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Tempo. Frida (Katrin Röver) wünscht sich ein Kind. Doch ihr fehlt ein Mann.

© BR/lüthje schneider hörl/NORDP

ARD-Komödie mit Katrin Röver: Ein Kind! Jetzt!!

"Dinky Sinky": Eine klasse Tragikomödie über den Kinderwunsch einer Mittdreißigerin. Ein bisschen mehr Mut täte der ARD-Programmplanung allerdings gut.

Wenn Frida im Bad ist, geht es zunächst mal um Körperreinigung. Alles normal so weit. Auch dass sie ihrem Freund mit sanfter Deutlichkeit klarmacht, dass es jetzt keinen Sex unter der Dusche gibt, ist kein Ausnahmefall in einer Durchschnittsbeziehung. Außergewöhnlicher ist allerdings, was Frida nach dem Blick auf einen Wandkalender tut: Sie geht zu Tobias ins Nasse, erzählt kurz von ihrem Eisprung, zeigt also unverhoffte Paarungsbereitschaft, nur das mit dem Vorspiel solle er mal schön bleiben lassen. Dafür, sagt die Sportlehrerin aus München, „haben wir jetzt echt keine Zeit“.

Keine Zeit – falls es ein Begriffspaar gibt, das Mareille Kleins hinreißenden Debütfilm „Dinky Sinky“ treffend umschreibt, dann dieses. Frida will schließlich ein Kind! Unbedingt!! Jetzt!!! Und weil sie die biologische Uhr mit 36 Jahren lauter ticken hört als alle Skepsis des Erzeugers in spe, taktet Frida auch den Alltag von Tobias strikt auf Empfängniszyklen. Dummerweise bleibt da keine Zeit für Diskussionen, kaum Zeit für Zärtlichkeit und null Zeit für Verzug, sondern nur Zeit für den nächsten, womöglich letzten Schritt der rastlosen Lebens- und Laufbahnplanung urbaner „Dinkys“.

So lautet die englische Abkürzung für Doppelverdiener ohne Nachwuchs bisher. Doch je verbissener Frida die letzten drei Bestandteile von „Double Income No Kids Yet“ loszuwerden versucht, desto unvermeidbarer driftet sie auf den Großstadttypus „Sinky“ zu: kinderlose Alleinverdienerin, nur leider ohne Mann.

Weil er sich als „Zuchthengst“ missbraucht sieht, sucht Tobias nämlich bald das Weite und lässt Frida allein mit einem Hamster, den er ihr anstelle des ersehnten Babys geschenkt hat. Vor allem aber mit ihrem Reproduktionskonzept, das mit jeder Minute dieser gelungenen Tragikomödie wahlloser nach Samenspendern sucht.

Ansehnliche Darsteller in nachvollziehbarer Beziehungskiste

Mit federleichter Hand zeichnet „Dinky Sinky“ somit das Porträt einer Selbstoptimierungsgesellschaft, in der die ersten 36 Jahre so konsequent aufs ökonomische Leistungsvermögen zugerichtet werden, dass nach der ersehnten Konsolidierung des Wohlstandsmodells plötzlich die Zeit zur emotionalen Bedürfnisbefriedigung davonläuft. In Deutschland kann so etwas schnell stereotyp werden.

Ein handelsüblicher Freitagsfilm der ARD zum Beispiel würde Frida als hysterische Ziege inszenieren, deren Familienplanung am Freiheitsdrang des Alleinverdieners an ihrer Seite zerschellt. Dank des präzisen, dabei nie schematischen, aber höchst schlüssigen Drehbuchs der Regisseurin jedoch werden die Rollenbilder hier nicht vertauscht. Es gibt schlicht keine. Zumindest keine starren.

Und das liegt neben Mareille Klein vor allem an Katrin Röver. Wie vor zwei Jahren als Frau des selbstzerstörerischen Provinzbürgermeisters von „Hindafing“ schafft sie es in ihrer ersten großen Filmhauptrolle mit erstaunlicher Beiläufigkeit, Verzweiflung und Trotz glaubhaft auszutarieren.

Im heimischen Spießerparadies mit Ledergarnitur agiert sie ebenso authentisch wie beim Speeddating mit frischen Paarungskandidaten. Und den inneren Unruheherd von Fridas Generation verkörpert die gleichaltrige Theaterschauspielerin aus Sachsen-Anhalt dabei mit einer reduzierten, oft wortlosen Mimik, die sich das Fernsehen offenbar nur noch zur Nacht traut.

Dabei ist „Dinky Sinky“ doch öffentlich-rechtlicher Primetime-Stoff pur. Ansehnliche Darsteller in nachvollziehbarer Beziehungskiste – das müsste auch ohne jede Happy-End-Garantie bereits um 20 Uhr 15 laufen. Dafür aber ist die unscheinbare und gerade deshalb so eindrückliche Katrin Röver wohl noch nicht prominent genug. Höchste Zeit, dass sich das mal ändert.

„Dinky Sinky“, Mittwoch, ARD, 1 Uhr 25

Jan Freitag

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