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Medien: Aznars Wahlhelfer

Wegen manipulierter Terrorberichte sollen Chefredakteure gehen

Die gezielte Manipulation der öffentlichen Meinung durch die spanischen Staatsmedien nach dem Massaker von Madrid wird einige Chefredakteure wohl den Job kosten. Spaniens künftiger Regierungschef, der Sozialdemokrat Jose Luis Zapatero, kündigte an, dass er mit dem „Missbrauch“ der staatlichen Medien aufräumen werde.

Die ersten Opfer dieses Großreinemachen werden die beiden Chefs des Staatsfernsehens sein. Fernsehdirektor Jose Antonio Sanchez und sein Chefredakteur Alfredo Urdaci müssen sich nicht nur wegen ihren Fehlleistungen bei der Berichterstattung über das Blutbad am 11. März demnächst von ihrem Job verabschieden. Den beiden wird schon lange vorgeworfen, „höfische“ Nachrichtensendungen zu präsentieren. „Ihre Tage sind gezählt“, heißt es aus der Umgebung Zapateros, der verspricht, die Staatsmedien künftig unabhängiger Kontrolle zu unterstellen.

Urdaci war nach dem Terror in den „Todeszügen“ einer jener, die bis zuletzt die Behauptung aufrechterhielten, dass nicht islamische Extremisten, sondern die baskische Eta den Anschlag begangen habe. Das Eta-Attentat gab es freilich nur im Drehbuch der konservativen Regierung, die auf keinen Fall ihren sicher geglaubten Wahlsieg drei Tage nach dem Terrortag gefährden wollte.

Zugleich wird sich die Direktion der staatlichen Nachrichtenagentur EFE warm anziehen müssen. Der Betriebsrat dieser einflussreichen Agentur fordert wegen der „Zensur und Manipulation“ der Attentatsberichterstattung die Entlassung der Chefredaktion. Diese habe zusammen mit der Regierung gefälschte Nachrichten herausgegeben, „wonach alle Spuren direkt auf die Eta weisen“. Eigene Recherchen der Redakteure seien verboten worden, Hinweise auf arabische Terroristen, die schon Stunden nach der Tat bekannt waren, seien unterdrückt worden. „Die Informationen der Agentur stammten stets aus offiziellen Quellen“, rechtfertigt eine EFE-Sprecherin. Die Agentur beliefert alle Medien in Spanien mit nationalen Nachrichten.

Auch die Redaktionen spanischer Tageszeitungen beschwerten sich über die Informationspolitik der inzwischen gestürzten Regierung: Der konservative Ministerpräsident Aznar habe ihn am Terrortag angerufen, erinnert sich Antonio Franco, Chef von „El Periodico“, und ihm versichert, dass die Eta „ohne Zweifel“ hinter dem Blutbad stecke. Andere Tageszeitungen wurden vom Regierungschef gleichfalls persönlich auf Eta-Kurs getrimmt.

Genauso versuchte man, Auslandskorrespondenten unter Druck zu setzen. Mitarbeiter des Presseamtes riefen die in Madrid akkreditierten ausländischen Journalisten an und gaben den Hinweis: „Die Eta hat die Bomben gelegt. Lasst euch durch andere Berichte nicht verrückt machen.“ Die Regierung erhielt jetzt auch ein Protestschreiben des Madrider Vereins der Auslandskorrespondenten, der die Anrufe als Versuch der Beeinflussung wertete. „Wir brauchen keine Hinweise, wie wir unsere Nachrichten aufmachen sollen“, heißt es in dem Papier. „Wir hoffen, dass solche Anrufe in Zukunft unterbleiben.“

Ralph Schulze[Madrid]

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