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20 Jahre RTL-"Nachtjournal": Seriös statt „Tutti Frutti“

Trendsetter RTL: Der Kölner Privatsender startete 1994 sein „Nachtjournal“, die Konkurrenten zogen später nach. Anders als Sat 1 blieben die Kölner dem Format treu.

Zwei Dinge waren für RTL-Chef Helmut Thoma besonders wichtig, als er Heiner Bremer mit einem Konzept für das „Nachtjournal“ beauftragte. „Machen Sie zum Abschluss des Tages etwas, das die Menschen als seriös empfinden, damit sie sehen, dass wir nicht nur ,Tutti Frutti‘ zeigen“, war der eine Auftrag, den Bremer ganz im Sinne seines Chefs umsetzte. Bei dem anderen Wunsch musste der ehemalige „Stern“-Chefredakteur hingegen passen: „Seien Sie mein Hanns Joachim Friedrichs“, sagte Thoma, worauf Bremer erwiderte: „Das bin ich nie. Ich bin ich.“

Im Januar 1994 ging das RTL-„Nachtjournal“ erstmals auf Sendung. Der noch junge Privatsender sollte damit zum Trendsetter bei den spätabendlichen Nachrichtenmagazinen werden. Das ZDF zog noch im selben Jahr mit „heute nacht“ nach, das „Nachtmagazin“ der ARD startete 1995 und bei Sat 1 ging „Die Nacht“ in 2001 auf Sendung, wurde allerdings 2007 wieder eingestellt.

„Du musst die Kirche erst füllen, bevor du mit der Predigt anfängst“, war eine von Bremers Maximen, an die sich Hauptmoderatorin Ilka Eßmüller auch heute noch hält. So werden in der Sendung zwar auch politische Themen behandelt, aber nur in Ausnahmefällen gleich zu Beginn des „Nachtjournal“. „Wir fangen oft mit einem überraschenden Thema an, möglichst einem, das die Zuschauer nicht schon den ganzen Tag gehört haben“, erklärt sie die Idee dahinter. Zugleich wird an die Autoren der Anspruch gestellt, dass sie nicht einfach die Beiträge aus den Hauptnachrichten für das Magazin verlängern, sondern sich für das „Nachtjournal“ einen neuen Ansatz überlegen.

Als das „Nachtjournal“ aus der Taufe gehoben wurde, galt „ABC Nightline“ als mögliches Vorbild, erinnert sich Bremer. Doch relativ schnell orientierte man sich in Köln doch an den deutschen Formaten „Tagesthemen“ und „heute-journal“. „ABC Nightline“ ist als monothematische Sendung konzipiert. „In Amerika ist das sicherlich möglich, dort gibt es jeden Tag ein Thema, das ganz Nordamerika bewegt. Für Deutschland gilt das nur ganz selten“, so Bremer. „Wir haben das nur ganz selten gemacht, beim ICE-Unglück in Eschede zum Beispiel oder bei den Irak-Kriegen und 9/11. Aber nicht als tägliches Prinzip.“

Mit seiner Sendezeit nach Mitternacht steht das „Nachtjournal“ weniger im Wettbewerb mit „Tagesthemen“ und „heute-journal“ als mit der Uhr. „Man kämpft gegen die wachsende Müdigkeit der Zuschauer“, sagt Bremer, der inzwischen bei n-tv zu sehen ist. Um zu verhindern, dass die Leute noch während des „Nachtjournal“ einschlafen, hat er einen rhetorischen Trick eingesetzt, indem er die ersten Silben betonte.

In den Folgejahren probierte das „Nachtjournal“ vieles aus. Längst nicht alles davon erwies sich als tragfähig. So hatte der damals noch wenig bekannte Dieter Nuhr die Zuschauer eine Zeit lang mit einer launigen Zusammenfassung des Tagesgeschehens in die Nacht entlassen. Der Anspruch, weniger staatstragend als andere Nachrichtenmagazine zu sein, ist geblieben. „Ein Interview mit Angela Merkel am Wahlabend kann dann auch schon mal die Länge von fünfeinhalb Minuten haben“, sagt Ilka Eßmüller, die das Magazin im Wechsel mit Isabelle Körner und Frederik Pleitgen moderiert. In der Anzahl der Beiträge liegt Merkel vor ihrem Amtsvorgänger Gerhard Schröder, der allerdings auch nur zwei Amtszeiten hatte. Die Kanzlerin kommt auf 2420 Beiträge, hat RTL errechnet, Schröder auf 2186.

In Formaten wie „Unterwegs mit“ begleitet Eßmüller zu Wahlkampfzeiten Spitzenkandidaten für Bundestag und Landtage. Für die Moderatorin bietet „Nachtjournal“ viele Möglichkeiten, frecher zu agieren als in den Hauptnachrichten. „Das Nachtjournal ist in erster Linie ein politisches Nachrichtenmagazin. Wir spitzen zu, sind meinungsstark und erzählen unsere Geschichten mit leichter Handschrift“, sagt sie.

Das "Nachtjournal" verfügt über eine komplett eingeständige Redaktion

Notwendige Voraussetzung für diese Handschrift ist die eigenständige Redaktion. Sie besteht aus 18 Mitarbeitern – sieben von ihnen sind seit 1994 dabei. Die Frühschicht beginnt um neun Uhr damit, erste Themen auf den Weg zu bringen. Gegen elf Uhr findet eine Telefonkonferenz von Moderator, Tagesplanung, Redaktionsleiter Martin Gradl und Chef vom Dienst statt. Ab 15 Uhr 30 wird in voller Mannschaftsstärke gearbeitet. Nun tickt die Uhr, wohl wissend, dass ab 18 Uhr viele Ansprechpartner nur schwer zu erreichen sind.

Die Zahlen sprechen für sich: Mit rund 1,4 Millionen Zuschauern im Durchschnitt ist die Sendung der Marktführer unter den Nachtmagazinen. Aber auch den Vergleich mit „Tagesthemen“ und „heute-journal“ scheut das „Nachtjournal“ nicht. In absoluten Zahlen kann das Magazin zu vorgerückter Stunde zwar nicht mithalten, beim Marktanteil schon. Das RTL-Magazin liegt mit 14,1 Prozent gleichauf mit den „Tagesthemen“ und sogar noch vor dem „heute-journal“, das auf 13 Prozent kommt. Bei der Konkurrenten genießt das RTL-Magazin zudem einen guten Ruf. „Das RTL ,Nachtjournal‘ ist in unseren Augen ein Erfolgsprodukt“, sagt der Anchorman des „heute journal“, Claus Kleber, und ergänzt: „Gute Gegner machen Spaß. Aber man will ja auch nicht verlieren.“

„Nachtjournal“, RTL, 0 Uhr

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