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Beleidigt fühlen sich sechs Griechen vom „Focus“-Titel, der im Februar 2010 erschienen ist. Sie haben Klage gegen Herausgeber Helmut Markwort eingereicht.

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Aphrodites Fingerzeig: Griechen verklagen Focus-Journalisten

Gegen deutsche Journalisten wird wegen einer umstrittenen "Focus"-Titelgeschichte in Griechenland ermittelt. Hauptbeschuldigter ist Herausgeber Helmut Markwort

Die Story, mit der das Nachrichtenmagazin „Focus“ am 22. Februar 2010 an die Kioske kam, wird womöglich ein Nachspiel haben: „Betrüger in der Euro-Familie“ lautete die Überschrift – gemeint waren die Griechen. Das Titelbild des Blatts aus dem Hubert Burda Verlag zeigte eine Fotomontage: die Statue der Aphrodite von Milos, die ihren rechten Mittelfinger zu dem ausstreckt, was man umgangssprachlich den „Stinkefinger“ nennt – eine Geste, die offenbar sagen sollte: Europa kann mich mal ...

Doch wer wen was kann, wird sich am 29. Juni vor dem Athener Landgericht zeigen. Hier sollen die Journalisten, die an der umstrittenen Titelgeschichte des Magazins beteiligt waren, Staatsanwältin Ourania Stathea Rede und Antwort stehen. Hauptbeschuldigter ist „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort („Fakten, Fakten, Fakten“), der bis Herbst 2010 auch Chefredakteur des Magazins war. Gegen ihn sowie neun Redakteure und Mitarbeiter des Magazins ermittelt die griechische Staatsanwaltschaft wegen Verleumdung, übler Nachrede und Verunglimpfung der Symbole des griechischen Staates. Darauf stehen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren.

Erstattet wurde die Strafanzeige von sechs Griechen, die die Geschichte offenbar nicht auf sich sitzen lassen wollen. Sie ist zu einer Zeit erschienen, als sich die griechische Schuldenkrise in ihren Ausmaßen abzeichnete – einschließlich der seit Jahren frisierten Athener Bilanzen. Der „Focus“ schrieb über „2000 Jahre Niedergang“, „von der Wiege zum Hinterhof Europas“, weiter hieß es: „Griechenlands Abstieg ist beispiellos.“ Es wurde berichtet von griechischen Ingenieuren, die von zwei Seiten einen Tunnel graben, um sich in der Mitte um 35 Meter zu verfehlen, hellenischen Fährschiff-Kapitänen, die laut „Focus“ wie Odysseus ziellos auf dem Meer umherirren, griechischen Küchenchefs, um deren Gerichte „Feinschmecker einen weiten Bogen machen“ – der Verfall sei „allgegenwärtig“.

Die Story enthalte unwahre und beleidigende Behauptungen, die sie als Teil des griechischen Volkes in ihren Rechten verletzten. Das sagen die sechs Griechen, die die Strafanzeige gestellt haben.

Doch Helmut Markwort will bisher nichts von der Anzeige wissen. „Ich habe keine Ladung vom Gericht und auch keine Anklageschrift erhalten“, sagt er. Nach seiner Ansicht gebe es für die Strafanzeige auch keinen Grund: „Ich habe ein gutes Gewissen, denn ich habe nur meine journalistische Pflicht getan.“ Allerdings erinnert er sich, dass die Geschichte damals viele Griechen empört habe, zahlreiche Leserbriefe seien in der Redaktion eingetroffen. Einige Verfasser hätten darin gedroht, Strafanzeige zu erstatten.

Markwort bleibt jedoch gelassen. „Ich bin nicht auf der Flucht und fürchte auch nicht, ins Gefängnis wandern zu müssen“, sagte er. Ohnehin sei er ein großer Freund Griechenlands, er habe sogar das große Graecum. Den Fall prüfen lassen wolle er von den Anwälten des Magazins erst, wenn er eine offizielle Ladung und eine Anklageschrift erhalte.

Doch haben es die Kläger nicht allein auf Markwort und die neun „Focus“-Autoren abgesehen. In ihr Visier geraten ist auch ein ausgewiesener Freund der Griechen: der Autor Klaus Bötig, der seit 35 Jahren wohlwollend über Land und Leute schreibt, weshalb er sogar Ehrenbürger der griechischen Inselgemeinde Kos ist. Zeitnah hatte Bötig zu dem „Focus“-Titel auf der Website des Magazins eine Tourismusgeschichte zu Griechenland verfasst. Dass er darin die Griechen liebevoll als „sympathisches Völkchen“ bezeichnete, könnte ihm nun zum Verhängnis werden: Die Kläger fühlen sich durch die Verkleinerungsform in ihrer Ehre verletzt. Warum sich die Kläger nur am „Focus“ und nicht auch an der „Bild“-Zeitung stören, die wochenlang eine Griechenland-Kampagne gefahren hatte („von uns griecht ihr nix“), ist nicht bekannt.

Während Markwort noch keine Vorladung erhalten hat, ist Klaus Bötig eine Ladung im Rechtshilfeverfahren vom Leitenden Oberstaatsanwalt der Hansestadt Bremen zugestellt worden. Er ist aber noch unschlüssig, ob er sich am 29. Juni tatsächlich in Athen beim Landgericht einfinden wird. Er will erst einmal herausfinden, ob in Griechenland womöglich bereits ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt.

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