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Wetter

© dpa

Wetter: Ein Sommer wie im April

Sonne, Hitze, Wolken, Hagel und Sturm. Das Wetter hat derzeit im Minutentakt fast alles zu bieten – genau wie die Vorhersagen. Die wechseln täglich. Warum sind Prognosen im Moment so schwierig?

Von Andreas Oswald

Alle reden vom Wetter. Es scheint irgendwie verrückt zu spielen. Da herrscht am Morgen Sonnenschein, bis aus heiterem Himmel ein Platzregen niedergeht und plötzlich aufkommende Wolken den Tag verdüstern, als wäre es der Letzte. Zehn Minuten später ist der Spuk vorbei, und die Sonne scheint. Jeder erzählt abends im Biergarten ein anderes Abenteuer, das er mit dem Wetter erlebt hat, weil es vorkommen kann, dass es in jedem Stadtbezirk anders ist. Keiner weiß, was er morgens anziehen soll, keiner weiß, ob man sich abends für draußen verabreden kann. Und alle amüsieren sich über die Wettervorhersagen in Radio, Zeitung und Fernsehen. Keine Vorhersage scheint zu stimmen, es sei denn, man hält sich zufällig in jenem Stadtbezirk auf, für den die Prognose zufällig zutrifft.

Es stimmt etwas nicht mit dem Wetter. Die Meteorologen bestätigen das. Sie, die es gewohnt sind, Opfer der Häme zu sein, können das Ausnahmewetter erklären. Sie befinden sich dabei in der undankbaren Lage, eine Prognose zu erstellen, von der sie wissenschaftlich überzeugt sind, und gleichzeitig wissen, dass sie nicht lange Bestand haben wird. Sie kämpfen derzeit mit zwei ausgeprägten Phänomenen. Das eine ist die deutlich anormale Großwetterlage, das andere die sogenannte konvektive Wetterlage, die das lokale Wetter im Moment nahezu unberechenbar macht.

Der Juli hält für die Großwetterlage normalerweise zwei Varianten parat. Die klassische Westwind-Wetterlage, bei der beständig neue Tiefs vom Atlantik zu uns dringen, bringt feuchte und eher kühle Luft mit. Oder ein stabiles Hoch über Skandinavien oder den britischen Inseln sorgt dafür, dass die Tiefs abprallen. Dann ist es sonnig, heiß und trocken.

Was wir derzeit sehen, ist eine für den Juli eigentlich unnormale Südwestströmung, in deren Folge es unbeständig ist und gleichzeitig der heiße Mittelmeerraum relativ weit in den Norden ausstrahlt, erklärt Karl Heinz Oberthier, Meteorologe der Wetteragentur Q.met. Das Ergebnis: Statt feucht und kühl ist es feucht und schwül. Zwar bringt der Regen immer wieder auch etwas Kühle, dennoch fiel in den vergangenen Tagen auf, dass es immer wieder relativ schnell warm und geradezu unangenehm schwül wurde. Aus den Wohnungen ist die Wärme in den kurzen kühleren Phasen oft nur schwer auszutreiben. „Eine solche Wetterlage in einem Juli gibt es vielleicht alle 20 Jahre“, sagt Oberthier. Und der erfahrene Meteorologe Hans-Joachim Knußmann hat noch eine zusätzliche schlechte Nachricht parat: „Dieses Wetter ist sehr stabil und kann noch Wochen anhalten.“

Aber warum kann es beispielsweise in Prenzlauer Berg einen Platzregen geben und im wenige Kilometer entfernten Wilmersdorf ist eitel Sonnenschein? Meteorologen sprechen von einer sogenannten konvektiven Wetterlage. Innerhalb der schwülwarmen Luftmasse entstehen örtlich regelrechte Warmluftblasen, die heftige Gewitter und Schauer auslösen können. Das Problem dabei: Die Meteorologen wissen, dass es das geben wird, den genauen Ort können sie aber nicht angeben. Dass es ein Unwetter geben wird, können sie immerhin mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent vorhersagen. Aber von diesem prognostiziertem Unwetter sind nur vier Prozent der Fläche betroffen, 96 Prozent nicht. Allerdings können die Wissenschaftler nicht auf ihre Unwetter-Vorhersagen verzichten. Das wird von ihnen erwartet. Schließlich können Stürme und Gewitter gefährlich sein. Immer wieder gibt es Todesfälle, weil Menschen vor Unwettern nicht gewarnt waren oder sie Warnungen ignoriert haben. Da ist es mitunter besser, die Menschen werden einmal zu viel gewarnt.

Wie gefährlich diese Wetterlage auch für Autofahrer werden kann, war vor einer Woche auf der A 2 zu sehen. 259 Autos verunglückten dort innerhalb kurzer Zeit. Sie waren Opfer des Wetters geworden. Nach einem heftigen Platzregen schien ganz plötzlich die tiefstehende Abendsonne wieder. Die Fahrer wurden entweder geblendet, oder das aufspritzende Wasser entwickelte in Verbindung mit der Sonne einen völlig diffusen optischen Nebel.

Aber wenigstens eines ist gewiss. Wenn die Großwetterlage mal wieder normal sein wird und eine große Unwetterfront kommt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit der Unwetterprognose bei 96 Prozent. Darin sind sich die Meteorologen 100-prozentig sicher.

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