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Medien: Abgedreht und abgeschoben

Harte Zeiten für deutsche TV-Serien: Wenn die Quote nicht stimmt, räumen die Sender radikal ab.

Angesichts massiver US-Konkurrenz haben es deutsche Fernsehserien schwer beim Publikum, das ist kein Geheimnis. Aber neuerdings reagieren die Sender auf schlechte Quoten immer ungeduldiger – und werfen ihre selbst produzierten Serien kurzerhand aus dem Programm. Der jüngste Fall hat sogar Branchenkenner überrascht: der plötzliche Quotentod der TV-Juristen von RTL. Nach nur einer Folge hat der Sender seine Serie „Die Anwälte“ in der vergangenen Woche aus dem Programm gestrichen. Eine Gnadenfrist gab es nicht. Der Grund: 10,7 Prozent Marktanteil in der Zuschauerzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen – erwartet hatte RTL mindestens 14 Prozent. „Wir sagen zwar nicht pauschal, dass es bei der ersten Folge gleich klappen muss mit den Quoten“, sagt Sendersprecher Claus Richter. Aber im Fall von „Die Anwälte“ habe man nach oben keine Luft mehr gesehen. Trotz intensiver Promotion hätten die Zuschauer gar nicht erst eingeschaltet, deshalb wollte RTL keine zweite oder dritte Episode mehr zeigen. Stattdessen läuft donnerstags jetzt das amerikanische Erfolgsformat „CSI“.

Über die Programmierung der restlichen sieben „Anwälte“-Folgen will man bei RTL in den nächsten Wochen entscheiden. Denkbar sei, dass die Episoden auf dem digitalen Spartensender „Passion“ ausgestrahlt oder über das Online-Portal RTLnow.de ins Internet gestellt werden. Für Darsteller Kai Wiesinger, der in „Die Anwälte“ seine erste Serienhauptrolle spielt, dürfte das ein schwacher Trost sein. „RTL gab uns überhaupt keine Chance“, sagte Wiesinger dem „Spiegel“. Ähnlich hart erwischte es beim Kölner Privatsender im letzten Jahr auch eine andere Juristenserie. Die letzte Staffel von „Die Familienanwältin“ mit Mariele Millowitsch wurde nach der zweiten Folge wegen mieser Quoten eingestellt. Seit März 2007 liegen die nicht gezeigten Episoden in den RTL-Regalen.

Den rauen Serienwind bekommen derweil auch die Produktionsfirmen zu spüren. „Man hat jetzt nur noch ein oder zwei Folgen Zeit, um die Zuschauer zu überzeugen. Das ist ungewöhnlich und neu“, sagt Michael Lehmann, der als Geschäftsführer und Produzent bei „Studio Hamburg“ verantwortlich ist für die Produktion von „Die Anwälte“. Nicht nur für Hauptdarsteller wie Kai Wiesinger, auch für die Produzenten entstehe immer ein emotionaler Schaden, wenn Serien plötzlich eingestellt würden. Das finanzielle Risiko tragen indes nicht die Produktionsfirmen, sondern die Sender, die in der Regel ganze Staffeln in Auftrag geben und einkaufen. Die Sender lassen sich dabei derzeit auf ein Vabanquespiel ein, sagt Kristina Faßler, Sprecherin von Sat 1. Trotzdem will man bei Sat1 nicht ganz so radikal mit schwächelnden Eigenproduktionen umgehen wie bei RTL. „Manchmal muss man erst eine Durststrecke überwinden und eine Serie eine Weile spielen, damit sie Erfolg hat.“ So habe die Sat -1-Serie „GSG 9“ letztes Jahr nach einem schwachen Start noch beachtliche Quoten erzielt. Auch die Zuschauerzahlen des heute hochgelobten „Dr. House“ waren beim Deutschlandstart 2006 völlig enttäuschend. Heute ist die Serie ein Renner bei der jungen Zielgruppe von RTL.

Dass man mit Geduld im Seriengeschäft durchaus Erfolg haben kann, bestätigt auch „Studio Hamburg“-Produzent Michael Lehmann. Mit einer Laufzeit von acht oder zehn Folgen erziele man meist keine Quotensteigerung. „Wenn eine Serie aber auf 25 Folgen angelegt ist, dann lässt sich der Zuschauer viel leichter anfixen“, sagt Lehmann.

Mit Geduld versuchte man es auch bei der Sat-1-Krimi-Serie „Deadline“. Trotz magerer Quoten ließ der Sender die Serie neun Folgen lang laufen. Als die Zuschauerzahlen nicht anstiegen, wurde „Deadline“ im Januar aus dem Programm genommen. Drei Episoden sind noch nicht ausgestrahlt. In einem „konkurrenzärmeren Umfeld“, also auf einem späteren Sendeplatz, soll „Deadline“ demnächst zu Ende gezeigt werden.

Die Comedy-Serie „iTeam“ mit Sky du Mont flog bei Sat 1 nach zwei Folgen aus dem Programm. Unzufrieden war man beim Berliner Privatsender auch über die Quoten der Krimiserie „RIS – Die Sprache der Toten“. Seit Mitte 2007 wurde „RIS“ zweimal auf einen späteren Sendeplatz verschoben, jetzt läuft die Serie donnerstags um 23 Uhr 15. Davor zeigt Sat1 die US-Serien „Navy CIS“ und „E-Ring“. Die amerikanische Konkurrenz hat das Quotenrennen offensichtlich gewonnen. „In der Primetime gibt es eine hohe Affinität zu US-Ware, dagegen hat es die deutsche Serie momentan richtig schwer“, sagt Kristina Faßler. Aber auch US-Serien sind vor dem plötzlichen Serientod nicht gefeit. Mit den Lizenzverträgen für die US-Produktionen gehen die Verwertungsrechte komplett an die deutschen Sender, was bedeutet, dass diese die Serien ausstrahlen können, wann und wie lange sie wollen. Siehe „Nip/Tuck“, eine Satire um Schönheitschirurgie auf Pro 7. Schwestersender Sat 1 hat das Format jetzt für den späten Montagabend übernommen. Trotzdem sind solche Programmänderungen eine Ausnahme. Akut gefährdet sind fast nur einheimische Produkte, Experten sprechen derzeit von einer „Krise der deutschen Serie“ – vor allem bei den Privatsendern.

Die Öffentlich-Rechtlichen reagieren weniger empfindlich auf den Quotendruck. Mäßig erfolgreiche Serien kurzfristig abzuservieren, das sei bei ARD und ZDF unüblich, sagt Lars Jacob, Sprecher des Ersten Programms. Was produziert wird, werde normalerweise auch gezeigt. „Schließlich finanzieren wir unsere Eigenproduktionen mit den Gebührengeldern der Zuschauer. Diese Sendungen können dann nicht einfach in der Mülltonne landen.“

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