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Medien: Auf der Liste

Warum wurde der Chef der russischen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ erschossen?

Am Freitagabend lauerten ihm zwei Männer in einem dunklen Wagen vor dem Verlagshaus im Nordosten Moskaus auf. Um 20 Uhr schossen sie viermal auf Pawel Chlebnikow, 41, Chef der russischen Ausgabe des Magazins „Forbes“. Der schaffte es noch, Alexander Gordejew, den Chefredakteur der russischen Ausgabe des US-Nachrichtenmagazins „Newsweek“, anzurufen. Er habe „keinerlei Erklärung für die Motive“, soll er zu ihm gesagt haben. Gordejew rief Hilfe – vergeblich. Chlebnikow starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus in der Notfallambulanz.

Wieder ist in Moskau ein Journalist getötet worden. Allein im vergangenen Jahr, so hat Reporter ohne Grenzen gezählt, kamen in Russland und den anderen UdSSR-Nachfolgestaaten 26 Journalisten um. Chlebnikow war besonders profiliert: Er war Chef der russischen „Forbes“-Ausgabe, die seit April von der Holding Axel Springer Russia, einer Tochtergesellschaft des Axel Springer Verlags, herausgegeben wird. Im Mai hatte das Blatt eine Namensliste der hundert reichsten Russen veröffentlicht. Darunter 36 Milliardäre, denen zusammen über 140 Milliarden US-Dollar gehören – rund ein Viertel des Bruttoinlandproduktes des Landes. Die Liste hatte für Aufsehen gesorgt. Mehrere der Erwähnten, die offenbar Nachforderungen der Steuerbehörden fürchten, hatten sich beschwert, ihr Vermögen sei zu hoch veranschlagt worden. Andere wiederum fühlten sich unterschätzt und reagierten ebenfalls beleidigt.

Pawel Chlebnikow, 1963 in Moskau geboren, aber US-Staatsbürger geworden, wo er sich Paul Klebnikov nennt, arbeitete seit 1998 bei „Forbes“. Ende der 90er macht er als Buchautor auch international Schlagzeilen. In „Der Pate des Kreml“ berichtete er über die dubiosen Geschäfte von Boris Beresowskij und anderer Oligarchen, vor allem deren Einfluss auf den Ex-Präsidenten Boris Jelzin. Steve Forbes, der die US-Ausgabe herausgibt, nannte Chlebnikow einen „mutigen, engagierten, seiner Sache treu ergebenen Journalisten“.

Sowohl der Vorsitzende des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakowenko, als auch die Polizei gehen, wie Interfax meldete, davon aus, dass der Mord „mit der beruflichen Tätigkeit Chlebnikows in Verbindung“ steht.

Möglich sei, sagte der Herausgeber der russischen Ausgabe von „Forbes“, Leonid Berschwidskij, dass es sich um einen „Präventivschlag“ handele, der die Redaktion zum Aufgeben zwingen solle. Das Projekt einer russischen „Forbes“-Version hätte vielen „Oligarchen“ – damit meint er die Gewinner der Privatisierungen von Staatseigentum Mitte der 90er Jahre, bei denen häufig gegen geltendes Recht verstoßen wurde – „von Anfang an zutiefst missfallen“.

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