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65 Jahre "BNN" und "PNN": Günther Jauch liest mit

Gegründet als NDPD-Blatt "Brandenburgische Neueste Nachrichten", seit 1990 „Potsdamer Neueste Nachrichten": Eine Zeitreise durch 65 Jahre Zeitung.

Es hätte leicht das Ende sein können, gleich nach dem Neuanfang. Dabei hatte alles so gut begonnen im Sommer 1990 für die „Brandenburgischen Neuesten Nachrichten“ (BNN), die kleine ostdeutsche Tageszeitung aus Potsdam. Das Blatt schien den Sprung in die Meinungsfreiheit und Marktwirtschaft bewältigt zu haben. Noch vor dem 3. Oktober 1990 liefert der Heinrich-Bauer-Verlag Computer in die Redaktion in Potsdam. Bauer will dort eine Mantelredaktion aufbauen.

Doch die Pläne scheitern am Kartellamt. Das legt sein Veto ein gegen den Verkauf der „BNN“ und fünf weiterer ostdeutscher Zeitungen an Bauer: Monopolisten-Gefahr. Die „BNN“ bringt das in veritable Schwierigkeiten. Denn während die großen ehemaligen SED-Parteizeitungen von der Treuhand neu zum Verkauf ausgeschrieben werden, gilt das für die kleinen Blätter der einstigen DDR-Blockparteien nicht. Den „BNN“ fehlt von heute auf morgen ein Verleger, ein Geldgeber, ein Herausgeber. Schnell können nicht mal mehr die Briefmarken bezahlt werden, erinnert sich der damalige Geschäftsführer Detlef Gottschling. Die Insolvenz naht, auch wenn die 110 Mitarbeiter die Abo-Rechnungen persönlich austragen.

Die FDP als Zeitungsretter?

Der einzige Ausweg: Die FDP muss das Blatt retten. Die Liberalen sind plötzlich Besitzer der Zeitung – denn die DDR-Blockpartei Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD), die im August 1990 in der FDP aufgegangen ist, hat ihre „BNN“ mit in die Partei gebracht. Doch zahlen will der damalige Schatzmeister Hermann Otto Solms nicht, erinnert sich Gottschling. Da greift er zu einer Notlüge: Es gebe eine Anfrage des „Spiegel“, die Zukunft der Arbeitsplätze bei den früheren NDPD-Zeitungen betreffend. Das zieht. Die FDP zahlt die Gehälter, während Gottschling einen Käufer in Berlin findet – den Tagesspiegel.

So kann die Zeitung ihr zweites Leben doch beginnen, wenn es auch Einschnitte gibt: Außenredaktionen werden geschlossen, das Blatt erscheint nur noch in Potsdam, bekommt seinen heutigen Namen, „Potsdamer Neueste Nachrichten“ (PNN). Ab 1994 erhalten die „PNN“ die überregionale Berichterstattung des Tagesspiegels. Dabei ist es geblieben, nun können die „PNN“, gegründet am 1. Mai 1951, das 65-jährige Jubiläum begehen. Freilich nicht ohne dass sich die Frage stellt: Fast 40 Jahre Meinungsdiktat, Zensur, Regimetreue, Kritik maximal zwischen den Zeilen – soll und darf man dieses Jubiläum feiern? Ja, man muss sogar. Nur darf die Auseinandersetzung mit den Brüchen nicht fehlen. Dazu gehört auch, wie der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, Frank Bösch, ausgeleuchtet hat, dass sich in Verlag und Redaktion der „BNN“ anfangs zahlreiche Ex-NSDAP-Mitglieder fanden. Die NDPD sollte das nationale Lager in der DDR integrieren.

Zeitungen der Blockparteien in der DDR benachteiligt

Während diese Prägung mit den Jahren schwand, schuf die SED andere Hürden. Die Blockparteizeitungen waren systematisch benachteiligt – beim Papierkontingent, bei den Informationen, die erst an die SED-Blätter gingen. Den „BNN“ haftete dies noch Jahre später an. Sie berichtete „immer einen Tag später“. Auch die Auflage war gesteuert. Während die „Märkische Volksstimme“ der SED (nach 1990 „Märkische Allgemeine Zeitung“) eine Auflage von rund 350 000 Exemplaren haben durfte, waren den BNN nur 20 000 bis 29 000 Exemplare zugewiesen. Das hat das Selbstverständnis geprägt. „Die BNN zu abonnieren, war ein kleines Bekenntnis gegen die SED, wenngleich ihr Politikteil den Sozialismus pries“, sagt der Zeithistoriker Bösch. Was davon geblieben ist? Eine selbstbewusste Potsdamer Leserschaft, die großen Wert legt auf die distanzierte Haltung der Zeitung zur Obrigkeit. Eine kritische Redaktion mit dem Wissen um die Vergangenheit. Wo im Tagesspiegel Berlin im Mittelpunkt steht, berichten die „PNN“ aus Potsdam und den Nachbargemeinden aus Stadt- und Landespolitik, Kultur, Wissenschaft, Sport, Wirtschaft – viele Berichte erscheinen auch auf der Brandenburg-Seite des Tagesspiegel.

Günther Jauch, ein zwanghafter "PNN"-Leser

Im debattierfreudigen Potsdamer Kosmos wird lokaler Qualitätsjournalismus geschätzt. Auch von der Prominenz. Er sei jahrzehntelanger Abonnent und lese jeden Morgen „geradezu zwanghaft als Erstes die PNN“, schreibt Fernsehjournalist Günther Jauch in seinem Glückwunsch an die Zeitung. Die PNN sollten weiter ein „waches Auge“ auf die Stadt haben. „Denn in einem bin ich mir sicher“, so Jauch: „Potsdam würde ohne die kritische Begleitung durch die PNN heute anders aussehen – und bestimmt nicht besser !“

Am heutigen Samstag erscheint die 48-seitige PNN-Jubiläumsausgabe mit großer Potsdam-Chronik. Die Autorin dieses Textes ist Chefredakteurin der "Potsdamer Neuesten Nachrichten".

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