zum Hauptinhalt
Forscher Flieger. Die Expedition ist der erste Einsatz eines Luftschiffs für die Meeresforschung. Und ein Werbeträger für das Wissenschaftsjahr „Meere und Ozeane“.

© dpa/Paul Zinken

Luftschiff: Forscher wollen Wasserwirbel mit einem Zeppelin jagen

Kleine Wirbel im Wasser halten nur wenige Stunden, daher wissen Forscher nur wenig darüber. Eine große Messkampagne in der Ostsee soll das ändern. Mit Hilfe von ganz oben, aus einem Zeppelin.

Es ist ein ungewöhnliches Forschungsvehikel, mit dem Wissenschaftler in den nächsten Tagen Wasserwirbel in der Ostsee untersuchen wollen: ein Zeppelin. 75 Meter lang, bis zu 125 Kilometer pro Stunde schnell, bei Bedarf kann es aber auch mal stehen bleiben. „Das ist der entscheidende Vorteil“, sagt Burkard Baschek vom Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung Geesthacht. Ist ein Wirbel entdeckt, können die Wissenschaftler im Zeppelin in Parkposition gehen, um ihn genauer zu beobachten und Forschungsschiffe in die Nähe zu lotsen, die im Wasser Messungen vornehmen. „Mit einem Helikopter ginge das zwar auch“, sagt Baschek. „Doch der Zeppelin verbraucht viel weniger Sprit, kann bis zu zehn Stunden in der Luft bleiben, und billiger ist er auch.“ 20 000 Euro am Tag statt 5000 Euro pro Heli-Stunde.

Bevor der Zeppelin ab Sonnabend sein Forschungsprogramm abspult, machte er am Donnerstag Halt auf dem Flughafen Schönefeld. Er soll für das aktuelle Wissenschaftsjahr „Meere und Ozeane“ werben. Staatssekretär im Forschungsministerium, Georg Schütte, und Otmar Wiestler, Chef der Helmholtz-Gemeinschaft, sind angereist, um die Expedition „Uhrwerk Ozean“ medienwirksam zu starten. Der Name soll deutlich machen, was die Wasserwirbel ausmacht: Wie Zahnräder eines Uhrwerks greifen sie ineinander – der Ozean steht niemals still.

Kaum entdeckt, schon wieder weg

Die großen Strömungen wie den Golfstrom kennen Ozeanografen seit Langem. Kleinere Wirbel mit einem Durchmesser von 100 Metern bis zehn Kilometern sind relativ neu. Vor 25 Jahren wurde erstmals einer von einem Satelliten entdeckt. Weil sie aber nur wenige Stunden halten, war der Wirbel bald wieder weg und konnte nicht genauer untersucht werden. Strömungsmodelle zeigten jedoch, dass es solche Wasserspiralen in großer Zahl geben muss. Baschek machte sich auf die Suche. 2009 spürte er mit weiteren Forschern vor Kalifornien den ersten Wirbel auf, der auch vermessen wurde. Bis zu 40 Zentimeter pro Sekunde strömte das Wasser im Kreis, berichtet der Wissenschaftler.

Nun sollen sie richtig erforscht werden. Die Ostsee südwestlich von Bornholm ist nicht zufällig gewählt. Gezeitenströmungen gibt es fast keine, das verspricht weniger Störungen für die Wirbel. Mit bloßem Auge sind sie nicht zu erkennen, allerdings verraten sie sich durch geringfügige Temperaturunterschiede. Die soll eine Thermalkamera vom Zeppelin aus aufspüren.

Bis Windstärke sieben kann das Luftschiff fliegen

Sie ist in der Mitte der Gondel montiert, neben einem Neigungsmesser. Der hat gerade gut zu tun, denn bei jedem Windhauch schaukelt das Luftschiff. Nichts für Forscher mit einem empfindlichen Magen. Baschek gehört nicht dazu. „Ich war noch nie seekrank“, sagt er, während der Zeppelin mit einer Handvoll Journalisten über dem Tempelhofer Feld schwebt. „Das stört mich nicht.“ Bis Windstärke sieben könne das Gefährt während der Expedition betrieben werden. „Wolken sind schlimmer als Wind“, sagt der Forscher. „Die versperren die Sicht oder behindern die Messungen.“

Hat Baschek mit Hilfe der Kameras einen Wirbel aufgespürt, werden zwei Forschungsschiffe und ein Schnellboot hinzugerufen, die vor Bornholm warten. Sie werden so rasch wie möglich in den Wirbel fahren und hundert Meter lange Ketten mit verschiedenen Messgeräten hindurchziehen. Die erfassen beispielsweise Temperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt sowie die Dichte des Wassers. Größere Boote und der Zeppelin sollen Strömungsfelder und dünne Bakterienfilme auf der Oberfläche erforschen. Hinzu kommen noch Tauchroboter, die in der Tiefe Daten nehmen. Das wird ein ziemliches Gewimmel in einem wenige hundert Meter kleinen Wirbel. In der vergangenen Woche haben die Forscher vor Rügen extra eine Generalprobe gemacht, um zu vermeiden, dass sie sich mit ihren Geräten in die Quere kommen, berichtet Baschek.

Die Wirbel lösen sich von großen Meeresströmungen ab

„Wir wollen die Wirbel nicht nur kurz sehen, sondern verfolgen, wie sie sich mit der Zeit verändern“, erläutert er. Das seien wichtige Informationen für Strömungsmodelle der Meere. Welche Bedeutung die Wirbel haben, ist kaum bekannt. „Simulationen zufolge ist etwa die Hälfte der Produktion von Phytoplankton damit verbunden, das wiederum maßgeblich für die Nahrungsketten im Meer und die Produktion von Sauerstoff ist.“ Zudem haben sie offenbar großen Einfluss auf den Energietransport im Wasser. Wie der genau aussieht, wollen die rund 40 an der Expedition beteiligten Forscher ebenfalls besser verstehen.

Weitgehend geklärt ist, wie die Wirbel entstehen. Es sind mehrere Mechanismen denkbar. Sie können beispielsweise an den Flanken großer Strömungen abreißen oder durch Topografie bedingt sein, wie zum Beispiel Inseln, die der Strömung „im Weg“ sind sowie Unebenheiten am Meeresgrund.

Fünf Messtage - wenn das Wetter mitspielt

Am Sonnabend soll die Expedition beginnen. Der Zeppelin wird dabei jeden Morgen von Peenemünde auf Usedom ins Untersuchungsgebiet bei Bornholm fliegen und abends zurückkehren. Fünf Messtage sind geplant, für zehn Kalendertage stehen Zeppelin, Schiffe, Roboter und Crew zur Verfügung. Nun hoffen alle auf gutes Wetter. Und schöne Wirbel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false