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Bei Anne Will wurde am Mittwoch über Flüchtlingspolitik diskutiert.

© picture alliance / dpa

Anne Will: Ist Deutschlands Flüchtlingspolitik unmenschlich?

Die Begegnung zwischen der Kanzlerin und dem Flüchtlingsmädchen Reem hat weit über Deutschland hinaus Aufsehen erregt. Anne Will nimmt den Fall zum Anlass für eine Grundsatzdebatte zur deutschen Flüchtlingspolitik.

Die Regel gilt in Zeitungen, in Magazinen und im Fernsehen. Probleme  anhand von Personen aufzeigen. Personalisieren. Kalte Zahlen und staubige Thesen werden zu konkreten Schicksalen. Das wird lieber gelesen und auch lieber angeschaut. Klar, dass die emotionale Begegnung zwischen der Bundeskanzlerin und dem 14-jährigen Palästinensermädchen Reem es bei „Anne Will“ bis in die Titelzeile geschafft hat: „Merkel und das Flüchtlingsmädchen“. Dazu Verallgemeinerung und Gefühlsbetontes  – „Ist Deutschland zu unbarmherzig?“ – fertig ist ein neues Outfit für eine schon oft geführte Debatte.

Ist das Asylrecht hier unmenschlich? Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz? Versteckt sich Deutschland hinter dem Dubliner Übereinkommen? Hat Europa bei der Flüchtlingspolitik seine humanitären Grundsätze über Bord geworfen?

Übrigens, Reem wird am Anfang der Sendung verbal ziemlich lieblos und kurz abgehandelt. Erst nach knapp 38 Minuten gibt es Ausschnitte aus dem bekannten Video. Vorher muss Thomas Kreuzer, Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, das bayerische Asyl-Konzept vortragen und verteidigen. Kreuzer ist Politiker und Jurist. Sein Vortrag technokratisch, bürokratisch und unpersönlich. Bayern plant für Flüchtlinge ohne große Bleibeperspektive spezielle Aufnahmezentren. Und die Anträge sollen im Schnellverfahren entschieden werden.

Anne Will-Talk: Göring-Eckardt kritisiert Versagen der Länder

Gute Möglichkeit für Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionsvorsitzende, das Ganze wieder in rührseliges Fahrwasser zu transportieren. Sie sieht das nur als Versuch, Balkanflüchtlinge abzuschrecken. Sie ist aber auch für beschleunigte Verfahren. Warum beschleunigte Verfahren gut, aber Schnellverfahren schlecht sind, kann sie auch nicht so richtig auflösen. Dann geht’s darum, ob die steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern die Länder und Gemeinden überrascht hätten oder nicht? Göring-Eckardt sieht da ein klares Versagen der Länder, die nicht von den Grünen mitregiert werden.

Armin Laschet, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, sieht das natürlich ganz anders. In den Zeiten, als die Flüchtlingszahlen sehr gering waren, wurden leerstehende Einrichtungen auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes geschlossen. Für Elias Bierdel,Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation „Borderline Europe“ ist das nur eine fadenscheinige Ausrede. Für so etwas Wichtiges wie die Flüchtlingspolitik kann deutsches Recht schon freier interpretiert werden.

Anne Will moderiert kompetent und mit Detailwissen

Ganz chauvinistisch wird Bierdel, als es um den europäischen Umgang mit Flüchtlingen geht. Laschet beklagt, dass es keine gesamteuropäische Institution für das Problem gibt. 28 Nationalstaaten, die oft nur einen faulen Kompromiss finden. England, Spanien, Portugal und die osteuropäischen Länder sind gegen Verteilungsquoten für Flüchtlinge. Für Bierdel ein Unding: „Seit wann scheitern wir denn daran, dass irgendwo in Slowakien jemand noch nicht so richtig mitzieht. Das haben wir doch noch nie gehabt.“ Abgesehen davon, dass Slowakien eigentlich Slowakei heißt, stören Bierdel Länder, die nicht so denken und handeln wie er, bei demokratischen Meinungsbildungs-Prozessen.

Zum Schluss fordert Göring-Eckardt ein Einwanderungsgesetz. Laschet erklärt, das gebe es schon längst. Aber er gesteht ein, dass das Regelwerk, typisch deutsch, unverständlich, umständlich, hyperkorrekt sei.

Anne Will moderiert kompetent und mit Detailwissen. Trotzdem nichts Neues an der Flüchtlingsfront. Mit der expressiven Titelgebung ist aber der Weg frei, für ganz neue Talkrunden: „Söder und sein grüner Trachtenanzug – Ist Deutschland farbenblind?“

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