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Missbrauch und MeToo.  Harvey Weinstein ist nicht nur über seine fortgesetzten Übergriffe gegen Frauen gestürzt, er hat auch die „MeToo“-Kampagne gegen die sexuelle Drangsalierung und Ausbeutung von Frauen ausgelöst.

© ZDF und guillaume horcajuelo

BBC-Doku über Harvey Weinstein: Macho, Macht, Missbrauch

Hollywood ist ein Saustall: BBC-Doku über Harvey Weinstein und warum seine sexuellen Übergriffe überhaupt möglich waren .

Im Oktober 2017 wurde in Hollywood ein offenes Geheimnis gelüftet. Harvey Weinstein, namhafter Produzent beeindruckend vieler Kultfilme, hatte Frauen sexuell belästigt und manche gar vergewaltigt, und zwar über Jahrzehnte hinweg. In der Folge meldeten sich immer mehr Opfer, nicht nur aus der Medienbranche, die von sexuellen Übergriffen berichteten. Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der Affäre blickt eine BBC-Dokumentation nun hinter die Kulissen: „Macho, Macht, Missbrauch – Der Fall des Harvey Weinstein“.

Jane McMullen und Leo Telling, Spezialisten für investigative Dokumentationen, gehen der Frage nach, wie der Produzent seine Machenschaften vertuschen konnte. Vor der Kamera sprechen allerdings nicht die großen Stars. Zu Wort melden sich Assistentinnen, Praktikantinnen und TV-Darstellerinnen wie Katherine Kendall. Zu ihren Anschuldigungen blendet die Doku jeweils Weinsteins schriftliche Ableugnungen ein. Glaubhaft erscheinen sie nicht, denn die Erzählungen Dutzender Frauen stimmen auffällig überein. Wieder und wieder habe der Produzent sie unter einem beruflichen Vorwand allein in ein Hotelzimmer gelockt. Dort erschien er plötzlich im vorne geöffneten Bademantel und bat, halb spielerisch, halb drohend, um eine Massage.

Der Schock, die Scham und der Ekel, dem die überrumpelten Opfer ausgesetzt waren, sind Teil eines hundertfach erprobten sexuellen Unterwerfungsrituals. In dieser peinigenden Situation gelang es nur wenigen Frauen wie dem neuseeländischen Model Zoë Brock, den Spieß herumzudrehen. Brock beschimpfte Weinstein lautstark, der daraufhin wie ein Kind weinte und sich beschwerte: „Du magst mich nicht, weil ich dick bin.“

Dieses Fehlverhalten, bei dem der Übergang zwischen sexuellen Nötigungen und konkreten Handgreiflichkeiten fließend verlief, wurde ermöglicht durch die Ausnahmeposition Weinsteins. Im Wechsel mit den Übergriffen zeichnet der Film auch seine Erfolgsgeschichte nach. Stilbildende Werke wie „Pulp Fiction“, „The Crying Game“ oder „The King's Speech“ waren zwar keine ausgesprochenen Kassenknüller. Sie brachten dem Produzenten aber den Ruf ein, sich dem Hollywood-Kommerz zu verweigern. Praktizierte dieser kultivierte Mensch hintenrum eine archaische Form sexueller Ausbeutung?

Solche Gerüchte waren seit über zwanzig Jahren in Umlauf. Das Ausmaß vermochte man sich aber nicht vorzustellen. Erst 2017 räumte beispielsweise Gwyneth Paltrow ein, dass Weinstein sie schon 1998 sexuell bedrängt habe. Vertuschen konnte er seine seriellen Übergriffe durch ein perfides System. Frauen, die nach sexuellen Attacken die Öffentlichkeit suchten, verpflichtete er jeweils zur Unterzeichnung eines wasserdichten Knebelvertrags. Und zwar mit Schweigegeldern, die er sogar als Firmenausgaben verbuchen konnte. Wenn Journalisten trotzdem etwas herausgefunden hatten, so versorgte Weinstein sie im Tausch gegen ihre Diskretion mit lukrativen Homestorys aus Hollywood. Das sei, so der Klatschreporter A. J. Benza, ein gängiges Verfahren.

An diesem gespenstischen System des Schweigens partizipierten auch devote Mitarbeiter von Weinsteins Firma Miramax. Sie alle sahen weg, weil sie Weinstein anbeteten: „Bei Miramax zu arbeiten, war wie in einer Sekte zu sein“, erklärt der Ex-Mitarbeiter Paul Webster.

In der Summe verdeutlicht der Film eines: Dass die Affäre überhaupt publik wurde, grenzt an ein Wunder. Noch im Jahr 2015 ging Ambra Battilana Gutierrez mit dem Audiomitschnitt einer sexuellen Nötigung zur Polizei. Weinsteins Privatdetektive lancierten sogleich schmutzige Geschichten über das das italienische Model. Die Boulevardpresse stellte Gutierrez daraufhin als Erpresserin dar und brachte sie mit den Bunga-Bunga-Sexpartys des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in Verbindung.

Die unaufgeregte britische Dokumentation ist materialreich und vielschichtig, lässt aber auch durchblicken, dass bislang nur die Spitze des Eisberges bekannt wurde: „Hollywood“, so Paul Webster, „ist ein Saustall, und Harvey ist der mit dem größten Misthaufen“.

„Macho, Macht, Missbrauch – Der Fall des Harvey Weinstein“, ZDFinfo, am Dienstag um 20 Uhr 15, ZDF, am Mittwoch um 0 Uhr 45

Manfred Riepe

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