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Medien: Auf zum letzten Gefecht

Springer wird Kirch so schnell nicht los. Verfügt er über mehr Einfluss als angenommen?

Von Ulrike Simon

Auf Springer muss Leo Kirch wie eine Klette wirken. Schon der Verlagsgründer mochte den Münchner Medienunternehmer nicht, erlaubte es ihm aber, sich an dem Verlag zu beteiligen. Seither baute Leo Kirch seinen Einfluss Stück für Stück aus, selbst wenn er dafür vor Gericht gehen musste. Nur eines gelang ihm nie: die Mehrheit zu erlangen. 40,33 Prozent besaß Kirch zuletzt an Springer. Die Aktien dienten ihm in seiner finanziellen Not als Sicherheit für einen Kredit der Deutschen Bank. Nach Kirchs Bankrott verfügt die Bank darüber. Springer wähnte sich frei von Kirch. Zu früh gefreut: Er hat noch immer „Störpotenzial“, wie Vorstandschef Mathias Döpfner sagt. Mehr noch: In Aktionärskreisen wird jetzt vermutet, Kirch habe sogar nach dem Verlust der Aktien noch Einfluss.

Am Dienstag fand bei Springer eine außerordentliche Hauptversammlung statt. Kirch hatte sie erzwungen. Und wieder hat er sich durchgesetzt. Seinem Antrag, den Verlag einer Sonderprüfung zu unterziehen, stimmten die Aktionäre zu. Untersucht werden soll, ob der Springer-Vorstand geschäftsschädigend handelte, indem er eine „Put-Option“ ausübte, mit der er von Kirch 767 Millionen Euro für die Beteiligung an der Senderfamilie ProSieben Sat 1 Media AG zurückfordern konnte. Sollte die Sonderprüfung den Vorwurf bestätigen, müsste Springer mit Schadenersatz zahlen. Doch nicht nur Springer wird unter die Lupe genommen. Nach dem Motto „wie du mir, so ich dir“, setzte Verlegerwitwe Friede Springer durch, dass Kirchs Antrag erweitert wurde. Nun wird in dieser Sache nicht nur Springer, sondern auch die Print Beteiligungs GmbH überprüft. Diese Firma hält Kirchs 40-Prozent-Beteiligung.

Als die Aktionäre am Dienstag nach der über acht Stunden dauernden Hauptversammlung über den Antrag abstimmten, mussten sich Friede Springers Gesellschaft für Publizistik und Kirchs Print-Beteiligung der Stimme enthalten. Das Gesetz schreibt vor, dass ein Aktionär, gegen den eine Sonderprüfung eingeleitet werden soll, darüber nicht selbst abstimmen darf. Da half auch nicht Kirchs Trick 17. Er überraschte am Dienstag damit, dass seit dem 18. September nicht mehr er, sondern sein Adlatus Dieter Hahn Geschäftsführer der Print Beteiligung ist, er selbst also nichts mit dieser Firma zu tun habe und somit seine Stimmrechte wahrnehmen darf. Sein Anwalt Ronald Frohne drohte sogar: Sollte der Aufsichtsrat ein Stimmverbot durchdrücken, könne er mit Anfechtungsklagen rechnen, „die den Verlag für die nächsten vier bis fünf Jahre beschäftigen“. Es half nichts. Über die Sonderprüfungen stimmten ausschließlich die freien Aktionäre ab, die zusammen über weniger als zehn Prozent der Springer-Aktien verfügen.

Frohnes Zitat zeigt, welcher Umgangston zwischen Kirch und Springer herrscht. Trickreich befehden sich die beiden Parteien. Für die Springer-Seite ist klar: Kirch handelt aus Rache. Warum sonst habe er gesagt, er werde Springer mit in den Abgrund ziehen. Die Gegenseite fährt mehr Munition auf: Zum Beispiel behauptet Frohne, das Zitat, Kirch werde Springer mit in den Abgrund ziehen, sei nachträglich in ein Aufsichtsratsprotokoll aufgenommen worden. Er behauptet auch, Friede Springer habe den Vorstand bei Verhandlungen mit Kirch „ferngesteuert“. Sie habe nur in ihrem Interesse statt in dem des Verlages und seiner Aktionäre gehandelt: einerseits, um Kirch loszuwerden; andererseits, um möglichst günstig die Mehrheit am Verlag zu erlangen, damit sie nicht mehr auf die Zustimmung ihrer Stiefenkel angewiesen ist. Auch den Vorstand konfrontiert die Kirch-Seite mit Vorwürfen: Frohne sagt, der Vorstand verhalte sich „irrational“ und sei schuld, dass es keine Einigung gebe. Immer wieder würde er ohne Angabe von Gründen die Gespräche abbrechen.

Das alles hörten sich Leo Kirch und Friede Springer am Dienstag auf dem Podium an. Und mit ihnen fünf weitere Aufsichtsratsmitglieder sowie der gesamte fünfköpfige Vorstand. Die meisten von ihnen schwiegen mehr als acht Stunden lang. Sie waren dazu gezwungen einfach nur dazusitzen. Anders die Kleinaktionäre, die sich ihr Rederecht auch ungefragt nahmen. Wenn einer der Aktionäre besonders frech über Kirch redete, gab es sogar Szenenapplaus. Mehrfach wurde Kirch aufgefordert, sich selbst zu äußern („Machen Sie endlich den Mund auf, Sie sind doch alt genug, um selber zu reden!“). Der 75-Jährige ertrug es mit stoischer Miene, dass die Kleinaktionäre allesamt auf der Seite von Springer zu stehen schienen.

Da die Sympathie der freien Aktionäre so eindeutig Springer galt, überrascht das Abstimmungsergebnis. Alles wies zunächst darauf hin, dass die Kleinaktionäre gegen die Sonderprüfungen stimmen würden. Sie folgten Döpfners Argument, dass sich Springer im Laufe der Sonderprüfung nicht ausgerechnet von Kirch in interne Unterlagen schauen lassen will. Schließlich hat der Verlag ein gerichtliches Verfahren gegen ihn laufen – eine Leistungsklage. Sie soll beweisen, dass die Put-Option auf die Senderbeteiligung rechtens war. Warum stimmten die Aktionäre mehrheitlich dann doch dem Antrag auf Sonderprüfung zu? Die Spekulation, Kirch habe Einfluss auf die Stimmrechte Dritter genommen, ist ungeheuerlich. Aus Aktionärskreisen ist zu hören, das Abstimmungsergebnis werde möglicherweise angefochten. Dann wäre die Sonderprüfung noch zu verhindern.

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