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Sieg in Deutsch-Ostafrika. Stolz lässt sich der Reichstagsabgeordnete und Justizrat Hermann Dietrich mit dem im Viktoriasee erlegten Krokodil ablichten. Das Motiv erschien 1906 in der „Berliner Illustrirten Zeitung“.

© Otto Haeckel/Ullstein bild

Ausstellung im DHM: Bilder, die die Welt bedeuten

„Die Erfindung der Pressefotografie“ am Beispiel der "Berliner Illustrirten Zeitung": Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum.

Wie die Vergangenheit liegt der Raum im Dunkeln. Nur Deckenstrahler bringen die Bilder zum Vorschein, die an den Wänden hängen. Gedimmtes Licht von oben. Für Fotografien, die so alt sind, dass sie sich sonst jeden Moment auflösen würden. Wer den Raum betritt, bewegt sich zugleich durch deutsche Geschichte. Die Ausstellung „Die Erfindung der Pressefotografie“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin zeigt Aufnahmen aus den Jahren von 1894 bis 1945.

Die „BIZ“, die „Berliner Illustrirte Zeitung“, war die erste Massenzeitung Deutschlands. Eine Wochenzeitung für die „allgemeine Öffentlichkeit“. Sie deckte ein halbes Jahrhundert lang alles ab, was den gemeinen Käufer interessierte. Alltag, Mode, Sport, Glamour, Fortschritt, Kampf. Ob im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im Dritten Reich oder während des Zweiten Weltkriegs. 1892 gegründet, kam sie in ihren Hochzeiten auf zwei Millionen Leser. Mehr als fünf Millionen Fotografien umfasst das Archiv des Ullstein-Verlags, zu dem die „BIZ“ gehörte, 340 von ihnen werden jetzt präsentiert. „Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, anhand einer der wichtigsten Zeitungen Deutschlands die Entwicklung des Mediums Pressefotografie zu beobachten“, meint Boris Nitzsche vom Deutschen Historischen Museum (DHM).

Bild und Einbildung

Ein Krokodil am Haken, es wirkt wie erhängt. Ein Steg. Und ein Mann, der darauf steht, mit erhobenem Blick zu seiner Beute. So ließ sich der Reichstagsabgeordnete Hermann Dietrich 1906 in Deutsch-Ostafrika von dem Fotografen Otto Haeckel ablichten und schaffte es mit diesem Bild mehr als einmal in die Berliner Wochenzeitung. Schnappschuss oder Manipulation? Echt oder komponiert? DHM-Leiter Raphael Gross sagt, Pressefotografie sei der Schnittpunkt zwischen historischer Einbildungskraft und historischem Sachverhalt.

Jede Fotografie ist Wahrheit und Illusion, ist Dokument und Täuschung. Wie das Licht macht die Fotografie das sichtbar, was zu sehen sein soll: Eine Frau mit Kohleneimer im Berlin der 30er Jahre, die Schauspielerin Hertha Schroeter als Saxofonistin auf einem Kostümfest 1928, das Porträt eines sowjetischen Kriegsgefangenen Anfang der 1940er Jahre. Mit dem Aufschwung des Pressemarkts zu Beginn des neuen Jahrhunderts entwickelt sich zugleich ein neuer Berufszweig. Die „Bildwirtschaft“ entsteht. Und die ehemaligen Künstler werden zu Bildagenten, zu Akteuren im Fotogeschäft. Der Deutsche Erich Salomon, der Ungar Martin Munkacsi, der österreichische Sportfotograf Lothar Rübelt. Was die Pressefotografie von der herkömmlichen Fotografie unterscheidet, ist ein Vertrag. Es ist der Vertrag zwischen der Zeitung und der Zeit. Der Vertrag zwischen der Zeitung und seinen Lesern. Der Vertrag zwischen der Zeitung und dem Fotografen. Als Erich Salomon Anfang der 30er Jahre für die „BIZ“ arbeitet, schreibt ihm der damalige Chefredakteur Kurt Korff einen Brief: „Auch wenn Herr Szafranski oder ich Ihnen einmal sagen, dass wir für ein Thema kein grosses Interesse haben, sind Sie doch nach dem Vertrag verpflichtet, uns die Bilder, wenn Sie sie machen, zu zeigen.“ Von Erich Salomon stammt eines der schönsten Fotos in der Ausstellung. In der Wandelhalle des Reichstags lichtete er 1930 die KPD-Abgeordnete Clara Zetkin im Gespräch mit einer Besucherin ab. Auf einen Gehstock gestützt, redet die weißhaarige Kommunistin gestikulierend auf eine junge Dame mit Hut ein. Raum, Licht und Schatten: Das Foto wirkt wie ein Gemälde von Edward Hopper in Schwarz-Weiß. Erich Salomon, Augenzeuge, Leica-Fotograf und Künstler, musste Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlassen. Er lebte in den Niederlanden, dem Heimatland seiner Frau. 1943 wurde die jüdische Familie, mittlerweile im Untergrund, denunziert, ein Jahr später wurden Vater, Mutter und Sohn Salomon in Auschwitz ermordet.

Real und Fake

Die Pressefotografie ist immer ein Zeichen ihrer Zeit und Ausdruck einer Absicht. Joseph Goebbels mit seiner Tochter Helga in Heiligendamm, Hermann Göring beim Spiel mit seinem Neffen, Adolf Hitler auf dem Obersalzberg. Es gibt kein besseres Beispiel dafür, wie steter Gesellschaftswandel den Umgang mit Bildern verändert. Vom Sympathieträgertum über Propaganda bis hin zum Führerkult. In dem Kapitel „Fotografie als Material“ betrachtet man die Fotos in einer Gegenüberstellung von „Vorher“ und „Nachher“, von real und Fake. Albert Speer und Karl Dönitz blicken im Original auf eine Kriegsmarine, die vereinzelt und weit hinten im Meer schwimmt. Auf dem manipulierten Foto und Aufmacher der Zeitschrift im Dezember 1943 taucht die Flotte in hoher Zahl und in Nahaufnahme auf. Die Macht über das Bild ist immer auch das Wunschergebnis im Bild.

Die letzte Ausgabe der „BIZ“ erscheint am 29. April 1945. Auf dem Titelfoto liegen Soldaten mit Sturmgewehren in ihren Schützengräben, inmitten einer kargen Landschaft aus blattlosen Bäumen und toter Erde. Im Hintergrund rollen die Panzer. Unter der Schlagzeile „An der Oder: Die Führer-Grenadier-Division im Kampf“ sollte das Foto ein Aufruf sein, eine Mobilisierung zum letzten Gefecht. Es sieht aus wie die Furcht vor dem eigenen Ende.

„Die Erfindung der Pressefotografie“, Deutsches Historisches Museum, Unter den Linden 2; bis 31. Oktober; täglich 10 bis 18 Uhr. Katalog 19,80 €; www.dhm.de

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