zum Hauptinhalt
321070_0_18c3e804.jpg

© ARD

ARD-Film: Senioren-Casting

In „Spätzünder“ rocken Joachim Fuchsberger und Jan Josef Liefers ein Altenheim. Mit schwarzem Humor hält sich Regisseur Wolfgang Nurnberger auffallend zurück.

Das Vorsingen ist fast eine Freakshow. Zittrig steht die Alte im Nachthemd in der Garage und singt mit Inbrunst Kinderlieder. Andere versuchen es mit „Die Gedanken sind frei“, einer Trommelnummer oder einem Tänzchen ohne Krücken. Weder die stille Geigerin, die früher bei den Philharmonikern spielte, noch die flotte Sissi mit Fistelstimme sind auf den ersten Blick ideale Bandmitglieder. Ihr Pop-Horizont blieb bei den Beatles stehen. Und doch werden die Alten am Ende mit ihrer Coverversion von „Life is Life“ einen ganzen Jugendclub zum Toben bringen – und den ersten Preis beim Wettbewerb gewinnen.

Neuer Mut fürs Altersheim, fürs Abschiebeheim. Widerstandspotenzial ist genug da, wenn Joachim Fuchsberger, Hans-Michael Rehberg und Michael Schönborn aufeinandertreffen, heimlich in der Toilette rauchen, Alkohol ins Heim schmuggeln und beim Frühstück anzügliche Bemerkungen machen, sobald sich die Neue (Bibiana Zeller) an den Nachbartisch gesetzt hat. Von der Renitenz der vergnügten Alten, ihrem Esprit und Lebensmut lebt die Geschichte im ARD-Film „Die Spätzünder“, auch wenn das Drehbuch (Uli Brée) sich alle Mühe gibt, sein Personal als Freaks zu denunzieren.

Willkommen im Tollhaus: Um die Altershölle der Abgeschobenen eindringlich zu schildern, hat die SWR/ORF-Koproduktion so ziemlich alles aufgeboten. Eine eiskalte Heimleiterin (Petra Morzé), die Musik, Radio, Alkohol und Zigaretten verbietet und am liebsten Friedhofsruhe hätte, dazu bullige Pfleger, die den Alten mit Gewalt ruhigstellende Pillen einflößen und ihnen vorgaukeln, sie seien die Chefs in einem Büro, und im Hintergrund hartherzige Kinder, die den alten Eltern, kaum dass sie sich die Hüfte gebrochen haben, das Mobiliar auf die Straße stellen, bevor sie sie in das Seniorenstift („Ist doch so schön wie ein Hotel hier“) abschieben.

In diesem Freak-Paradies treffen ein verkrachter Musiker namens Rocco (Jan Josef Liefers) und seine Obermieterin mit dem sprechenden Namen Marina Schatz (Ursula Strauss), aufeinander. Er soll hundert Tage Sozialdienst ableisten, die Alternative heißt Knast. Sie, die Altenpflegerin, kann nachts nicht schlafen, weil er mit der Band probt, und rächt sich nun nach Kräften. Erster Auftrag: Frau X. den Po abwischen. Die weitere Entwicklung ist absehbar: Erst hasst man sich, dann liebt man sich, wie das so kommt.

Da hätte man vom österreichischen Regisseur Wolfgang Murnberger, der unter anderem für die Brenner-Filme „Komm, süßer Tod“ und „Silentium“ verantwortlich zeichnet, mehr schwarzen Humor, mehr satirische Scharfzeichnung erwarten können. Die simple Botschaft, dass man die Alten nicht unterschätzen soll und so eine Rentnerband viel mehr an Energie und Lebensfreude zu bieten hat, als viele verbitterte Jüngere erwarten, wird arg harmoniebedacht, wenn auch effektvoll rübergebracht. Man muss gar nicht an Andreas Dresens „Wolke 9“ denken, der seine Protagonisten auf so viel ehrlichere Art ernst genommen hat. Aber schon die Musikdokumentation „Young @ Heart“ hatte mehr Esprit zu bieten. Die Murnberger’schen „Spätzünder“ werden für dumm verkauft. Der Zuschauer auch.

„Die Spätzünder“, ARD, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false