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Medien: Bedingt auskunftsbereit

Dem WDR steht ein Grundsatzstreit über die Informationsfreiheit bevor

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt von einiger Größe, noch dazu in Köln beheimatet – einer Stadt, in der Klüngel kein Fremdwort ist. Wer weiß also, ob dort alles mit rechten Dingen zugeht. Beflügelt von diesem Anfangsverdacht, nahm Marvin Oppong im Sommer 2006 den WDR ins Visier. Oppong, 25 Jahre alt, studiert in Bonn Jura. Nebenbei betätigt er sich als freier Journalist, investigative Recherchen bezeichnet er als sein „Steckenpferd“. So hat er im Jahr 2000 für die NRW-Ausgabe der „tageszeitung“ enthüllt, dass die CDU in Münster ihre Wahlkampfplakate von einer städtischen Firma aufstellen ließ.

Am 10. August 2006 schickte Oppong eine lange Liste mit Firmen- und Einzelnamen an die WDR-Presseabteilung mit der Bitte, der Sender möge doch darüber Auskunft geben, ob seit dem Jahr 2002 Aufträge an diese Unternehmen und Personen vergeben worden seien, ob es eine Ausschreibung gegeben habe und ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Der WDR weigert sich bis heute. Vielleicht hat er sich in Marvin Oppong getäuscht und seine Hartnäckigkeit unterschätzt. Jedenfalls hat der junge Mann die reichste und größte ARD-Anstalt nun vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Herausgabe der Informationen verklagt. Das ist recht mutig und hat etwas vom Kampf David gegen Goliath, immerhin könnten sich die Gerichts- und Anwaltskosten für ihn im Falle einer Niederlage zu einer vierstelligen Summe auftürmen.

Aber nicht nur das: Was Oppong da vor knapp zwei Jahren eher hobbymäßig anzettelte, wächst sich zu einem juristischen Grundsatzstreit über die Auskunftspflicht öffentlich-rechtlicher Sender nach den neuen Informationsfreiheitsgesetzen (IFG) aus und ist außerdem medienpolitisch interessant. Mehr Transparenz im Geschäftsgebaren der gebührenfinanzierten Sender hatte zuletzt auch die Europäische Union im Beihilfestreit gefordert. Außerdem soll bald ein Drei-Stufen-Test über die Berechtigung jeder zusätzlichen Aktivität von ARD und ZDF entscheiden. Es läuft wohl darauf hinaus, dass der Rundfunkrat als bereits existierendes Kontrollorgan den Test durchführt, beraten von externen Gutachtern. Das würde seine Rolle stärken, doch Kritiker zweifeln an der notwendigen Distanz der Gremien zum jeweiligen Sender. Medienpolitiker Marc-Jan Eumann (SPD), übrigens auch Mitglied des WDR-Rundfunkrats, schlägt wegen der allgemeinen Vorbehalte vor, Sitzungen der ARD-Gremien in Zukunft öffentlich abzuhalten. Nun forscht Oppong ausdrücklich nach – verbotenen – Geschäftsbeziehungen zwischen Rundfunkratsmitgliedern und Sender. Würde sich sein Verdacht bestätigen, wäre das in der Debatte um die künftigen Gremienaufgaben nicht gerade hilfreich.

Konkrete Hinweise hat Oppong jedoch offenkundig nicht. Seine Liste ist eher ein Rundumschlag. Dort sind Unternehmen aufgeführt, mit denen Rundfunkräte im Hauptberuf in Verbindung stehen, Banken, Sparkassen, Versicherungen, Energieversorger und TV-Produktionsfirmen zum Beispiel. Auch nach Aufträgen für Rundfunkräte selbst, die ihre Tätigkeit als freie Producer oder Medienberater angeben, fragt er forsch. Der WDR-Rundfunkrat hat sich dem Vernehmen nach bisher nicht mit der Anfrage Oppongs befasst.

Selbst wenn Oppongs Anfrage nur auf einem allgemeinen, vagen Verdacht beruht, ins Schwitzen hat sie den WDR schon gebracht. Der Sender gab sich erst einsilbig, im November 2007 lehnte die Rechtsabteilung die Anfrage schließlich ab und liefert sich seitdem mit der von Oppong um Hilfe gebetenen NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) einen brieflichen Schlagabtausch. So streitet der WDR unter anderem ab, eine „informationspflichtige Stelle“ im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu sein. Auch seien von Oppongs Anfrage Betriebsinterna und Geschäftsgeheimnisse betroffen, über die der WDR nicht Auskunft geben könne und dürfe.

Bei der LDI, einer 50 Mitarbeiter starken Behörde, sieht man das anders. Mit den Ausführungen des WDR „sind wir immer noch nicht zufrieden“, erklärt eine Sprecherin. Der WDR sei aufgefordert worden, seine Ablehnung erneut zu begründen. In den vergangenen Jahren waren im Bund und in acht Bundesländern Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet worden, die das Auskunftsrecht der Bürger gegenüber „öffentlichen Stellen“ stärken sollen. Landesbeauftragte unterstützen die Bürger dabei, Weisungsrecht haben sie nicht. Nun kollidiert erstmals ein Rundfunksender mit Ansprüchen aus dem IFG. In einer mit Intendantin Monika Piel abgestimmten Presseerklärung heißt es lapidar, der WDR sei „anderer Auffassung als die Landesdatenschutzbeauftragte. Diese rechtsgrundsätzliche Frage wird im Verwaltungsgerichtswege geklärt werden“.

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