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Einsatzzentrale: Yvonne (Alice Dwyer) und Mann (Johann von Bülow).

© ZDF und Christiane Pausch

Alice Dwyer im Porträt: Kumpel & Femme fatale

Grüblerische Figuren mit präziser Mimik: Die rätselhaft erotische Melancholie der Berlinerin Alice Dwyer hebt Serien auf ein höheres Niveau.

Schwarz ist keine Farbe, Schwarz ist ein Statement. Es sei zwar „hart für den Teint“, meint mit Karl Lagerfeld ein fanatischer Freund des gedeckten Kolorits. Doch Coco Chanel wusste genau: „Schwarz geht immer!“ Nun ist nicht auszumachen, bei welchem der Modegötter Alice Dwyer Inspiration gefunden hatte, als sie sich entschloss, Farbe zu meiden. Doch sobald die Schauspielerin wie so oft schwarz gekleidet vor die Kamera tritt, taucht sie alles in ein vielsagendes, undurchsichtiges, melancholisches Dunkel, bis ihre Eleganz vom ganzen Set Besitz ergriffen hat. Es ist zum Niederknien.

Umso überraschter fährt man als Zuschauer hoch, wenn die rätselhafteste Darstellerin der deutschen Fernsehgegenwart heute den Bildschirm in knallroten Stilettos betritt und fünf Tage drauf im schneeweißen Mantel. Ersteres eröffnet den neuen Samstagskrimi des ZDF, Letzteres den neuen Donnerstagskrimi der ARD. Und weil beide Reihen eher biedere Varianten öffentlich-rechtlicher Verbrecherjagden sind, dürfen sich die Sender glücklich schätzen, dass Alice Dwyer ihr telegenes Mysterium für Durchschnittsunterhaltung hergibt.

In „Herr und Frau Bulle“ spielt die Berlinerin eine zutiefst bauchgesteuerte Kommissarin, die mit ihrem äußerst pedantischen Mann (Johann von Bülow) Ritualmorde vor der eigenen Haustür aufklärt. Im „Amsterdam-Krimi“ spielt die Endzwanzigerin eine verdeckte Ermittlerin, deren radikal älterer Kollege und Lover (Hannes Jaenicke) mit ihrer Hilfe ein holländisches Drogensyndikat sprengt.

Leicht schüchtern zwar, aber berlinerisch offen

Während das ZDF nach dem missratenen Drehbuch von Axel Hildebrandt versucht, dramaturgische Magerkost mit drolliger Heiterkeit aufzupeppen, rührt Peter Koller der unglaubwürdigen ARD-Story einer Polizistin, die sich ins Bett und Herz von Sascha Alexander Gersak als Gangster schmuggelt, etwas Würze ins fade Thriller-Allerlei.

Was mehr in die Hose geht, ist Ansichtssache. Weniger Interpretationsspielraum lässt die Leistung der Hauptdarstellerin. Seit sie vier Jahre nach ihrem Filmdebüt, für das sich die Tochter einer neuseeländischen Künstlerin eigenständig beworben hatte, mit 14 die Hauptrolle in Philipp Stölzs Lolita-Stoff „Baby“ übernahm, ist die rätselhaft-schöne Dwyer auf grüblerische Figuren mit präziser Mimik gebucht.

Wie ihr Mann Sabin Tambrea oft passend zum dunklen Haar kostümiert, setzt ihre leicht sperrige Schönheit selbst in polyesterbuntem Historytainment wie „Starfighter“ und „Honigfrauen“ Kontraste zur Effekthascherei ringsum. Und anders als ihre zwei neuen Krimis anfangs suggerieren, bleibt sie dem Hang zur farblich untermalten Melancholie auch hier treu.

Unter den schlichten Episodentiteln „Tod im Kiez“ und „Tod in der Prinzengracht“ koloriert ihr modischer Existenzialismus erneut eine Aura reservierter Erotik, die nur deshalb nicht vollends zur Femme fatale neigt, weil etwas Kumpelhaftes aus dem strahlenden Blau ihrer Augen blinzelt. „Es stimmt, dass ich nicht unbedingt auf die quirligen Parts abonniert bin“, sagt sie. „Aber ich freue mich über jede weitere Facette.“ Eine Krimi-Komödie bietet selbst dann Entwicklungschancen, wenn sie so bieder wie „Herr und Frau Bulle“ daherkommt.

Denn natürlich ist Alice Dwyer gar nicht so. Privat eher fröhlich, leicht schüchtern zwar, aber berlinerisch offen, taugt sie allenfalls fiktional zur Femme fatale. Von der Diva, die manche in ihr sehen, ganz zu schweigen. Dass sie innerhalb einer Woche zweimal die Hauptrolle einer Primetime-Produktion spielt, lässt ihre Eitelkeit recht kalt. Jetzt sei „der Abstand bis zur nächsten Ausstrahlung größer“, sagt sie mit entspannter Lässigkeit. Die Stimme wirkt dabei so dunkel wie alles an diesem Lichtblick der hiesigen Fernsehlandschaft.

„Herr und Frau Bulle“, Samstag, ZDF, 20 Uhr 15

Jan Freitag

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