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Tom Cruise

© ddp

Bambi-Verleihung: Die Weihedrittelstunde

Frank Schirrmacher drängt heftig heraus aus dem Herausgeber- und hinein ins Bischofsfach. Wie der FAZ-Mann bei der "Bambi"-Verleihung Tom Cruise heilig sprach.

Hallo, Conferencier Harald Schmidt hat bei der „Bambi“-Gala am Donnerstag abend im Ersten einen Witz gemacht! Gewiss nicht, als er den Tom-Cruise-Laudator Frank Schirrmacher als „einen der bedeutendsten Journalisten des Landes“ ankündigte. Sondern als er den „FAZ“-Herausgeber, in Anspielung auf sein publizistisches Engagement für den Film „Valkyrie“ sowie eine ziemlich vergessene Popband der Achtziger, mit dem Etikett „Frankie goes to Hollywood“ versah. Stures Dasitzen im mit neonbeleuchteten Rehkitz-Silhouetten festlich geschmückten Düsseldorfer Kongresszentrum, kein Lacher, nirgends.

Die Geladenen der vom Verlagshaus Burda initiierten Verleihung hatten den Ernst der Stunde längst erfasst. Oder der rund 20 Weiheminuten, die nun folgen würden. Tom Cruise, einer der bedeutenderen Schauspieler Hollywoods, sollte – die „Überraschung“ war reichlich durchgesickert – mit dem neu geschaffenen „Mut-Bambi“ ausgezeichnet werden. Begründung: Er habe sich als Hauptdarsteller des unter seiner Ägide produzierten Films über den Hitler-Attentäter Stauffenberg einer Geschichte angenommen, die in Hollywood nie zuvor Thema gewesen sei. Keine Frage: eine thematisch begrüßenswerte unternehmerische Entscheidung. Am Düsseldorfer Donnerstag freilich wurde sie zum Akt äußerster Zivilcourage heiliggesprochen.

Der Mann dafür nennt sich nicht Frankie, sondern Frank (sprich: Fränk). „Fränk“, so Schirrmachers zärtlicher Taufname am englischsprachigen Set von „Valkyrie“, hatte sich in den Wirren dieses Sommers, als die zögerlichen deutschen Behörden mal die Scientology-Mitgliedschaft des US-Stars und mal die „Würde des Ortes“ ins Feld führten, um einen Dreh am historischen Bendlerblock zu verhindern, mit seiner Zeitung für das Cruise-Projekt in den vordersten ideologischen Schützengraben geworfen. Erst, indem er den Oscar-Helden Florian Henckel von Donnersmarck so oscarreif wie seitenlang in der „FAZ“ jubeln ließ: „Deutschlands Hoffnung heißt Tom Cruise“. Dann, als er selber deutschlandexklusiv Zugang zum Set bekam und sich nach der umstrittenen Drehnacht im Bendlerblock mit der Erschießung Stauffenbergs auf der Seite Eins der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zum ergriffenen Pressesprecher des Studios machte. Den Dreh schilderte er so: „Eine Zeitreise begann. Für das Protokoll: Kein Mensch aß, trank oder telefonierte auf dem Set.“

Mal abgesehen davon, dass auf Telefonieren während der Aufnahme die Höchststrafe steht: In Düsseldorf setzte Schirrmacher noch eins drauf. Das „ER“ für Cruise tönte schon zu Beginn seiner emphatischen Rede wie ein Attribut für Gott den Herrn höchstpersönlich. Auch das prosaische Problem, welche Funktion Cruise nach dem Kauf von United Artists wohl hätte auf seine Visitenkarte setzen mögen, Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender oder gar Präsident, löste Schirrmacher semi-sakral: „Kein Titel schien so groß wie sein Name.“ Die großmütige „Entscheidung“ des Stars wiederum, Stauffenberg „sein Gesicht zu leihen“, dürfte das historische Vorbild im Elysium mit Erleichterung aufgenommen haben: War ja nur leihweise.

Kann einer wie Cruise das noch toppen? Die Verwandlung eines Galaabends in einen Heldengottesdienst gehört zu seinen leichteren Aufgaben. Mit starrem Blick und wild in die Stirn hängendem Haar, ja, mit der Verve größerer Feldherrn größerer Zeiten, lobte Cruise die Gastfreundschaft der Berliner, Deutschland, die Kameradschaft am Set, seine bescheidene Kindheit und die eigene neue Vaterschaft, „unsere Siege“, die Verantwortung vor Gott und den Nachgeborenen, die Völkerfreundschaft sowie allerlei Lehren, die „nicht nur bis zum Abendbrottisch reichen, sondern bis zum Horizont“. Nicht ohne, Scientology verpflichtet womöglich, seine Rede mit dem historisch ungesicherten letzten Satz Stauffenbergs zu beschließen: „Es lebe das heilige Deutschland!“

Eine Lehre zumindest dürfte bis zum nächsten Abendbrot reichen: Die niedliche „Bambi“-Welt ist eindeutig zu klein für die Helden des Abends. Frank Schirrmacher drängt heftig heraus aus dem Herausgeber- und hinein ins Bischofsfach. Harald Schmidt ist, in seiner absehbaren Post-Pocher-Phase, ein formidabler Kulenkampff II. zuzutrauen. Und Tom Cruise? Vielleicht schafft er, was seinem ebenso bedeutenden Kollegen und kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger qua österreichischer Geburt ewig versagt bleiben muss: die US-Präsidentschaft, sagen wir, im Jahre 2016. Warmgesprochen hätte er sich schon.   

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