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Allround-Talent: Visionäres Machwerk: Christian Anders bittet ins „Liebescamp“

Bekannt wurde er mit dem Hit "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo". Mit dem Film "Die Todesgöttin des Liebescamp" zeigt Christian Anders, was noch in ihm steckt - als Darsteller, Regisseur, Drehbuch-Schreiber und Produzent. Nun ist der Film auf Arte zu sehen.

Sein Haar ist wallend, das Gesicht wettergegerbt und sein Gewand erinnert an eine Tunika aus den besten Tagen des Römischen Weltreichs. Er predigt auf Marktplätzen und an Stränden, vor Anzugträgern und Menschen in Badehose. Seine Botschaft ist so schlicht wie allumfassend: „Folgt mir zur Göttin des Lichts, kommt in unser Liebescamp, dort herrschen Frieden, Eintracht und Harmonie.“

In Wirklichkeit ist dieser Menschenfischer vor allem ein Klein- und Großgeldangler, der Ersatzjesus entpuppt sich als falscher Apostel. In seiner Sekte regieren Angst und Terror, wer sich den „Kindern des Lichts“ anschließt, wird zur Prostitution gezwungen. Und lebend führt kein Weg heraus aus der Hippie-Kommune. Dargestellt wird der Eiferer von Christian Anders, der in seiner inzwischen 65-jährigen irdischen Laufbahn selber mehrere interessante Inkarnationen durchlaufen hat: vom Münchner Karatelehrer über den Schlagerstar mit Hits wie „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ zum Esoterik-Guru namens „Lanoo“ und wieder zurück zum nun in Berlin ansässigen Sänger, der mit Techno-Versionen seiner alten Songs die Großraumdiskotheken beschallt.

„Die Todesgöttin des Liebescamps“ heißt sein Film aus dem Jahr 1981, den Arte am Freitag erstmals im Fernsehen zeigt. Es handelt sich um eines der krudesten Machwerke der deutschen Kinogeschichte, bei dem der Musiker nicht nur Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller war, sondern auch Drehbuch und Soundtrack lieferte. „Peace can be yours / If you give yourself to love“, gospelt er mit glockenheller Stimme im Vorspann, später bollern Discobeats, wenn nackte Sektenabtrünnige ausgepeitscht werden oder – Gottogott! – bei einer zeremoniellen Defloration Blut auf die Fliesen tropft. „Unterste Schublade“, urteilt eine Programmzeitschrift. Ein britischer Kommentator schwärmt hingegen auf der Kino-Website IMDb: „Im Film steckt so viel Irrsinn, dass es unmöglich ist, ihn nicht zu genießen.“

Dass die „Todesgöttin“ im angloamerikanischen Raum einen gewissen Kultstatus genießt, liegt an an einer größeren Aufgeschlossenheit für die Qualitäten des Trashfilms dort – und an der Titelheldin. Die indonesische Schauspielerin Laura Gemser war als „Black Emanuelle“ zur Softporno-Königin der siebziger Jahre aufgestiegen. In den USA kam der Film unter dem Titel „Divine Emanuelle“ heraus, um an den Erfolg der Kinoreihe anzuknüpfen.

Entstanden ist die „Todesgöttin“ auf Zypern, die Dreharbeiten zogen sich über zwei Monate hin, weil die Obrigkeit immer wieder Anstoß nahm an der Nacktheit der Nebendarsteller. „Nicht mein größtes Werk, eher ein Regieversuch“, sagt Christian Anders heute. Der Dreh war teuer, auch weil am Ende der „Tempel der Göttlichen“ in die Luft gejagt wurde. Anders steckte 1,5 Millionen Mark in die Produktion. „Es war der Anfang meines Ruins.“ Der Film war – unfreiwillig – visionär. Sein Ende nahm den Massenselbstmord der amerikanischen Davidianer-Sekte vorweg. Deren Gründer David Koresh spielte sogar mit, in einer winzigen Rolle. Christian Schröder

„Die Todesgöttin des Liebescamps“,

0 Uhr 40, Arte

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