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Medien: Art Directors Club: Suche Idee, biete Nagel

"Ich bin schockiert! In der ADC-Ausstellung sind keine Löwen.

"Ich bin schockiert! In der ADC-Ausstellung sind keine Löwen." Luke Sullivan hält das Mikro dicht an seinen Mund und schaut belustigt in die Menge. "Wo, um Himmels willen, sind die Löwen? Sie sind kraftvoll, maskulin und stehen ganz oben in der Nahrungskette. Alge, Fisch, Dingsda, Kuh, Mensch, Löwe. Wo also sind die Löwen?" Luke Sullivan steht in einem Lichtkegel auf der Bühne der Columbiahalle, der Rest der Halle dunkel. Fast könnte man meinen, man sei auf einem Motivationsseminar gelandet. Aber der Werbetexter aus den USA will nur klar machen, wie man gute Werbung macht, oder eben auch nicht!

"Visions" heißt die Veranstaltung, die als Rahmenprogram des diesjährigen Art Directors Club (ADC) stattfand. Die neue Spitze des ADC will mit dieser Veranstaltung dem Werbenachwuchs auf die Sprünge helfen, um zwei Problemen der deutschen Werbung entgegenzuwirken: Zum einen reden zwar immer alle von Kreativität, zum Schluss aber werden doch nur Anzeigen abgeliefert. Und zum anderen sollen sich mehr junge Werber für den ADC interessieren. Denn einer der Vorwürfe gegen den ADC ist, dass die Jurys, die die Preise auswählen, zu alt seien. Sie beurteilten die Arbeiten nach veralteten Maßstäben, die heute einfach nicht mehr aktuell seien. Da - wie der Volksmund sagt - der Fisch immer vom Kopf her stinkt, wurde in einem ersten Schritt der ADC-Vorstand neu besetzt. Die Doppelspitze teilen sich der 34-jährige Sebastian Turner (Scholz & Friends Berlin), und der 37-jährige André Kemper (Springer & Jacoby, Hamburg). Ein zweiter Schritt war die Veranstaltung "Visions".

Luke Sullivan schiebt ein Dia ein. Eine Anzeige für ein Kopiergerät, das mit einem Löwen wirbt. Er schiebt ein zweites Dia ein. Eine Anzeige für ein Auto, das mit einem Löwen wirbt. Ein ein drittes, ein viertes, unzählige Dias von Anzeigen, die mit Löwen werben. Und Sullivan wiederholt immer und immer wieder den Satz: "Benutzen Sie Löwen in der Werbung, Löwen sind kraftvoll, maskulin und an der Spitze der Nahrungskette." Er wird immer schneller, atemloser, wie ein Amokläufer, bis er stoppt, in die Menge schaut und sagt: "Ups, sorry. Falsche Rede, die war aus den langweiligen 80ern." Das Publikum applaudiert lautstark.

Die Botschaft, die der international mit Preisen überhäufte Luke Sullivan dem Publikum vermitteln wollte, ist nach vierzig Minuten mit viel Applaus bei jedem angekommen. "Be simple", denn einfache Dinge sind auffällig, effektiv, und man kann sie gut erinnern. Wer mit 100 an einer Straßenwerbung vorbeifährt, oder mit 50 Stundenkilometern durch ein Magazin blättert, der bleibt nur an etwas hängen, bei dem die Botschaft klar, einfach und schnell zu verstehen ist.

Die Preisträger, die in diesem Jahr einen der begehrten goldenen Nägel vom ADC verliehen bekamen, haben diesen Rat befolgt: Zum Beispiel die Agentur Jung von Matt mit ihrer Deutsche Bahn-Werbung, auf der offensichlich ein entnervter Autofahrer im Stau ins Lenkrad gebissen hat. Oder die wieder einmal erfolgreichen Berliner Werber von Scholz & Friends, die in ihrer "Dahinter-steckt-immer-ein-kluger-Kopf"-Kampagne Bischof Lehmann dazu brachten, inmitten einer Schafherde die "FAZ" zu lesen. Gleich vier goldene Nägel sackte Springer & Jacoby ein: unter anderem für ihre Mercedes-Benz-Werbung "C-Brake" und den adidas-Fernseh-Spot von Harry Nash. Bei den Zeitschriften waren wie in den vergangenen Jahren das "SZ-Magazin" und "Jetzt", das Jugendmagazin der "Süddeutschen" erfolgreich". Der frühere Dauersieger "Stern" ging leer aus. Insgesamt gab es in 27 Kategorien elf Goldmedaillen.

Die Radiowerbung, bei der man in den letzten Jahren noch blutige Ohren bekam, wie es ein Juror formulierte, sei in diesem Jahr erheblich besser geworden. Für Gold habe es aber immer noch nicht gereicht. Genauso sieht es bei Web-Seiten aus. In diesem Jahr habe sich laut André Kemper nirgendwo ein neuer Trend abgezeichnet. Es sei allerdings erfreulich, dass es einige kleinere Agenturen, wie Aimaq-Rapp-Stolle oder Philipp und Keuntje, in die Medaillenränge geschafft haben. Die Jury tendiere allerdings immer noch dazu, gute Ideen für große Kunden höher zu bewerten. Sein Vorstandskollege Sebastian Turner sagte schließlich, es sei nun die Zeit angebrochen, in der die Generation Werbeagenturen leite, die vor dem Fernseher groß geworden ist. Und wer den Fernseher als geheimnisvolles Lagerfeuer im Wohnzimmer betrachtet hat, so Turner, der habe einfach einen anderen Umgang mit Werbung.

Kerstin Kohlenberg

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