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Rudi Cerne moderiert seit zehn Jahren die ZDF-Senundg "Aktenzeichen XY...ungelöst".

© ZDF/ Jens Hartmann

45 Jahre "Aktenzeichen XY...ungelöst": Rudi Cerne: "Ich pendle zwischen Sport und Mord"

Im Interview spricht "Aktenzeichen XY...ungelöst" - Moderator Rudi Cerne über die zurückliegenden zehn Jahre, Eduard Zimmermann, das Kopfkino der Zuschauer und Eiskunstlauf.

Herr Cerne, Sie moderieren die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY … ungelöst" seit Januar 2002. Wer hatte Sie seinerzeit dafür entdeckt, engagiert?

Ganz hat sich das nie geklärt, von wem die erste Initiative ausging. Ich glaube, die kam von Eduard Zimmermann. Dies wurde mir dann mitgeteilt. Da die Sendung damals im Hinblick auf die Einschaltquote schon ein wenig auf der Kippe stand, war Zimmermann auf die richtige Einhaltung der Wege bedacht. So war es Hans Janke (ehemaliger Stellvertretender Programmdirektor), der mich damals zu "Aktenzeichen" geholt hat. Er rief mich an, und wir haben heute nach wie vor Kontakt. 

Sie haben bis dato Sportsendungen moderiert, bis 1995 bei WDR, HR und ARD, ab Januar 1996 beim ZDF. Salopp formuliert: Erst Sport, dann Mord.

Das war damals schon ein Schritt. 2001 war ich im Juli mit der Tour de France unterwegs, als der Anruf kam. Erst war ich sehr überrascht, hatte zunächst gedacht, es könnte eher etwas aus dem Bereich "Verstehen Sie Spaß?" kommen. Dann habe ich gemerkt, dass es ihnen sehr ernst war. 

Eine Sendung, in der nach Tätern von Verbrechen gesucht wird, liegt nicht unbedingt nahe bei einem Eiskunstlauf-Profisportler. Sie moderieren unter anderem auch den Sport in "heute", waren von 1999 bis 2006 Moderator des "aktuellen sportstudios". War bzw. ist das auch heute ein Spagat?

Ich sage immer: Mir ist bei 20 Jahren Eiskunstlaufen nicht das Hirn eingefroren. Da ist meine Neugierde. Und: Ich pendel zwischen Sport und Mord. Eine Kluft ist natürlich dazwischen - der Kontrast hätte nicht größer sein können. Deswegen hat es mich auch so gereizt. Das war für mich die große Herausforderung. Mein Erfolg davor, der mir am liebsten war, war natürlich die Silbermedaille bei den Europameisterschaften (Deutscher Meister, 1978, 1980), weil ich einmal international auf dem Treppchen stehen wollte. Da war meine Seele befriedigt und beruhigt - daraufhin konnte ich sagen, `So, jetzt gehe ich noch zu den Olympischen Spielen, und dann sage ich Auf Wiedersehen´. Dann kam "Holiday on Ice", und dann kam eins zum anderen. Ich habe nie etwas geplant. Es gibt ja Leute, die haben eine Karriereplanung im Schreibtisch liegen. Das ist bei mir überhaupt nicht so. Wie es kommt, kommt´s. 

Am 20. Oktober 1967 ging "Aktenzeichen XY … ungelöst" erstmals auf Sendung. Sie sind Jahrgang 1958 - wann sind Sie mit dieser ZDF-Freitags-Sendung erstmals überhaupt in Berührung gekommen?

Ich war damals neun Jahre alt. Und es war zu dieser Zeit, zu Beginn, ein Riesenthema in der Schule. Kinder reden ja oft nach, was die Eltern am Vorabend gesagt haben. "Raumschiff Orion" kam damals, Ende der 60er, auch raus. Ich selbst bin groß geworden mit "Bonanza" und "Rauchende Colts". Bei "Bonanza", 17 Uhr 25, ist der erste aus dem Sattel geschossen worden. Das war ziemlich brutal.

"Die Realität ist wesentlich dramatischer"

Rudi Cerne moderiert seit zehn Jahren die ZDF-Senundg "Aktenzeichen XY...ungelöst".
Rudi Cerne moderiert seit zehn Jahren die ZDF-Senundg "Aktenzeichen XY...ungelöst".

© ZDF/ Jens Hartmann

Jahrelang wurde Eduard Zimmermanns "Aktenzeichen XY" der Vorwurf der "Menschenjagd" und des Schürens von Ängsten gemacht. Berechtigt oder deplaziert?

"Aktenzeichen" fand ich früher immer eher unspektakulär. Bevor es zu etwas kam - Schnitt, Kamera auf Eduard Zimmermann. Was ist daran grausig gewesen? Man denkt in ganz anderen Dimensionen. Auch heute bleibt es bei der Andeutung. Der Rest ist Kopfkino. Es ist wie in Hitchcocks "Psycho": Sie sehen de facto nicht einmal, dass dieses Messer den Körper der Frau unter der Dusche trifft. Das ist bei uns ganz genauso. 

Wird der Druck nicht höher? Alles muss heute mediale Sensation sein.

Man muss natürlich die Emotionen der Zuschauer irgendwo treffen. Und die Messlatte liegt immer höher. Die Sehgewohnheiten der Zuschauer haben sich verändert, und die Ansprüche an die "XY"-Filme steigen. Wobei die Realität wesentlich dramatischer ist: Wenn Sie zum Beispiel echte Fotos aus einer Ermittlungsakte nehmen … 

"Aktenzeichen XY" hat nun 45-jähriges Jubiläum. Was ist es, was dieses ZDF-Format noch aktuell macht? Ist es zeitlos?

Es ist nach wie vor ein Unikat - auch wenn viele versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen bzw. es nachzuahmen. Es ist ein Original, und es ist auch nie von der eigentlichen Idee abgewichen. Da ist interaktives Fernsehen in Deutschland erfunden worden. "Vorsicht Falle - Nepper, Schlepper, Bauernfänger" mit Eduard Zimmermann - damit hat es angefangen. Es ist eines der wenigen deutschen Fernseh-Formate, das unter anderem auch in Amerika übernommen wurde. Dort läuft es (seit 1988) unter dem Titel "America´s Most Wanted" auf Fox. Und natürlich ist es diese Form der Realität, dieser Schauer, der da immer irgendwo mit hineinspielt. Zimmermann hat einmal gesagt, `Wir müssen mit der Zeit gehen, sonst spielen wir vor leeren Häusern´. Mit der Zeit gehen hieß bei uns: Die Studioregie wurde etwas verändert, gute Schauspieler wurden engagiert. Auch der Sendeplatz hat sich verändert: Es ging von Freitag auf Mittwoch, und ab 2008 von 60 auf 90 Minuten.

"Die Sendung hat mein Leben verändert."

Rudi Cerne moderiert seit zehn Jahren die ZDF-Senundg "Aktenzeichen XY...ungelöst".
Rudi Cerne moderiert seit zehn Jahren die ZDF-Senundg "Aktenzeichen XY...ungelöst".

© ZDF/ Jens Hartmann

Die Aufklärungsquote bei "Aktenzeichen XY" liegt bei 42 Prozent - das ist eigentlich erstaunlich hoch.

Das ist im Laufe der letzten Jahre mehr geworden und auf diesen Prozentsatz angestiegen, durch die verfeinerte DNA-Analyse. Die Aufklärungsquote bei Mord, das musste ich auch alles erst lernen, ist enorm hoch, bei über 90 Prozent. 

Die Quote der modernisierten Sendung beträgt im Schnitt 5,20 Millionen Zuschauer, der durchschnittliche Marktanteil beläuft sich auf 17,2 Prozent. Sind das Margen, die Druck und Erwartungshaltung bedeuten?

Wir haben keine Vorgaben. Es gab auch mal Zeiten, wo es nicht so gut lief - gerade am Anfang, als wir freitags noch gegen "Wer wird Millionär?" liefen. Da schwankten die Quoten und es kriselte ein wenig. Am besten läuft es heute nun auf dem Mittwoch. Und natürlich ist das für mich, das können Sie sich ja vorstellen, schon ein großer Erfolg. 

Sie haben in der übernächsten Sendung Ende November, die die dritte Sonderausgabe von "Wo ist mein Kind?" sein wird, die Österreicherin Natascha Kampusch zu Gast im Studio. Wie bereiten Sie sich auf einen solchen Gast vor?

Natascha Kampusch ist demnächst bei Rudi Cerne im Studio zu Gast.
Natascha Kampusch ist demnächst bei Rudi Cerne im Studio zu Gast.

© ZDF/Jens Hartmann

Das ist natürlich herausfordernd. Aus diesem Grund war ich nun in Wien zum Vorgespräch mit ihr. Und ich bin auch froh, dass ich das Vorgespräch geführt habe. Denn: bis so ein Eis einmal bricht, das dauert. Es ist enorm wichtig, dass man die Leute vorher kennenlernt, und dass die mich auch kennenlernen. Das Gespräch mit Natascha Kampusch war schon sehr spannend: Das ist eine intelligente junge Frau, 24, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht und sehr belesen und gut informiert ist. In Wien hat sie mir Jugendstil-Bauten gezeigt und von deren Entstehungsgeschichten erzählt. Sie wiederum wollte viel von mir über Eiskunstlauf wissen. Eine hochspannende Begegnung. 

Was bedeutet Ihnen persönlich diese Sendung - heute?

Mein Leben hat sich dadurch schon verändert. So wie auch "Holiday on Ice" mein Leben verändert hat - ich bin nämlich von jetzt auf gleich ein gut bezahlter Profi gewesen. Bis dahin war ich ein schlecht bezahlter Amateur. Bei "Aktenzeichen" ist die Veränderung nicht in diesem Sinne, dass ich sage, `Jetzt habe ich nur noch Angst´. Ich bin in der Sendung nüchterner geworden, sachlicher. Und: Ich fühle mich durch vieles, was da passiert und was wir zeigen, bestätigt. Dass mein Bestreben, vorsichtig durchs Leben zu gehen, berechtigt ist. Am Anfang hat der Anzug dieser Sendung ein bisschen gezwickt. Heute ist er auf Maß geschneidert. Er passt mir sehr gut - ich fühle mich wohl darin.

Wie sehen die Pläne von Rudi Cerne aus? Wie lange werden Sie "Aktenzeichen XY" moderieren?

Ich habe einen Einjahresvertrag. Wir denken in der Redaktion und im Sender von Jahr zu Jahr. Ich selbst denke von Sendung zu Sendung. Nach der Sendung ist vor der Sendung. Wir müssen uns jedes Mal neu beweisen.

Das Gespräch führte Thilo Wydra

- "Aktenzeichen XY … ungelöst", ZDF, Mittwoch, 31. Oktober, 20 Uhr 15

- "Aktenzeichen XY … ungelöst - Wo ist mein Kind?", ZDF, Mittwoch, 28. November, 20 Uhr 15

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