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Medien: 77 Nikoläuse und ein leerer Sack

Dieter Stolte war kurz angebunden: Mit einem knappen "Ja!" beantwortete der scheidende ZDF-Intendant die Frage, ob das Image des Senders durch die missglückte Wahl eines Nachfolgers Schaden genommen hätte.

Dieter Stolte war kurz angebunden: Mit einem knappen "Ja!" beantwortete der scheidende ZDF-Intendant die Frage, ob das Image des Senders durch die missglückte Wahl eines Nachfolgers Schaden genommen hätte. "Die Antwort ist nicht weiter interpretationsbedürftig", fügte er hinzu. Womit er nicht ganz Unrecht hat. Das Ergebnis des Wahlabends steht für sich: Weder die Chefin des NDR-Landesfunkhauses in Hamburg, Dagmar Reim, noch der stellvertretende ZDF-Chefredakteur und Moderator des "heute-journals", Helmut Reitze, konnte die erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit des Fernsehrats erlangen. Nach zwei Wahlgängen und langen nächtlichen Diskussionen in den beiden Freundeskreisen von Union und Sozialdemokratie wurde die Angelegenheit auf den 18. Januar verschoben.

Dennoch gaben sich Stolte und der Vorsitzende des Fernsehrates, Konrad Kraske, auf einer Pressekonferenz zuversichtlich, dass Anfang des nächsten Jahres eine Lösung gefunden wird. "In diesem Moment tagt die Arbeitsgruppe Intendantenwahl und diskutiert, was man im Januar tun kann", erklärte Kraske. Und bat zugleich die Journalisten um Verständnis: "Bitte berücksichtigen sie, dass die Wahl des ZDF-Intendanten eine Aufgabe ist, die man nicht innerhalb von fünf Stunden oder wenigen Wochen lösen kann." Mit 42 Stimmen habe Helmut Reitze zwei Mal die absolute Mehrheit erzielt und hätte damit in fast allen ARD-Anstalten die Wahl zum Intendanten gewonnen. "Das ZDF stellt mit Abstand die höchsten Ansprüche", redete Kraske das Dilemma schön.

Donnerstagabend, 21 Uhr, zückten die 77 Fernsehräte die Stimmzettel. Eine halbe Stunde später wurde den auf Abstand gehaltenen Journalisten das erste Info-Häppchen zugeworfen: Wahlgang Nummer eins endete mit 34 Stimmen für Dagmar Reim und 42 Stimmen für Helmut Reitze - ordnungsgemäß nach Freundeskreis-Zugehörigkeit. Eine Stimme blieb ungültig. "Jetzt wird es ein Nervenspiel", meinte Pressesprecher Philipp Baum. Was auch nicht wirklich eine Neuigkeit war.

Genauso wenig überraschte der Ausgang des zweiten Wahlgangs. Mit den gleichen Kandidaten. Sicher wurde er nicht in der bangen Hoffnung abgehalten, dass innerhalb einer guten Stunde genug Fernsehräte ergebnisorientiert ihre Meinung ändern. Dazu sind die politischen Lager schon zu lange zu festgefahren. So brachte die zweite Auszählung lediglich die Erkenntnis, dass ein Anhänger von Dagmar Reim jetzt auch seinen Wahlschein ausfüllen kann: Reim 35, Reitze 42. Und wieder wurde unter Schmerzen "freundesgekreist". Und diskutiert, ob heute noch weiterdiskutiert werden soll. Oder am nächsten Tag. Oder überhaupt?

Um Mitternacht war zumindest eins klar: In den nächsten Stunden werde nicht noch einmal abgestimmt. "Vor allem aus Rücksicht auf die Kandidaten", sagte Philipp Baum. Einige Stunden später sickerte durch: Die Wahl wird komplett auf das nächste Jahr verschoben. Und: Dagmar Reim hat ihre Kandidatur zurückgezogen. Helmut Reitze hingegen will weiter zur Verfügung stehen, solange er "die uneingeschränkte Unterstützung" des Unions-Freundeskreises habe. "Es kann auch das 100. Mal sein."

Konrad Kraske bestätigte diese Entscheidungen am Freitag. Neue Namen könne er noch nicht nennen. Auch NRW-Ministerpräsident Wolfang Clement (SPD), der im ZDF-Verwaltungsrat sitzt, zauberte nicht - wie versprochen - einen oder gar zwei Überraschungskandidaten hervor. Was von Ex-"Bayernkurier"-Chef Wilfried Scharnagel, der den schwarzen Freundeskreis im Fernsehrat anführt, verhöhnt wurde: "Ganze Nikolaussäcke von Kandidaten sind uns hier angekündigt worden. Doch wir haben reinschauen dürfen, und der Sack war leer."

Jutta Heess

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