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Arte-Reihe: Sehnsuchtsorte, Krisengebiete

In einer siebenteilige Reihe widmet sich Arte den Ursprüngen der westlichen Zivilisation und blickt auch auf die damals prächtigste Stadt: Babylon.

Die alten Babylonier zweifelten nicht an der Existenz der Götter, aber dass der Himmel gewissen Gesetzmäßigkeiten folgte, war ihnen schon vor mehr als 4000 Jahren aufgefallen. Ihre Astronomen beobachteten über Jahrhunderte den Lauf von Sonne, Mond und Sternen und ritzten ihre Erkenntnisse in Keilschrift in Tontafeln. Sie zeichneten ein kreisförmiges Himmelsgewölbe, unterteilten es in zwölf Abschnitte und gaben ihnen Tiernamen. In ihrer mathematisch geordneten Welt legten sie die Zahl 60 zugrunde – mit Folgen bis in die Gegenwart. „Immer wenn wir auf die Uhr sehen, tun wir etwas Babylonisches. Wenn wir unser Horoskop lesen oder einen Winkel messen, tun wir etwas Babylonisches“, sagt Eleanor Robson von der Universität Cambridge und findet das „wirklich sehr aufregend“.

Etwas von dieser Begeisterung vermag auch die siebenteilige britische Dokumentationsreihe „Morgenland und Abendland“ zu vermitteln. Die Kamera schwelgt geradezu in Bildern, setzt die Zeugnisse der frühen Kulturen des Mittleren Ostens liebevoll in Szene, sei es ein kleines, eng beschriftetes Tontäfelchen oder die funkelnde Pracht van Babylons Ischtar-Tor, dessen Rekonstruktion im Berliner Pergamonmuseum zu bewundern ist.

Wenn es mal genug ist mit den Aufnahmen von staubigen Ausgrabungsstätten, in denen der Laie auf den ersten und leider auch den zweiten Blick so gar nichts zu erkennen weiß, lässt man sich gerne mal einen schwärmerisch fotografierten Sonnenaufgang gefallen. Denn das Morgenland ist schließlich auch ein Sehnsuchtsort.

Heutzutage ist die Region – die Drehorte lagen unter anderem in Iran, Irak, Syrien und Israel – eher ein Krisengebiet. Anfangs ist davon auf dieser kulturhistorischen Fernsehreise nicht viel zu spüren. Sie beginnt in der heutigen Südtürkei, in Göbekli Tepe, wo Steinzeitmenschen vor rund 12 000 Jahren erste Bauwerke errichteten, fünf Meter hohe Steinpfeiler, kunstvoll mit Tierreliefs verziert. Aber sie endet mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches Ende des 19. Jahrhunderts und reicht damit bis in die nahe Gegenwart hinein.

Die ersten Städte entstanden an den Ufern von Euphrat und Tigris. Babylon war die prächtigste. Die These ist, dass hier, nicht im antiken Griechenland, die Wiege der abendländischen Zivilisation, die Wiege Europas zu finden ist. Zur Verbreitung und Weiterentwicklung der im Zweistromland entwickelten Kenntnisse haben allerdings Griechen entscheidend beigetragen. Oder Mazedonier wie Alexander der Große. „In gewisser Weise liegt es an uns, dass wir das reichhaltige Vermächtnis des Ostens nicht verstehen. Es ist alles da, wir haben nur jahrelang keinen Zugang dazu gefunden“, sagt die Historikerin Bettany Hughes.

Die erstaunliche Kultur der Ägypter an den Ufern des Nils kommt freilich zu kurz und wird ebenso beiläufig erwähnt wie China und Indien. Dafür spielt Pharao Echnaton, der im 14. Jahrhundert vor Christus kurzzeitig mit der Vielgötterei aufräumte, im zweiten Teil eine wichtige Rolle, dann geht es um Monotheismus sowie die Entstehung des jüdischen und christlichen Glaubens. Der dritte Teil, der ebenfalls an diesem Samstag ausgestrahlt wird, erzählt dann von den Ursprüngen des Islam. Thomas Gehringer



„Morgenland und Abendland“, Arte, Teil 1: „Zwischen Euphrat und Tigris“, 20 Uhr 15

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