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Adolf Sauerland.

© dpa

Angriff auf Pressefreiheit: Heute keine Xtranews

Die Stadt Duisburg hat ein Blog verklagt, weil es Unterlagen zum Unglück bei der Loveparade veröffentlicht hat. Die Internetgemeinschaft reagierte prompt; die Verbreitung der Unterlagen scheint nicht mehr aufzuhalten.

Das Extrablatt am Mittwochmorgen fiel aus. Das Internetblog Xtranews.de, das sonst auf rund 2000 Nutzer pro Tag kommt, brach unter der Vielzahl der Abrufe zusammen. Zuvor war bekannt geworden war, dass die Stadt Duisburg und ihr Oberbürgermeister Adolf Sauerland der Internetseite per einstweiliger Verfügung untersagt hat, Unterlagen zur Loveparade-Katastrophe vor dreieinhalb Wochen zu veröffentlichen. Bei Zuwiderhandlung drohen 250 000 Euro Strafe. Doch nichts bringt die Internet-Community so sehr auf wie echte oder vermeintliche Angriffe auf die Meinungsfreiheit im Netz. „Adolf Sauerland gibt sich als ,Aufklärer der Nation‘. Wenn er nun die Aufklärung verhindern lässt, ist das ein Widerspruch in sich“, sagte Blogbetreiber Thomas Rodenbücher dem Tagesspiegel und kündigte an, gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln juristisch vorzugehen. Unterdessen fand der Xtranews-Bericht mitsamt der 43 Anlagen fast so schnell wie seinerzeit der Lewinsky-Report den Weg zu anderen Internetblogs. Dort kann man sie nun direkt abrufen oder den Links zu anderen Fundstellen folgen. Der Landesverband Brandenburg des Deutschen Journalisten-Verbandes entschied sich ebenfalls für den zivilen Ungehorsam und macht die Unterlagen „einer breiten Öffentlichkeit“ zugänglich. „Es ist unerhört, die Berichterstattung mit überzogenen Maßnahmen zu behindern. Herr Sauerland verkennt, dass wir uns hier in Deutschland und noch nicht in China befinden“, begründet der DJV sein Handeln.

„Wegen des hohen öffentlichen Interesses“ hatte die Stadt Duisburg den Zwischenbericht „über die Zuständigkeiten und die Aufgabenerfüllung der Stadt Duisburg im Zusammenhang mit der Love Parade 2010“ der Düsseldorfer Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek – die für die Kommune auch schon zu anderen Gelegenheiten tätig wurde – bereits selbst auf ihrer offiziellen Internetseite veröffentlicht. Die Kanzlei sollte darin unter anderem prüfen, ob städtische Mitarbeiter „pflichtwidrig gehandelt“ oder „gegen rechtliche Vorschriften verstoßen haben“. Für beides fand die Kanzlei keine Hinweise. Wohl aber dafür, „dass Dritte gegen Vorgaben und Auflagen der Genehmigungen der Stadt Duisburg verstoßen haben“. Das Gutachten wurde dem Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages am 4. August vorgelegt, auch die Staatsanwaltschaft hat eine Kopie erhalten, genauso wie die Ratsmitglieder von Duisburg. Die 30-seitige PDF-Fassung auf der Webseite hat jedoch einen entscheidenden Mangel: es fehlen sämtliche Anlagen – die bis Dienstagnachmittag bei Xtranews nachzulesen waren. Die einstweilige Verfügung wurde laut Xtranews übrigens ebenfalls von der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek erwirkt. Interessant ist aber auch die Begründung für die Klage. Die Veröffentlichung der Anlagen stelle eine Verletzung des Urheberrechts dar, machten die Anwälte geltend. Wobei noch zu prüfen sein wird, ob dies auch für die Dokumente mit Titeln wie „Maßnahen der Polizei“, „Lopavent Besucherprognose“, „Karte der Zulaufwege“ oder „Anwohnerberichte“ gilt. Unter Bloggern wird vermutet, dass das juristische Mittel des Urheberrechts eingesetzt wurde, um die Betreiber von Xtranews weich zu klopfen. In der Regel decken Rechtsschutzversicherungen diesen Tatbestand nämlich nicht ab, schreibt Xtranews-Mitbetreiber Stefan Meiners. Mit einer Spendenaktion will Xtranews die benötigten Mitel für einen Rechtsstreit zusammen bekommen. Am Mittwochnachmittag kapitulierte Duisburg: Die Verbreitung der Dokumente sei nicht mehr zu unterbinden. Die Stadt wolle gegen die Veröffentlichung keine weiteren juristischen Schritte unternehmen, so ein Sprecher. Kurt Sagatz

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