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Medien: Augsteins Erbe

„Spiegel“-Gesellschafter haben für ihre Option auf weitere Anteile fünf Monate Zeit

In der Medienstadt Hamburg wehen die mit einem Trauerflor bestückten Fahnen am Freitag auf Halbmast. Die Hansestadt trauert um ihren Ehrenbürger Rudolf Augstein. Im Rathaus tragen sich die Hamburger in Kondolenzlisten ein, ein Staatsakt ist geplant, am 25. November soll es eine Gedenkfeier zu Ehren des „Spiegel“-Herausgebers geben. Beigesetzt wird er im engsten Familienkreis.

Im „Spiegel“-Gebäude in der Brandstwiete haben Mitarbeiter in der Eingangshalle ein großes Schwarz-Weiß–Porträt von Rudolf Augstein aufgehängt. Die nächste Ausgabe des Nachrichtenmagazins, die am Freitag entstand, wird sich dem Gründer widmen. Der Verlag rechnet mit großem Interesse, entsprechend wird die Druckauflage erhöht. Chefredakteur Stefan Aust, der am Donnerstag seinen Aufenthalt in Vietnam abbrach, nachdem er die Nachricht von Augsteins Tod erhalten hatte, leitete am Freitag die Redaktionskonferenz. Er wird zunächst gemeinsam mit Geschäftsführer Karl Dietrich Seikel zusätzlich Herausgeber des „Spiegel“. Fraglich ist, ob der „Spiegel“ in Zukunft einen Herausgeber haben wird, ob er überhaupt einen braucht. Eine Gesellschafterversammlung, die noch einberufen wird, soll über Augsteins Nachfolge entscheiden. Aber wer sollte in diese Fußstapfen treten wollen? Für Rudolf Augstein gibt es keinen Nachfolger, und es gibt auch keine Notwendigkeit, dass ihm jemand nachfolgt. Natürlich könnte Aust den „elder statesman“ geben und die Chefredaktion an einen seiner Stellvertreter, etwa Martin Doerry, abgeben. Aber warum sollte der 59-jährige Macher mit den hochgekrempelten Hemdsärmeln sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen?

Die andere Frage betrifft die Neuordnung der Gesellschafterstruktur der „Spiegel“- Gruppe, die weit mehr umfasst als das Nachrichtenmagazin. Schon Augstein verfolgte die Strategie, den Verlag auf mehrere Beine zu stellen. Aus „Transatlantik“ und anderen Projekten wurde nichts, wohl aber aus dem „Manager Magazin“. Erheblich ausgeweitet wurden die Aktivitäten durch Stefan Austs „Spiegel TV“. Vor allem, als Werner E. Klatten (heute EM.TV) Geschäftsführer war, wuchs der Verlag zu einer Gruppe mit einer Vielzahl von Beteiligungen – bis hin zur Produktion der Kerner-Show und des Vox-Magazins „Wa(h)re Liebe“ mit Lilo Wanders (s. Grafik).

Bislang gehörten Augstein 25 Prozent am eigenen Verlag, weitere 25 Prozent verkaufte er 1971 an Gruner + Jahr (G + J). Drei Jahre später schenkte Augstein 50 Prozent seines Unternehmens den Mitarbeitern. Frühzeitig wurde in einer Satzung geregelt, dass nach Augsteins Tod seine Anteile ungeteilt an die Erben übergehen. Das sind die vier Kinder Maria Sabine, eine Anwältin, Julian, ein Künstler, sowie die beiden Journalisten Jakob und Franziska Augstein. Letztere vertraten die Erbengemeinschaft in der Gesellschafterversammlung. Allerdings haben G + J sowie die Mitarbeiter ein Vorerwerbsrecht auf Augstein-Anteile in Höhe von jeweils 0,5 Prozent. Diese Option können sie innerhalb einer Frist von fünf Monaten wahrnehmen, zuvor müsste das Unternehmen bewertet werden. Die Mitarbeiter, deren Interesse sich nicht zuletzt um die jährliche Gewinnausschüttung dreht, hielten somit die Mehrheit an Augsteins Verlag, die Erben nur 24 Prozent. Diesen Anteil könnten sie nach Tagesspiegel-Informationen erst dreißig Jahre nach Augsteins Tod verkaufen, und auch dann nur gemeinsam.

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