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Elektromobilität: Mehr als Autos

Entstehung und Vermarktung von Elektromobilität kosten Geld, sehr viel Geld. Der Staat sollte den Unternehmen nicht das Investitionsrisiko abnehmen. Aber er kann Forschung so fördern und den Rahmen so setzen, dass Investitionen weniger riskant sind.

Sie waren so naiv, werden unsere Kinder in zehn, zwanzig Jahren vielleicht über uns sagen. Ihre Idee, mit Elektroautos unabhängig vom Öl zu werden, war nicht falsch. Aber musste die Bundesregierung 2011 gleich ein riesiges Förderprogramm für Batterien aufsetzen? War die Starthilfe nötig für eine Technologie, von der nicht einmal sicher war, dass sie sich durchsetzen würde? Unsere Kindern werden sich vielleicht wundern, dass wir glauben konnten, 2020 oder 2030 noch auf vier Rädern unterwegs zu sein – in einem Auto.

Vielleicht kommt es so. Wahrscheinlich kommt es aber anders. Wenn Angela Merkel an diesem Montag den Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) entgegennimmt, wird sie darin gute Argumente dafür finden, dass es anders kommt. Alle, die sich auskennen, haben ein Jahr lang zusammengetragen, wie Mobilität in Zukunft aussehen könnte. Die Szenarien behaupten nicht, die Zukunft vorherzusagen. Aber sie sind bei aller Unsicherheit plausibel: Elektroautos werden uns mobil halten – ohne Öl und CO2. Und ohne einen massiven Verlust an Wertschöpfung für die Industrie.

Vorher muss allerdings eine Anstrengung gelingen, die der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann zu Recht als Aufgabe für die gesamte Gesellschaft bezeichnet. Aus Ideen müssen Produkte werden, die sich auf einem Massenmarkt zu vernünftigen Preisen verkaufen lassen. Bei Autos, sollte man meinen, funktioniert das leicht. Die Gewinne der Hersteller zeugen davon. Aber ein Elektroauto ist kein „normales“ Auto. Bevor es läuft, ist eine technologische Revolution nötig, an der nicht nur die Autobauer und ihre Zulieferer beteiligt sind. Chemieindustrie, Stromversorger, Maschinenbau, Dienstleister kommen hinzu. Und es werden nicht nur Autos sein, die wir kaufen oder nutzen werden – Mobilität an sich wird es sein, auf verschiedenen Verkehrsträgern, von unterschiedlichen Anbietern.

Entstehung und Vermarktung von Elektromobilität kosten Geld, sehr viel Geld. Die Industrie steckt bis 2014 insgesamt 17 Milliarden Euro allein in die Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe. Damit ist aber noch kein einziges E-Auto verkauft. Wer soll es nutzen? Wer kann es bezahlen? Welche Infrastruktur ist nötig? Hier kommt der Staat ins Spiel.

Er sollte den Unternehmen nicht das Investitionsrisiko abnehmen. Aber er kann Forschung so fördern und den Rahmen so setzen, dass Investitionen weniger riskant sind. Vor allem in Städten und Kommunen. Das klingt nach Straßenverkehrsordnung und Bürokratie, ist aber als Starthilfe geeignet, wenn es mutig gemacht wird. E-Mobilität sollte für viel mehr Menschen erfahrbar werden, in der eigenen Stadt und vor der Haustür. Umsonst in der City parken. Eine eigene Fahrspur am Stau vorbei. Ladesäulen im Shopping-Center. All das sind Einzelheiten, die das große Ganze in Bewegung bringen. Ob ein Akku 150 oder 180 Kilometer Reichweite hat, fällt dann weniger ins Gewicht. Firmen, Selbstständige und Privatleute müssen Elektromobilität im Alltag ausprobieren können. Und der Staat muss es ihnen erlauben – auch finanziell.

Die deutsche Autobranche hat derweil die Chance zu zeigen, dass sie mehr kann als Luxus und Tempo. Ob es ihr gelingt, mag man angesichts ihrer Verspätung bezweifeln. Aber zutrauen sollte man es ihr. Das ist der Auftrag: Die gleiche Raffinesse, die sie bei Verbrennungsmotoren beweist, wird künftig von ihren Elektroautos erwartet – zu bezahlbaren Preisen. Dann wird es nicht so naiv gewesen sein, was wir uns 2011 vorgestellt haben.

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