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Arte-Film: Rache am Schlächter

Max Rainer hat im Konzentrationslager grausame Menschenversuche angestellt, der Mossad hat ihn dafür später ermordet. Ein Film über die Jagd auf den „Arzt von Birkenau“

Rachel Brener war Mossad-Agentin. Eine Heldin in Israel, weil sie 1964 Max Rainer, den „Arzt von Birkenau“, in Berlin erschossen hat. Bei einem Fluchtversuch – so jedenfalls haben es die drei Agenten immer behauptet. Sie sollten damals Rainer, der mit KZ-Insassen grausame Menschenversuche angestellt hatte und einer der schlimmsten Nazi-Verbrecher war, nach Israel entführen.

Rachel Brener hat es seitdem zu einigem Wohlstand gebracht, auch ihre Autobiografie verkauft sich 30 Jahre später gut. Doch wenn sie das eigene Buch für ihre Leser signiert, wirkt sie angespannt – weil es zwar ihr Buch, aber nicht ganz die korrekte Geschichte ist. Eines Abends erhält sie überraschenden Besuch: Der Mann im Rollstuhl war 1964 ebenfalls an der Berliner Operation beteiligt. Er hat einen Zeitungsartikel mitgebracht. Darin heißt es, Rainer lebe in der Ukraine, in einem Altenheim in der Nähe von Kiew.

„Der Preis der Vergeltung“ ist ein israelischer Film aus dem Jahr 2007, der es nicht in die deutschen Kinos geschafft hat. „Man wollte keinen Horrorfilm über das ernste Holocaust-Thema“, sagte der Schauspieler Edgar Selge dem Sender Arte im Interview. Dieses Argument habe die Vermarktung erschwert, zuvor hätte sich bereits die deutsche Produktionsseite aus dem Projekt verabschiedet. So hat es bis zum heutigen Freitag fast drei Jahre gedauert, ehe diese packende und filmisch herausragende Auseinandersetzung mit dem Trauma der Nachfahren der Holocaust-Opfer in Deutschland zu sehen ist. Die Disney-Tochter Miramax produziert bereits ein Remake mit Regisseur John Madden („Shakespeare in Love“) und Oscar-Gewinnerin Helen Mirren („The Queen“). Allerdings will Disney zurzeit das Studio verkaufen, die Umsetzung der geplanten Miramax-Produktionen ist ungewiss.

„Ihr Juden habt noch nie töten können, ihr konntet nur sterben“, sagt Max Rainer (Edgar Selge), als Gefangener gefesselt an ein Heizungsrohr im Berliner Unterschlupf, 1964 zu Rachel Brener (Netta Garti). Sie und zwei weitere junge Agenten, deren Eltern und Verwandte in den deutschen Vernichtungslagern ermordet wurden, sind tagelang mit dem gekidnappten Nazi-Mörder konfrontiert, müssen ihn füttern, rasieren und seine Provokationen ertragen. Ein Horror, tatsächlich, vor allem für Rachel Brener, die den Kontakt zu Max Rainer als vermeintliche Patientin in für sie schwer erträglicher Intimität hergestellt hat. Denn Rainer praktiziert wieder, unbehelligt mitten in Berlin, als Gynäkologe. Und er sucht und findet die tiefe Verwundung bei seinen Bewachern, die Frage, die sie neben dem Wunsch nach Vergeltung vor allem beherrscht: Warum haben sich so viele Juden, warum haben sich die eigenen Eltern widerstandslos umbringen lassen? Sehr intensive Szenen sind das, in der Selge und der jungen Schauspielerin Netta Garti, in Deutschland aus Maria Schraders Film „Liebesleben“ bekannt, beeindruckende Darstellungen gelingen. Regisseur Assaf Bernstein behandelt die fundamentalen Fragen, die das jüdische Selbstverständnis bis heute berühren, in einem spannenden Agenten-Thriller, der parallel auf zwei Zeitebenen spielt. Seine Protagonisten sind gebrochene Helden, die zu Gefangenen ihrer Lüge geworden sind. Der Holocaust hat auch die Nachfahren der Opfer ein Leben lang nicht losgelassen. Als Max Rainer wieder auftaucht und angeblich seine Lebensbeichte ablegen will, beschließt das in die Jahre gekommene Agententrio, den Auftrag aus dem Jahr 1964 endlich zu Ende zu bringen. Rachel Brener (im fortgeschrittenen Alter dargestellt von Gila Almagor) reist in die Ukraine, um ihre Lebenslüge zu schützen – und wohl auch, um Rainer zu beweisen, dass Juden doch töten können. Thomas Gehringer „Der Preis der Vergeltung“, 20 Uhr 15, Arte

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