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Medien: Aktion sauberer Hinterhof

Die ARD beschließt ein umfassendes Programm gegen Schleichwerbung

Die ARD will künftig gegen Schleichwerbung deutlich härter durchgreifen. Zu dem jetzt beschlossenen Maßnahmenpaket der ARD-Intendanten gehören unter anderem die Präzisierung von Produktionsverträgen, die Einführung einer Programmbeobachtung und weitere Schritte zur Trennung von Werbung und Programm. Den Katalog wollen alle Landesrundfunkanstalten in ihren Bereichen umsetzen. Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber erklärte, damit habe die ARD „die richtigen Schlüsse aus den Vorfällen bei der Bavaria und ihren Tochterunternehmen gezogen. Wir haben aufgeklärt und konsequent gehandelt.“ Oberstes Ziel der ARD sei es, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Programms unter allen Umständen sicher zu stellen.

Eine eigens eingerichtete „Clearingstelle“ unter dem Vorsitz des SWR-Justiziars Hermann Eicher hat in den vergangenen Wochen die Maßnahmen festgelegt und eine Dokumentation der aufgeklärten Fälle vorgelegt. Der Bericht der „Clearingstelle“ dokumentiert illegale Produkt- und Themenplacements in den Serien „Marienhof“, „In aller Freundschaft“, „Fabrixx“, „Fahnder“, einigen „Tatort“-Produktionen, aber auch in dem Fernsehfilm „Ich will laufen“.

Laut Bericht hat es diese Formen von Schleichwerbung im ARD-Programm „nur bei Auftragsproduktionen“ gegeben. SWR-Intendant Peter Voß leitete daraus ab, die ARD sei „nicht Täter, sondern Opfer“. Nach ARD-Angaben enthielten zukünftige Verträge über Auftragsproduktionen die Garantie, dass keinerlei finanzielle Zuwendungen oder geldwerte Vorteile Dritter im Spiel seien; andernfalls drohten empfindliche Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüche.

Zudem hat die ARD eine intensivere Programmbeobachtung beschlossen. Bei der WDR mediagroup sei eine so genannte „Programmbeobachtungsstelle“ eingerichtet worden, die alle Vorabendsendungen nach Schleichwerbung durchsuchen und die zuständigen Redaktionen über Verdachtsmomente aufklären soll.

Die Regeln für Produktionshilfen wurden gleichfalls verschärft. Zwar blieben die Beistellungen technischer Art (zum Beispiel Fahrzeuge, Gebäude, Strom), die die Kosten senken können, erlaubt, doch soll auch hierbei künftig strenger auf journalistische Unabhängigkeit geachtet werden. Nach Recherchen von epd medien waren zuletzt Produktionskostenzuschüsse von Fremdenverkehrsverbänden in Höhe von 360 000 Euro für die Sendung „Kein schöner Land“ aufgefallen. Künftig gilt der Grundsatz: Redaktionelle Entscheidungen müssen kommerzielle Interessen ausstechen. Geld darf auf keinen Fall fließen,

Abgeschafft werden Musik-Placements, jedenfalls soweit die ARD oder ihre Töchter an einem dadurch gesteigerten CD-Absatz beteiligt waren. In der Serie „Marienhof“ waren auf Wunsch der Musikindustrie regelmäßig junge Popbands promotet worden. Die ARD-Werbegesellschaften verdienten hinterher an den Merchandising-Erlösen mit. Dies wird gestoppt.

Das Großreinemachen bei der ARD schließt auch die EU-Kommission mit ein. Diese wolle, sagte Voß, Product Placement bei den kommerziellen Anbietern liberalisieren, nicht aber bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Voß, ganz streng: Schleichwerbung sei abzulehnen, egal, wer sie mache; sie sei Betrug am Zuschauer und auch gegenüber dem normalen Werbekunden nicht in Ordnung.

Die ARD verschiebt ihre angekündigte Verfassungsbeschwerde gegen das jüngste Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren. „Wir sehen ein, dass die politisch Verantwortlichen wegen der Bundestagswahl im Moment keine Zeit haben, sich detailliert mit dieser Frage zu befassen“, sagte der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber. Man wolle deshalb die Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten im Oktober nicht durch eine Klage belasten. Bis zu diesem Zeitpunkt müssten sich allerdings „konkrete Anhaltspunkte“ für das Gelingen einer außergerichtlichen Lösung ergeben haben, erklärte Gruber weiter. Anderenfalls müsse die ARD klagen.

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