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Tragische Figuren. Ausbrecherkönig Mattock (Armin Rohde, links) bevorzugt die Sprache der Gewalt. Aber auch seine Geisel, Hauptkommissar Josef Zuckmaier (Alexander Held), leidet nicht nur unter der Entführung.

© Magdalena Mate

ARD-Thriller: König der Entführer

Armin Rohde darf im TV-Thriller „Alleingang“ sein Bösewichtimage ausspielen.

Gangster Mattock, genannt „King“, ist Gewalt pur. Ein Berg von Mensch, leicht reizbar, unberechenbar, außer Kontrolle geraten. Und Mattock drückt auf die Tube. Der von ihm und seinen Gefängniskumpanen gekaperte Justiztransporter rast durch die Landschaft und rammt sich den Weg frei. Aber Mattock fährt nicht ins Nirgendwo, der Mann hat ein Ziel: ein Stellwerk. Den armen Fahrdienstleiter nimmt er als Geisel, ordert bei der Polizei einen Zug und gleich noch eine weitere Geisel, Kommissar Zuckmaier. Der hat Mattock, den „König“ des Frankfurter Bahnhofsviertels, einst in den Knast gebracht.

Autor und Regisseur Hartmut Schoen hat zuletzt Senta Berger als verbitterte, in sich gekehrte Witwe eines RAF-Opfers in Szene gesetzt („In den besten Jahren“). Auf den ersten Blick wirkt „Alleingang“, dessen Tempo und Härte anfangs einen lupenreinen Polizeithriller zu versprechen scheinen, wie das absolute Kontrastprogramm. Armin Rohde darf als Mattock sein in Deutschland beinahe einzigartiges Markenzeichen als „Bad Guy“ voll ausspielen: körperliche Wucht, gepaart mit dem schonungslosen Mut zur Hässlichkeit.

Dieser Mattock ist schon ein besonderes Erlebnis, ein animalisches Wesen, das von Moral nichts hält, nicht einmal eine Vorstellung davon hat. Mattock ist abstoßend, nicht sehr helle, dafür Fleisch gewordene Gier, aber ihn treibt auch die Gier nach Bestätigung an. Dies verrät schon die irrwitzige Idee, den Zug wie einen Pfingstochsen zu schmücken und stolz mit der Riesenaufschrift „King“ durch die Gegend zu fahren. Ein König, der es allen zeigen will. Um Freiheit geht es Mattock offenkundig nicht. Er will ein Held der Medien sein, und er will die Anerkennung seines alten Widersachers Zuckmaier. Die nimmt er sich, weil er es nicht besser weiß und kann, mit Gewalt. Eine tragische Figur also, die deshalb auch nicht vollkommen unsympathisch wirkt. Dass am Ende ein Kindheitserlebnis zur Erklärung von Mattocks Persönlichkeit herhalten muss, ist leider etwas plump und eigentlich überflüssig.

Die zweite tragische Figur ist Kommissar Zuckmaier (Alexander Held), den wir zu Beginn auf der Couch einer Therapeutin sehen. Seine Frau Sonja (Maria Schrader) hat ihn verlassen und ist jetzt mit seinem Exkollegen Wolfgang Schübel (Matthias Koeberlin) zusammen. Zuckmaier fühlt sich verraten. Die Trennung, so scheint es, hat bei ihm tiefere Verletzungen hinterlassen, als sie Mattock mit seiner brutalen Körperlichkeit je anrichten könnte. Und als Mattock instinktsicher Schübel als weitere Geisel in den Zug holt und beide aneinanderkettet, entwickelt sich ein psychologisch aufgeladener Dreikampf. Aus dem rasanten Polizeithriller zu Beginn wird eine Art Kammerspiel, aus dem der fünffache Grimme-Preisträger Schoen immer mehr das Tempo herausnimmt. Am Ende geht es zu Fuß einen Berg hoch. Das erscheint zwar polizeitaktisch nicht ganz logisch – kann man einen Zug aus den Augen verlieren? -, treibt aber das Ringen um Freundschaft und Anerkennung buchstäblich und konsequent auf die Spitze.

Natürlich ist auch in „Alleingang“ der Bösewicht die faszinierendere Figur. Doch die Besetzung ist erfrischend ungewöhnlich: Alexander Held wird sonst selbst gerne als Täter oder Verdächtiger gebucht, freilich gibt er dabei eher den aalglatten Typen. Hier darf er mal den traurigen und einsamen Superpolizisten spielen. Und Oliver Wnuk, der Büroschnösel aus „Stromberg“, ist als knallharter und völlig humorloser Spezialist für Geiselnahmen zu sehen. Gegen die ebenso brillante wie erdrückende Präsenz Rohdes alias Mattock ist jedoch kein Kraut gewachsen.

„Alleingang“, ARD, 20 Uhr 15

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