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Attentat in Ankara: Der wild drohende Polizist in der "Tagesschau"

Diskussion um eine Szene in der "Tagesschau" mit dem Attentäter in Ankara: War das notwendig? Wo hört Information auf, und wo fängt Propaganda an, auch mit Blick auf die Berichte vom Breitscheidplatz?

Bei all den dramatischen Geschehnissen rund um den Breitscheidplatz in Berlin ist am Montagabend die zweite Schreckens-Nachricht fast etwas aus dem Blick geraten: In Ankara ist der russische Botschafter in der Türkei getötet worden. Ein türkischer Polizist erschoss den Diplomaten Andrej Karlow, während dieser eine Fotoausstellung in der türkischen Hauptstadt eröffnete. Der Täter rief nach seiner Tat "Syrien" und "Aleppo", islamistische Parolen.

In der "Tagesschau" im Ersten um 20 Uhr (zu sehen in der ARD-Mediathek) waren dann sekundenlang bewegte Bilder von dem wild mit der Pistole drohenden und Parolen rufenden Polizisten zu sehen, eine Szene fast wie aus der US-Serie "Westworld". Was wiederum die Frage aufwirft, ob diese Bilder-Sequenz wirklich nötig war. Wo hört Information auf, und wo fängt Propaganda an, im Sinne auch von medialer Wahrnehmung der Ziele der Terroristen?

ARD-aktuell Chef Kai Gniffke verweist gegenüber dem Tagesspiegel darauf, dass die Bilder des toten russischen Botschafters am Boden in der "Tagesschau" nicht zu sehen waren.

"Das, was Sie als ,sehr, sehr krass' beschreiben, ist nicht in der Tagesschau gelaufen. Diese Frage müssten die Redaktionen beantworten, die die Bilder des getöteten Botschafters gesendet haben", sagt Gniffke.

Keine Ikonisierung der Täter

Die "Tagesschau" habe bewusst darauf verzichtet. "Wir tun dies, um die Würde des Opfers zu wahren und den Zuschauern Bilder von großer Roheit und Gewalt zu ersparen, ohne dass damit auch nur der geringste Informationsverlust verbunden wäre. Über Terroranschläge müssen Nachrichtenredaktionen vollständig und unvoreingenommen berichten. Dabei gelten die journalistischen und ethischen Regeln, denen sich ARD-aktuell verpflichtet fühlt. Das bezieht sich auf den respektvollen Umgang mit Opfern, auf den sorgfältigen Umgang mit Quellen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Bildern. Keinesfalls sollte es durch die Berichterstattung zu einer Ikonisierung der Täter oder der Tat kommen, die stets von den Terroristen intendiert ist."

Auch ohne den toten Botschafter auf dem Boden im Bild - die Sequenz mit dem drohenden Polizisten, die sekundenlang in der Hauptausgabe der "Tagesschau" zu sehen waren, könnte durchaus einer Ikonisierung des Täters zuträglich sein.

"Wir haben den Täter von Ankara, wie auch die ARD, offen gezeigt", sagt Terrorexperte Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF. "Es ist eine schwierige Abwägung. In Ansicht der Sendung kamen wir zu dem Schluss, dass wir das Gesicht besser unkenntlich gezeigt hätten."

Und mit Blick auf die Berichte vom Breitscheidplatz, der Lkw-Attacke am Montagabend: "Wir haben auch Videoangebote vom Breitscheidplatz bekommen, das Material dann aber aus ethischen Gründen nicht gesendet. Allerdings haben wir Elemente aus dem Video der ,Berliner Morgenpost' verwendet."

Die "Berliner Morgenpost" hatte am Dienstagmorgen auf die Kritik an einem Facebook-Video vom mutmaßlichen Anschlagsort in Berlin reagiert und dieses auf "unsichtbar" gestellt. Stattdessen veröffentlicht die Redaktion editierte Ausschnitte. In dem Live-Video war ein Reporter kurz nach dem Vorfall über den zerstörten Weihnachtsmarkt gelaufen und hatte auch Verletzte gezeigt. Passanten griffen den Journalisten an und schlugen ihm das Handy aus der Hand.

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