der scheue Stotterer nie hatte König werden wollen. Als er mit nur 56 Jahren starb und die junge Elizabeth auf den Thron steigen musste, lastete die Familie es Edward an, dem Fahnenflüchtigen, der seine Privatinteressen über die Pflicht gestellt hatte.

Dass seiner Frau nicht der nötige Respekt gezeugt wurde, konnte Edward nicht verwinden. So wenig wie die Tatsache, dass ihm die Aufgaben verwehrt blieben, die ihm, wie er fand, zustanden. Er hätte gern was Sinnvolles getan.

Edward hatte nämlich politische Interessen, eine Agenda: um jeden Preis einen zweiten Weltkrieg zu verhindern. Der Erste war das für ihn prägendste Erlebnis gewesen. Er wollte Frieden mit den Deutschen, denen er sich tief verbunden fühlte. Waren die britischen Royals nicht im Grunde alle Germanen? Edward sprach fließend Deutsch, während er auf Französisch nur radebrechen konnte, obwohl er die meiste Zeit nach seiner Abdankung in und um Paris lebte.

Sie tranken Tee mit Hitler

Sie hatte Stil. Die Duchess zählte zu den bestgekleideten Frauen der Welt und trug gern Dior & Co.
Sie hatte Stil. Die Duchess zählte zu den bestgekleideten Frauen der Welt und trug gern Dior & Co.

© imago/Unites Archives International

Noch in England hatte er in der Politik mitmischen wollen. Den Machthabern, sowohl in der Regierung wie in der Kirche, passte das nicht. Sie waren es, die Edward zum Rücktritt drängten. Einige Historiker glauben, dass Wallis Simpson nicht wirklich der Grund dafür war, sondern nur der willkommene Vorwand. Eigentlich könnten die Briten ihr dankbar sein. Gut möglich nämlich, dass Edward, wäre er King geblieben, sich auf Hitlers Seite geschlagen hätte.

1937 fuhren der Herzog und die Herzogin, glühende Antikommunisten mit antisemitischen und rassistischen Neigungen, die Nazis besuchen. Wie Staatsgäste wurden sie empfangen, das Volk jubelte ihnen zu, mit Hitler tranken sie Tee. Wie weit die Pläne des deutschen Diktators gediehen waren, Edward im Falle eines deutschen Sieges wieder als König zu inthronisieren, als seinen treuen Statthalter, gehört zu den vielen Ungewissheiten der Geschichte. Dass er es gern so gesehen hätte, steht fest. Der Herzog und die Herzogin galten für die Alliierten als unzuverlässig, wenn nicht gefährlich. Was sie wussten, erzählten sie weiter. Also schickten die Briten das Paar in die Ferne: 1940 wurde Edward zum Gouverneur der Bahamas ernannt.

Es war sein letzter offizieller Posten. Ein Pöstchen. Was blieb, war die Sehnsucht nach mehr. Dafür waren die Franzosen nett zu den beiden. Der Staat stellte ihnen eine Villa im Bois de Boulogne zur Verfügung, vor den Toren der Stadt hatten die Windsors noch eine Mühle. Ihre Nachbarn dort: Oswald Mosley, der ehemalige Faschistenführer Großbritanniens, und seine Frau Diana, die eine Biografie über Wallis schrieb. Auch diese beiden lebten in Frankreich quasi im Exil.

Beide achteten krankhaft auf ihre Figur

Nach außen hin ging das Leben fröhlich weiter. In den 50er, 60er Jahren waren der Duke und die Duchess beliebte Mitglieder des Jetsets, wurden wie Royals empfangen, in den USA zum Beispiel von Präsident Eisenhower. Ein fotogenes, elegantes Paar. Wenn Wallis etwas hatte, dann war es Stil. Für ein Kostümfest konnte sie sich schon mal als Tüte Zahnpasta verkleiden, ansonsten trug sie Dior & Co. Und beide arbeiteten hart an ihren androgynen Körpern. So gern sie Gesellschaften gaben – sie waren als großzügige Gastgeber für ihr gutes Essen bekannt –, achteten sie geradezu krankhaft auf ihre schlanke Figur. Der Herzog betrieb seit jeher exzessiv Sport.

Kinder hatten sie keine. Dafür Möpse. Kaum ein Foto des herzoglichen Paares, auf dem die Hunde nicht zu sehen sind, gern im Rudel an der Leine oder auf dem Schoß. Plötzlich wurden Möpse modern. In den 50er, 60er Jahren waren Edward und Wallis Trendsetter.

Die königliche Familie kam zu ihrer Trauerfeier

Und dann starb der Duke, 1972, an Kehlkopfkrebs. Zu seiner Beerdigung in England kamen Zehntausende. Wallis wurde körperlich schwach und dement. Sie siechte jahrelang vor sich hin, hinter verschlossenen Türen. Ihre Anwältin schirmte sie so energisch ab, dass es fast nach einer Gefangenschaft aussah. Die Juristin übernahm auch den Nachlass, spendete dem Institut Pasteur Millionen, obwohl Wallis nie als Wohltäterin bekannt gewesen war.

Erst als die Duchess tot war, kam die königliche Familie: zu ihrer Trauerfeier. Die ziemlich traurig gewesen sein muss. Auf Wunsch der Herzogin gab es keine Ansprache, kein Wort über ihr Leben, nicht mal ihr Name wurde erwähnt. Begraben wurde W. neben E. auf dem Friedhof von Schloss Windsor. Dort, wo am kommenden Wochenende Hochzeit gefeiert wird. Unwahrscheinlich, dass die Gäste über die beiden reden werden. In der Familie wird man nicht gern erinnert an sie.

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