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Medien: Alles auf Anfang

„Spiegel“-Eigentümer vertrauen der Kompetenz von Aust – die Mitarbeiter misstrauen ihren Vertretern

Selten wurde das Ergebnis einer Gesellschafterversammlung des Spiegel-Verlags derart gespannt erwartet. Und es ließ am gestrigen Mittwoch lange auf sich warten. Der Termin stand seit Wochen und wäre unspektakulär gewesen. Es sollte über Projekte im In- und Ausland diskutiert, die Umsatz- und Erlössituation erläutert und das Ergebnis des Geschäftsjahres prognostiziert werden. Dem Termin hätten alle Beteiligten entspannt entgegensehen können. Wirtschaftlich läuft es beim Spiegel-Verlag nicht übel. Die Vertriebserlöse steigen dank der Heftpreiserhöhung, das Anzeigengeschäft läuft mit Blick auf das Konkurrenzumfeld beachtlich gut, Umsatz und Gewinn steigen, mit dem Kunstmagazin „Monopol“ winkt eine Akquisemöglichkeit, es gibt Vorschläge zur Entwicklung neuer Magazine. Alles kein Grund zur Aufregung, wären da nicht diese unplanmäßigen und ungeordnet geführten Diskussionen.

Begonnen hatte der Streit, als die mit 50,5 Prozent am Verlag beteiligte Mitarbeiter KG unter „Sonstiges“ den Tagesordnungspunkt „Politische Berichterstattung“ auf die Liste für die Gesellschafterversammlung gesetzt hatte. Es folgte Kritik an Inhalten und Qualität. Seinen Höhepunkt erfuhr der Streit vergangene Woche, als die „Spiegel“-Erbin Franziska Augstein ihre Vorwürfe an der Person von „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust festmachte: „Der Fisch stinkt vom Kopf“. Das vorläufige Ende fand die Debatte am Freitagabend, als sich die Gesellschafter Gruner + Jahr und Mitarbeiter KG schützend vor den Chefredakteur stellten und Kritik am „Spiegel“ zurückwiesen. Dasselbe taten die Ressortleiter. Zurück blieben zwei Sündenböcke: Franziska Augstein, die als unfähig und emotional verwirrt verurteilt wurde, und Thomas Darnstädt, Sprecher der Mitarbeiter KG. Das Ende schien trügerisch. Konnte die Eskalation verhindert oder nur verzögert werden?

Am Montag plädierte der sonst nicht als diskussionsfreudig bekannte Aust in der Redaktionskonferenz dafür, eine lebendigere Diskussionskultur zu pflegen. Am Mittwoch um elf Uhr war es so weit. Die Gesellschafter versammelten sich. Es dauerte. Kurz vor 17 Uhr erklärten sie in dürren Zeilen: „Alle Gesellschafter des Spiegel-Verlages haben auf ihrer heutigen Versammlung die öffentliche Kritik am ,Spiegel’, seiner Redaktion und seinem Chefredakteur zurückgewiesen. Das Vertrauen in die Kompetenz der Redaktion und des Chefredakteurs ist durch die Diskussion aus Sicht der Gesellschafter in keiner Weise in Frage gestellt.“

Im Vorfeld der Mitarbeiterversammlung, die im Anschluss an die der Gesellschafter in der Kantine stattfand, wurde die Möglichkeit diskutiert, die Vertreter der Mitarbeiter KG neu zu wählen. Zwei Fraktionen zeichneten sich ab. Jene, die Darnstädt als einen der wenigen betrachten, die sich Aust widersetzen. Darnstädt hatte zuletzt versucht zurückzurudern und gab dabei keine glückliche Figur ab. Die andere Fraktion ist verärgert über sein Verhalten. Sie splittet sich in jene, die seiner Meinung sind, seine Strategie jedoch als ungeschickt und undiplomatisch empfinden. Die anderen verurteilen ihn als ruf- und geschäftsschädigend und fordern eine Neuwahl.

Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte die Versammlung noch an.

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