zum Hauptinhalt
Donald Trump hatte angekündigt, das Internet aus Sicherheitsgründen an bestimmten Stellen „zu schließen“.

© AFP

Aus Sorge vor Donald Trump: Internet-Archiv bringt Kopie in Sicherheit

Seit zwanzig Jahren speichert Archive.org beinahe das ganze Internet in regelmäßigen Abständen. Wegen Trump soll nun eine Kopie in Kanada aufgebaut werden.

In der Bibliothek von Alexandria befand sich, so die Legende, eine Kopie jedes Buches der Welt. Im dritten Jahrhundert soll sie der Zerstörung des gesamten Palastviertels von Alexandria zum Opfer gefallen sein. Für ein mittlerweile 20 Jahre altes Projekt dient die Bibliothek weiter als Vorbild: das Internetarchiv archive.org. Es speichert nahezu jeden Inhalt, der im Netz frei zugänglich ist, in regelmäßigen Abständen.

Der Bestand des Archivs ist mehr als 26 Petabyte groß: tausende Videos, Lieder und Bücher, Milliarden von Webseiten. Auch jene, die schon lange gelöscht oder verändert wurden. Archive.org fungiert als digitales Museum: Wer wissen möchte, wie Seiten wie Wikipedia, Facebook oder Twitter an ihren ersten Tagen aussahen, kann das mit der Suchfunktion der Seite, der „Way-back-machine“, tun.

Die „Way-back-machine“ ist auch ein wichtiges Tool für Journalisten weltweit. Als der Kandidat Donald Trump Mike Pence im US-Präsidentschaftswahlkampf im Juli zu seinem Vizepräsidenten machte, folgten die Schlagzeilen: Mike Pence habe in seiner Zeit als Vorsitzender des Repräsentantenhauses auf seiner Webseite für die staatliche Finanzierung sogenannter „Umkehrtherapien“ geworben, wonach homosexuelle Menschen zu heterosexuellen Menschen gemacht werden könnten. Der homophobe Vorschlag war zu der Zeit, als Trump seinen Stellvertreter einstellte, schon lange nicht mehr auf seiner Webseite zu finden. Journalisten fanden den Eintrag trotzdem – unter archive.org.

Alexandria als Vorbild

Gegründet wurde das Internetarchiv als Non-Profit-Organisation von dem Informatiker Brewster Kahle in San Francisco. In den 1990er Jahren entwickelte Kahle digitale Analyse- und Suchmaschinen, verkaufte sie an AOL und Amazon. Mit dem Millionengewinn finanzierte er das Internetarchiv und verfolgte eine Vision: Wissensmonopole gehören abgeschafft. Er vergleicht sein Projekt mit der Bibliothek von Alexandria. Ein Ort für das Wissen der Welt, für jeden zugänglich und kostenlos. Das Archiv möchte verhindern, dass digitale Medien „in der Vergangenheit verschwinden“.

Doch viele Internetnutzer möchten genau das. Manche Inhalte sollen nicht wiederaufrufbar sein. Wer das verhindern möchte, müsste theoretisch eine in fast allen Webseiten automatisch angelegte Datei ausschalten: die robot.txt-Datei. Durch sie können Suchmaschinen Webseiten beim Durchstreifen des Internets „crawlen“, also greifen und zugänglich machen. Das Archiv löscht Webseiten auch auf Anfrage des Urhebers. Das kann ein paar Anläufe brauchen, nur 150 Mitarbeiter verwalten das Vermächtnis des Internets.

Kahle geht es nicht um die Offenlegung privater Inhalte, sondern um Optimierung: „Wenn Menschen auf der Arbeit von anderen aufbauen können, erreichen sie mehr.“ Auf der Webseite heißt es: „Das Internetarchiv ist eine Bibliothek, die auf Vertrauensbasis gebaut ist. Die Privatsphäre unserer Leser ist uns sehr wichtig. Wir schalten keine Werbung und verfolgen keine Aktivitäten. Nicht mal Ihre IP-Adresse speichern wir.“

Das Archiv wird durch Spenden finanziert, auch das neueste Projekt: Das Archiv möchte eine Kopie des Bestandes in Kanada aufbauen. Pragmatisch ist die Begründung: „Viele Kopien helfen, Dinge zu sichern.“ Allerdings macht die Seite schnell klar, dass das nicht der einzige Grund für das Kanada-Projekt ist. Der Bestand von Bibliotheken sei von drei Dingen bedroht: Erdbeben, institutionelles Versagen und: Regierungen. „Die neue Leitung der USA verspricht radikale Änderungen. Dies ist eine Erinnerung an uns, dass Institutionen wie die unsere auf Veränderungen vorbereitet sein muss.“

Was bedeuten Trumps Äußerungen?

Archive.org spielt offenbar auf Donald Trumps Ankündigung an, das Internet aus Sicherheitsgründen an bestimmten Stellen „zu schließen“. Das verkündete Trump im Wahlkampf. Primär solle dadurch der Terrorismus bekämpft werden. Trump hat sich aber auch mehrmals sehr kritisch gegenüber der Presse geäußert, die immer wieder Zitate und Tweets ausgegraben hat, um zu beweisen, dass sich die Aussagen des nächsten US-Präsidenten oft widersprechen. Kahle scheint sein Internetarchiv durch diese Ankündigungen Trumps in der Schusslinie zu sehen. Um ein Ende seiner (digitalen) Bibliothek wie der von Alexandria zu verhindern, zieht er lieber seine Konsequenzen.

Alice Hasters

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false