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Aus für kritischen Biograf: Sarkozys Rache?

Der staatlicher Fernsehsender France 2 setzt ein politisch-kulturelles Magazin ab - angeblich aus rein sachlichen Gründen. Doch der Leiter der Sendung glaubt, dass ein Strippenzieher höchsten Ranges dahinter steckt.

Den Vorwurf der „Hexenjagd“ weist Rémy Pflimlin weit von sich. Pflimlin ist Intendant des staatlichen TV-Senders France 2 in Frankreich und hat gerade bekannt gegeben, dass die politisch-kulturelle Magazinsendung „Semaine critique“ nach der Sommerpause aus dem Programm gestrichen wird. Nach seinen Worten aus rein sachbezogenen Gründen: Die Einschaltquote sei zu gering, das Publikum zu alt, die Produktionskosten zu hoch. Das dürfte der Leiter der Sendung, Franz-Olivier Giesbert, anders sehen. FOG, wie er kurz genannt wird, ist einer der angesehensten Publizisten Frankreichs: Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Le Point“, Romanautor und Verfasser von kritischen Biografien der Präsidenten Mitterrand und Chirac. Mit seinem jüngsten Buch „M. Le Président“, einem bissigen Porträt des derzeitigen Staatschefs Nicolas Sarkozy, hat Giesbert seinen Ruf als unerschrockener Chronist der Pariser Politszene erneut bestätigt – sich vermutlich aber auch zum Ziel höchster Rache gemacht.

Dabei ist vieles in dem Buch gar nicht neu. Doch Giesbert reichert das Bild des „Omnipräsidenten“, der glaubt, alles selbst richten zu müssen, Mitarbeiter und Minister schurigelt und mit der Zurschaustellung seines Privatlebens Skandal machte, mit ätzenden, bisher unbekannten Details an. Giesbert hat sie aus erster Hand. Er gehört zum Establishment, geht bei den Einflussreichen ein und aus, mit Sarkozy duzt er sich. Das hindert ihn nicht, den Präsidenten als ungehalten, vulgär, in sich selbst vernarrt und rachsüchtig zu beschreiben. Geradezu erschütternd ist die Wiedergabe eines 40-minütigen Telefonanrufs, in dem Sarkozy wegen eines satirischen Gastbeitrags in „Le Point“ über die Affäre mit Carla Bruni dessen Verfasser androht, dass er ihm „die Fresse polieren“ werde.

Das war in den ersten Monaten von Sarkozys Amtszeit, und seitdem, schreibt Giesbert, habe Sarkozy nicht mehr aufgehört, von seinen Arbeitgebern seinen Kopf zu verlangen. Er ist überzeugt, dass er ganz oben steht auf einer „schwarzen Liste“ unliebsamer Journalisten, die Sarkozy nicht mehr im Fernsehen sehen will. Einen Spitzenplatz nimmt dort wohl auch der TV-Journalist Giullaume Durand ein, dessen kritische Sendung ebenfalls gestrichen wird. Auch ihm will France-2-Chef Pflimlin einen anderen Platz im Programm anbieten – vermutlich „Dokumentarfilme über zeitgenössische Kunst in tiefer Nacht“, zitiert „Le Monde“ einen Spötter. Hans-Hagen Bremer, Paris

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