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Deutschland, deine Flüchtlinge. Mohammad vor dem Brandenburger Tor.

© rbb/Matthias Deiß

ARD-Langzeit-Doku über Flüchtlinge: Drei von 1,2 Millionen

Vielleicht ist es leichter, Erfolgsgeschichten zu erzählen: ARD-Reporter Matthias Deiß hat Flüchtlinge aus Syrien und Libyen zwei Jahre lang begleitet.

In der Debatte um die Flüchtlingspolitik verschmelzen die Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, zur anonymen Masse. Dabei verläuft jede Flucht- Geschichte anders. Mohammad Abdulla zum Beispiel darf im Juli 2016 seine Frau Hala und die drei Kinder am Flughafen Berlin-Schönefeld in die Arme schließen. Den jüngsten Sohn kennt Mohammad nicht, weil er Syrien vor dessen Geburt verließ.

Auch seine Tochter blickt ihren Vater an wie einen Fremden. Später sieht man Bilder vom zerstörten Haus der Familie, Bombensplitter hatten Mohammad am Auge verletzt. Die Familie kam bei einem Onkel unter. Als Mohammad nach einem halben Jahr in Berlin als Flüchtling anerkannt wurde, konnte seine Frau Visa beantragen – und musste eine Reise von Syrien zur deutschen Botschaft in Beirut organisieren. Das dauerte Monate. Nach zwei Jahren war die Familie wieder vereint.

Den emotionalen Höhepunkt hat Matthias Deiß, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, an den Beginn seines Films gestellt. Sicher wegen des Glücksmoments. Aber auch, weil das Thema Familienzusammenführung eine besondere Rolle spielt. Denn Nedal Abbas erging es anders. Nedal stammt auch aus Syrien. Als er nach seinem Abitur den Einberufungsbescheid für die syrische Armee erhielt, flüchtete er aus seiner Heimatstadt Homs.

„Eins ist jedenfalls sicher: Ich werde meine Chance nutzen“, sagt er im März 2015 in Berlin. Der 20-Jährige will Arzt werden wie sein Vater. Weil aber sein Ausweis im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verloren ging, vergehen 18 Monate bis zu seiner Asyl-Anhörung. Eine fatale Verzögerung. Nedals Aufenthaltsstatus ist kürzer als der Mohammads, und einen Anspruch auf Familienzusammenführung hat er auch nicht. „Er hat einfach Pech gehabt“, sagt Deiß. Das Pech, dass die Bundesregierung die Bestimmungen in der Zwischenzeit verschärft hatte.

Die eine repräsentative Flüchtlingsgeschichte gibt es natürlich nicht

Der Autor hatte vor zwei Jahren drei junge Männer in einem Berliner Erstaufnahmelager ausgewählt, um ihre Geschichte über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Drei von rund 1,2 Millionen, die seit 2015 einen Asyl-Erstantrag in Deutschland stellten. Der Titel ist rätselhaft: „Mustermann“? Weil sich die Deutschen Muster-Flüchtlinge wünschen, die alle in die Norm passen?

Die eine repräsentative Flüchtlingsgeschichte gibt es natürlich nicht, eher ist es ein weiterer Film über die ersten Schritte zur Integration. Die chaotischen Zustände vor dem Lageso. Nedals Frust über das zermürbende Warten, Mohammads Freude über die ihm zugeteilte Wohnung. Trotz aller Tücken und Rückschläge: Es geht voran, auch dank einer engagierten Flüchtlingshelferin. Die Männer machen mit der deutschen Sprache schnell Fortschritte, bewähren sich bei Praktika.

Dass sich nicht immer alles automatisch zum Guten wendet, bildet der Film auch ab: Den Libyer Abdu Ashaebi plagen Alpträume. Er kämpfte im Bürgerkrieg gegen Gaddafis Armee, wurde verwundet, sah mit an, wie sein Bruder erschossen wurde. Abdu wird wegen der Traumata an der Charité behandelt, scheint im deutschen Alltag überfordert zu sein.

Deiß spricht von Anzeigen, bringt Bilder aus dem Gerichtssaal. Abdu streitet den Vorwurf ab, einen Türsteher mit einem Stein attackiert zu haben, von einem Urteil erfährt man nichts. Dass er auf die schiefe Bahn geraten sei, wie Deiß behauptet, gibt der Film genau genommen nicht her. Vielleicht ist es einfach leichter, Erfolgsgeschichten von Flüchtlingen zu erzählen.

„Mohammad Mustermann“, Montag, ARD, 22 Uhr 45

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