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Die Grabpyramiden von Meroe im Sudan. Hier haben Abholzung, Überweidung und klimatische Veränderungen die Erosion durch Wind und die Wüstenbildung befördert. Die Oberflächen der Pyramiden von Meroë werden nicht nur von Sanddünen zugeschüttet, sondern gleichsam sandgestrahlt. Reliefs an den Außenseiten der Grabbauten, die in den 80er Jahren noch sichtbar waren, sind heute unwiederbringlich verloren.

© Pawel Wolf, DAI

Altertumswissenschaften: Den Klimawandel mit Archäologie verstehen

In Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen kann die Archäologie konkrete Folgen auf die Lebensrealität vergangener Gemeinschaften rekonstruieren.

Wenn der antike Philosoph Platon im 4. Jahrhundert vor Christus ein Starkregenereignis mit folgendem Erdrutsch an den Abhängen der Akropolis in Athen beschreibt, bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass er den kausalen Zusammenhang zwischen Abholzung und Bodenerosion kannte oder erkannte. Er sah und beschrieb zwar, dass es in der attischen Landschaft einmal Wälder mit gutem Bauholz gab. Was deren Abholzung für Folgen hatte, sah er jedoch ganz offensichtlich nicht.

Heute wissen wir, welche gravierenden Folgen das menschliche Eingreifen auf Umwelt und Klima hat. Dass der Mensch zu dem Einfluss nehmenden Faktor auf geologische, biologische und atmosphärische Prozesse auf der Erde geworden ist, hat sogar zu dem Vorschlag geführt, von einem neuen erdgeschichtlichen Zeitalter, einem Menschen gemachten Zeitalter, dem Anthropozän zu sprechen.

Die Dramatik der aktuellen Veränderungen, die bereits nicht mehr als Klimawandel, sondern bereits als Klimakrise bezeichnet wird, lässt bei der Suche nach wissenschaftlichen Disziplinen, die einen relevanten Beitrag leisten können, nicht sofort an Archäologie denken. Moderne Archäologie erforscht jedoch alle Facetten menschlichen Lebens. Dies umfasst auch, die Auswirkungen von klimatischen Veränderungen auf die Umweltbedingungen, in denen Menschen in der Vergangenheit lebten, aber die sie auch beeinflussten.

Der besondere Beitrag der Archäologie zum Verständnis unserer aktuellen Herausforderungen liegt darin begründet, dass die Archäologie hoch auflösende Daten zu lokalen oder regionalen Auswirkungen klimatischer Veränderungen in einer großen zeitlichen Perspektive liefert.

Aus globalen Archiven wie Tiefseebohrkernen und Eisschilden wissen wir um globale Klimaschwankungen mit großer Zeittiefe. Diese Klimaveränderungen trafen die Menschen aber nicht überall in gleichem Maße. Je nach Standortbedingungen wie geografischer Breite, Relief oder Meeresnähe wirkten sich Klimaveränderungen sehr unterschiedlich aus. In Zusammenarbeit mit vielen anderen Disziplinen kann die Archäologie so die konkreten Auswirkungen auf die Lebensrealität vergangener Gemeinschaften, aber auch ihre Reaktion darauf rekonstruieren. Diese hochaufgelösten Daten, Modelle und Simulationen sind wiederum notwendige Bausteine für globale Klimamodellierungen, aber auch für die Beschreibung des Faktors „Mensch“ in diesen komplexen Prozessen.

Archäologische Forschungen von aktueller Bedeutung

Diese Forschungen sind auch von aktuell großer Bedeutung, um den oftmals populistischen Argumentationsfiguren von Leugnern des aktuellen Klimawandels differenzierte Bilder entgegenzustellen. Eines der Probleme unserer Zeit besteht nämlich darin, genau diesen Zusammenhang zwischen globalen Phänomenen und ihren lokalen Auswirkungen zu verstehen und zu kommunizieren.

Die von Hochleistungsrechnern erstellten Simulationen stehen als Prognosen zum globalen Klimawandel einem sehr unterschiedlichen Erleben lokaler und regionaler Ereignisse gegenüber, die sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Darin liegt die Gefahr, dass die Auswirkungen des Klimawandels als nicht so schlimm relativiert werden.

Der Blick in die Vergangenheit birgt aber zugleich auch die Gefahr, dass frühere Veränderungen des Klimas als Argument dafür angeführt werden, dass man sein Handeln doch nicht sonderlich ändern müsse, sondern abwarten und aussitzen könne, da wie in der Vergangenheit auf eine Warmzeit schon wieder eine Kaltzeit folge.

Schon früher entstanden lebensfeindliche Bedingungen

Die archäologische Analyse lokaler Ökosysteme lässt aber auch für die Vergangenheit erkennen, wie sich Ökosysteme irreversibel verändert haben und lebensfeindliche Lebensbedingungen entstanden sind. In trockenen, sogenannten ariden Regionen entschieden minimale Veränderungen der Niederschlagsmengen dazu, dass eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich war.

Solche Veränderungen führten ebenso wie Kaltzeiten zu Migrationen. In den nicht sehr dicht besiedelten Landschaften der frühen Phasen der Menschheitsgeschichte trafen die Wanderungen der Menschen aber noch nicht auf eine so verdichtete Besiedlung und Nutzung des Raums wie heute. Die Möglichkeiten eines Ausweichens waren anders als heute gegeben. Die Untersuchung früher Kulturen erlaubt es jedoch, die Komplexität der Zusammenhänge in einer sehr langen Perspektive, das heißt, auch hinsichtlich der Folgen des menschlichen Eingreifens in die Umwelt zu verstehen.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber auch, wie frühe Gesellschaften mit der Entwicklung nachhaltiger Lösungen reagiert haben. Manche Innovationen wie die Entwicklung der in das 4. Jahrtausend vor Christus zurückreichenden Staudämme in der Basaltwüste Jordaniens funktionieren bis heute und sammeln bis heute Regenwasser zum Beispiel für die Haltung von Schafen und Ziegen.

Andere nachhaltige Lösungen der Bewässerung wurden hingegen ebenso vergessen, wie regional und lokal an das Klima angepasste und Ressourcen schonende Bauweisen.

Die Archäologie ist Betroffene des Klimawandels

Die heute überall auf der Welt dominierenden Betonbauten hinterlassen gegenüber so mancher antiken Bauweise einen schlechten ökologischen Fußabdruck. Der globalen Vereinheitlichung des Bauens könnten regional bezogene Studien der Vergangenheit somit ebenso Modelle für klimagerechtes und nachhaltiges Bauen entgegensetzen, wie es auch für landwirtschaftliche Nutzpflanzen diskutiert wird. Auch hier spielen archäologische Daten eine Rolle. Funde von Pollen und Resten von Pflanzen lassen erkennen, wann welche an lokale Standortbedingungen angepasste Pflanzensorten in Abhängigkeit zu sich ändernden Umweltbedingungen genutzt wurden.

[Die Autorin ist seit 2011 Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts und Honorarprofessorin an der FU Berlin.]

Die Archäologie ist aber auch Betroffene des aktuellen Klimawandels. Die Erderwärmung mit ihren sehr unterschiedlichen lokalen Auswirkungen bringt auch ein breites Spektrum der Bedrohung des kulturellen Erbes der Vergangenheit mit. Das Auftauen der Permafrostböden lässt auch alle jene archäologischen Zeugnisse auftauen, die über lange Zeiträume durch den Frost geschützt waren. In den Grabhügeln der Skythen verrotten mit dem Auftauen alle organischen Materialien. Wir verlieren alle Informationen zu Kleidung, Gegenständen aus Holz und Leder usw.

Wie mit einem Sandstrahlgebläse setzt der Wind den Pyramiden von Meroe im Sudan zu.
Wie mit einem Sandstrahlgebläse setzt der Wind den Pyramiden von Meroe im Sudan zu.

© DAI

Im Sudan hingegen haben Abholzung, Überweidung und klimatische Veränderungen die Erosion durch Wind und die Wüstenbildung befördert. Die Oberflächen der Pyramiden von Meroë werden nicht nur von Sanddünen zugeschüttet, sondern gleichsam sandgestrahlt. Reliefs an den Außenseiten der Grabbauten, die in den 80er Jahren noch sichtbar waren, sind heute unwiederbringlich verloren.

Der Anstieg des Meeresspiegels betrifft nicht nur die weit entfernten Inseln des Pazifik, sondern auch die Küsten Europas. Erste Prognosen und Berechnungen zeigen, welche Welterbestätten an der Mittelmeerküste je nach Höhe des Meeresspiegelanstiegs unter Wasser geraten würden. Es wird dann nicht mehr nur ein Problem Venedigs sein, Vorkehrungen zu treffen. Aber auch um den Folgen zu begegnen, bedarf es intensiver Forschung und eines gemeinsamen Handelns, wie im Archaeological Heritage Network.

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