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Medien: 15 Jahre „Gazeta“

Polens mächtigste Zeitung ist so alt wie die 3. Republik

Zu ihrem Jubiläum hat sich Polens bekannteste Zeitung am Wochenende noch einmal in ihr altes Gewand gehüllt. Die Schlagzeilen der ersten Ausgabe vom 8. Mai 1989 prangten am Wochenende auf der Titelseite der „Gazeta Wyborzca“. „Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität," hatte damals in seinem Grußwort Lech Walesa, der Chef der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, zur Geburtsstunde der „ersten unabhängigen Zeitung zwischen Elbe und Pazifik" erklärt. Auf den Übergang zu einer parlamentarischen Demokratie, aber auch die Zulassung einer unabhängigen Presse hatte sich das sozialistische Regime mit der Opposition am Runden Tisch im Frühjahr 1989 geeinigt. Rechtzeitig vor den Neuwahlen zum Sejm brachten der Bürgerrechtler Adam Michnik und seine Mitstreiter die „Gazeta Wyborzca", die „Wahlzeitung", auf den Markt.

So alt wie Polens 3. Republik, hat sich die „Gazeta Wyborzca" in 15 Jahren von einem dünnen Oppositionsblättchen zu der mit Abstand einflussreichsten Zeitung Polens gewandelt. Als eine Mischung von „Bild“ und „Zeit“ umschreibt Chefredakteur Michnik das Konzept seines Blattes, das sich mit einer Verkaufsauflage von 480 000 Exemplaren bis vor kurzem noch mit dem Titel der größten Zeitung des Landes brüsten konnte. Dank ihrer 19 Regionalausgaben konnte die Gazeta auch in der Provinz die besten Schreiber und die Leserschaft an sich binden. Ihr Agora-Verlag hat sich nach seinem Börsengang zu einem der kapitalkräftigsten Medien-Konzerne des Landes mit Beteiligungen an über 30 Radiosendern gemausert.

Doch nicht nur der Siegeszug von Springers polnischem Bild-Ableger „Fakt", der der „Gazeta“ den Titel der größten Zeitung des Landes in deren Jubiläumsjahr abspenstig gemacht hat, trübt in der schicken Redaktionszentrale die Geburtstagsfreuden: Mit Michnik droht ausgerechnet das langjährige Aushängeschild für die Zeitung zunehmend zur Belastung zu werden.

Mit der Veröffentlichung eines Tonbandmitschnitts, auf dem ihm der Filmproduzent Lew Rywin eine Schmiergeld-Zahlung unterbreitete, hatte Michnik im Dezember 2002 einen Skandal ausgelöst, in dessen Fallstricke er und die „Gazeta“ selbst geraten sind. Der inzwischen zu drei Jahren Haft verurteilte Rywin hatte Michnik im Sommer 2002 angeboten, im Auftrag von „Leuten mit Einfluss" die Abfassung des Mediengesetzes in dessen Sinne zu regeln. Nicht nur weil Rywin behauptete, im Auftrag des damaligen Premiers Leszek Miller zu handeln, löste der Skandal eine Welle von Spekulationen aus. Warum er den Fall so spät enthüllt hatte, vermochte der bei seinen Anhörungen ungewohnt nervös wirkende Michnik weder vor dem Sejm-Ausschuß noch vor Gericht glaubhaft zu begründen.

Thomas Roser[Warschau]

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